Aufgenommen in Bar auf Sylt Große Empörung über rassistisches Partyvideo
"Wohlstandsverwahrlosung", "ekelige Parolen", "blanker Rassismus": Politiker reagieren schockiert auf ein auf Sylt aufgenommenes Video. Der Staatsschutz ermittelt wegen Volksverhetzung. Das Lokal distanzierte sich.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat das in einem Video festgehaltene rassistische Gegröle junger Menschen vor einem Lokal auf Sylt scharf verurteilt. "Ganz klar: Solche Parolen sind ekelig, sie sind nicht akzeptabel", sagte der SPD-Politiker in Berlin. Darüber "darf es kein Vertun geben", so Scholz weiter. "Und deshalb ist es auch richtig, dass all unsere Aktivitäten darauf gerichtet sind, genau zu verhindern, dass das eine Sache ist, die sich verbreitet."
Das Video, in dem eine feiernde Gruppe vor einem Lokal auf der Nordsee-Insel Sylt rassistische Parolen grölt, stieß bundesweit auf Empörung. Das Lokal, die Pony-Bar, distanzierte sich bereits in der Nacht und kündigte Konsequenzen an.
Verdacht, dass Hitlergruß gezeigt wurde
In der nur wenige Sekunden langen Aufnahme, die sich seit Donnerstag online verbreitet, stimmten die Beteiligten zur Melodie eines Party-Hits nationalistische und rassistische Parolen an. Ein Mann scheint mit seinen Fingern auf der Oberlippe einen Hitlerbart anzudeuten und wedelt mit der Hand des ausgestreckten rechten Arms im Takt - ein Hitlergruß?
Das Fachkommissariat für Staatsschutz der Polizei nahm Ermittlungen wegen Volksverhetzung und des Verwendens verfassungswidriger Kennzeichen auf. Die Staatsanwaltschaft Flensburg bestätigte Ermittlungen gegen die Verdächtigen.
"Lässt sich auch verurteilen, ohne das Video weiter zu verbreiten"
Die Amadeu Antonio Stiftung, die seit 1998 Projekte gegen Rechtsextremismus und Rassismus unterstützt, rief im Kurznachrichtendienst X dazu auf, das Video nicht weiter zu verbreiten. Der "ekelhafte Ohrwurm" brauche nicht noch mehr Reichweite, als er ohnehin schon habe.
Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte bei einer Wahlkampfveranstaltung in Karlsruhe: "Wenn ich so was sehe, dann wird mir einfach nur schlecht. Dann kann ich das kaum ertragen." Sie fragte: "Was ist das für eine Wohlstandsverwahrlosung? Was ist das für ein absurder Wahnsinn?"
Einen Tag nach den Feiern zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes verwies Lang auf dessen ersten Artikel: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Das gelte nicht nur für weiße Menschen, für Menschen mit deutschem Pass oder für Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind, sagte die Parteivorsitzende. "Wenn unser Grundgesetz eines sagt, dann ist es: 'Nazis raus'". Dass Menschen gegen rechts auf die Straße gehen, gebe ihr Mut und Zuversicht, sagte Lang.
"Es ist wichtig, den Mund aufzumachen"
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach von Verwahrlosung. "Wer Nazi-Parolen wie 'Deutschland den Deutschen - Ausländer raus' grölt, ist eine Schande für Deutschland", sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Faeser warf die Frage auf, welches hasserfüllte Klima dazu ermutige, sich so abgrundtief rassistisch in aller Öffentlichkeit zu äußern und "ob wir es hier mit Menschen zu tun haben, die in einer wohlstandsverwahrlosten Parallelgesellschaft leben, die die Werte unseres Grundgesetzes mit Füßen tritt".
Faeser sprach sich für strafrechtliche Konsequenzen für ein solches Verhalten aus, appellierte aber zugleich an die gesamte Gesellschaft. "Hier darf es keinerlei schleichende Normalisierung geben", warnte sie. Rassismus müsse überall - im Freundeskreis, bei der Arbeit, im Sport - "lauten Widerspruch" erfahren. "Es ist wichtig, den Mund aufzumachen und gegenzuhalten gegen solchen Menschenhass", betonte die Bundesinnenministerin.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zeigte sich ebenfalls schockiert über den Vorfall. Weiter kommentieren wolle er die Geschehnisse nicht. Zunächst müssten nun Polizei und Justiz die Aufnahmen auswerten.
"Kein sogenanntes Randphänomen"
Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, nannte die Vorkommnisse "widerlich und unerträglich". Es mache sie fassungslos, dass keiner der anderen Gäste einschreite. "Es zeigt deutlich, dass Rechtsextremismus und Rassismus sich durch alle gesellschaftlichen Gruppen ziehen und eben kein sogenanntes Randphänomen sind. Sie reichen bis tief ins bürgerliche Milieu", so Alabali-Radovan.
Ganz ähnlich äußerte sich die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman. Die Bilder stammten offenbar nicht aus einer Nazikneipe, sondern aus einer Nobelbar auf Sylt. "Rassismus darf aber in Deutschland nie wieder zum Normalfall werden", mahnte sie und fügte hinzu: "Das ist blanker Rassismus, der sich immer weiter in alle Milieus und Altersgruppen hineinfräst und offen ausgelebt wird." Ataman begrüßte die polizeilichen Ermittlungen. Solche Handlungen dürften nicht folgenlos bleiben.
Auch auf Sylt selbst und in ganz Schleswig-Holstein rief das Video Empörung hervor. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Sylter Gemeinden distanzierten sich in einer gemeinsamen Erklärung.
Mitglieder der schleswig-holsteinischen Landesregierung hatten das Verhalten ebenfalls verurteilt, unter ihnen Bildungsministerin Karin Prien (CDU) und Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne).