Sonnenlicht fällt beim feierlichen Gelöbnis der Bundeswehr auf dem Marktplatz in Haldensleben auf Soldaten und Soldatinnen der Ehrenformation. (Archivbild: 21.11.2024)

Stärkung der Bundeswehr Warum eine Rückkehr zur Wehrpflicht schwierig wäre

Stand: 06.03.2025 08:05 Uhr

Die mögliche künftige Koalition aus Union und SPD will die Bundeswehr finanziell stärken. Doch auch Personal fehlt massiv. Also zurück zur Wehrpflicht?

Von Claudia Buckenmaier, ARD-Hauptstadtstudio

"Ich will auf jeden Fall für Frieden, Gleichberechtigung und so kämpfen. Besser für etwas kämpfen als immer nur darüber reden." So begründet die 18-jährige Abiturientin Victoria, warum sie sich für eine Laufbahn bei der Bundeswehr interessiert. Sie ist eine von mehr als 6.000 jungen Menschen, die in einem Assessment Center der Bundeswehr in Köln jedes Jahr getestet werden, ob sie für eine Offizierslaufbahn geeignet sind.

Das Problem: Die Zahl der freiwilligen Bewerberinnen und Bewerber reicht bei Weitem nicht aus, um den Personalsorgen der Bundeswehr zu begegnen. Weder bei den Offizieren noch bei den niedrigeren Dienstgraden.

Deutlich größere Bundeswehr nötig?

Eine Antwort auf die fehlenden Bewerber sieht Marcel Bohnert vom Bundeswehrverband in der Rückkehr zur Wehrpflicht. Es nütze nichts, weiter auf Freiwilligkeit zu setzen. Die Bundeswehr habe schon viel unternommen: modernes Marketing, Auftritte in den sozialen Medien, Jobmessen oder gar Werbung in Schulen dort, wo es erlaubt ist. Aber alles blieb bisher ohne den gewünschten Erfolg.

"Wir dümpeln seit vielen Jahren bei 180.000 Soldatinnen und Soldaten herum", so Oberstleutnant Bohnert. "Aber wir brauchen über 200.000 und wenn wir in den Sommer schauen, auf den nächsten NATO-Gipfel, dann werden wir wahrscheinlich eher so bei 250.000 bis 260.000 landen." Militärexperten gehen davon aus, dass die künftigen Anforderungen der NATO eine deutlich größere Bundeswehr erfordern werden.

Veränderte Zeiten

Das Geld für eine besser ausgerüstete Armee will die Politik jetzt bereitstellen. Aber wie sieht es mit der Personalgewinnung aus? Zur Erinnerung: 2011 setzte der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg von der CSU die Wehrpflicht aus. Die Bundeswehr, in der im Kalten Krieg weit mehr als 400.000 Soldaten Dienst taten, wurde schnell kleiner. Die avisierte Sollstärke waren 185.000 Soldaten.

Kasernen und Liegenschaften wurden verkauft. Die Wehrersatzämter, in denen die jungen Männer zuvor gemustert worden waren, wurden abgeschafft. Die Strukturen, die es für eine Wehrpflicht braucht, existieren nicht mehr. Es fehlen Ausbilder. Die Armee, die früher den Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung erfüllen musste, konzentrierte sich auf Auslandseinsätze. Eine kleinere, aber hoch ausgebildete und spezialisierte Berufsarmee schien dafür genau richtig.

Die Zeiten haben sich geändert. Es werden wieder mehr Soldaten gebraucht, doch das Interesse an der Bundeswehr sinkt eher, als dass es zunimmt. Auch deshalb diskutiert die Politik nun über die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, die auf der Basis des Grundgesetzes möglich wäre. Der Wehrpflicht-Artikel 12a im Grundgesetz besteht noch. Allerdings bezieht er sich nur auf junge Männer ab dem 18. Lebensjahr und nicht auch auf Frauen. Für manch diskutiertes Modell ist das ein Problem.

Erfassung vor Musterung

Die Union hat bereits in ihrem Programm zur Bundestagswahl davon gesprochen, die Wehrpflicht langfristig wieder einführen zu wollen, und zwar in Form eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres. Die Betonung lag allerdings auf "langfristig". Der CSU-Politiker Florian Hahn fordert nun aufgrund der neuen Bedrohungslage eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht noch in diesem Jahr.

Der noch im Amt befindliche Verteidigungsminister Boris Pistorius hält dagegen. "Wir haben gar keine Kasernen in der großen Zahl, die wir bräuchten, um alle Wehrpflichtigen eines Jahrgangs tatsächlich einziehen zu können", erklärt er in einem Interview mit den tagesthemen.

Man müsse zuallererst wieder die jungen Menschen, die man einziehen könnte, wieder erfassen. "Wir werden jetzt mit dem künftigen möglichen Koalitionspartner darüber reden, welches Modell ist realisierbar, wie schnell und über wie viel Personal reden wir. Ein Schnellschuss à la: Wir führen jetzt die Wehrpflicht, wie wir sie früher kannten, wieder ein, ist nicht wirklich hilfreich."

Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister, zur Einigung bei den Sondierungsgesprächen in Berlin

tagesthemen, 04.03.2025 23:30 Uhr

Gesetzentwurf der Ampel nicht mehr verabschiedet

Ein Gesetzentwurf, mit dem künftig alle wehrfähigen jungen Männer verpflichtend erfasst werden sollten, und junge Frauen freiwillig, da das Grundgesetz hier keine Pflicht erlaubt, ist aufgrund der vorgezogenen Neuwahl nicht mehr verabschiedet worden.

Den Entwurf eines freiwilligen Wehrdienstmodells wollten neben der SPD auch die Grünen mittragen. Als Vorbild diente der Ampelregierung das sogenannte schwedische Modell: Man erfasst alle, die wehrfähig sind, zieht aber nur die Zahl ein, die man benötigt und zuallererst die, die es selbst wollen. Hinter dem Modell steckt auch die Hoffnung, dass junge Menschen sich eher für die Bundeswehr interessieren, wenn sie automatisch mit ihr in Kontakt kommen und nicht erst gefunden werden müssen.

Linke und FDP gegen Wiedereinführung der Wehrpflicht

Klar gegen die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht positioniert sich die Linke. Die Aussetzung unter Kanzlerin Angela Merkel sei "ein zivilisatorischer Fortschritt" gewesen, sagt Parteivorsitzende Ines Schwerdtner. "Unsere Jugend dahin zu bringen, wo wir eigentlich vor 20 Jahren einmal waren, und das auch für absolut unnütz befunden haben, das wäre ein absoluter Rückschritt. Da machen wir nicht mit."

Auch die FDP ist gegen eine Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht. Sie begrüßt aber, so steht es im Wahlprogramm, eine "Nationale Datenbank zur Erfassung von wehrfähigen Männern und Frauen".

Die AfD dagegen ist für die Wehrpflicht und will außerdem eine "ideelle Revitalisierung" der Bundeswehr. In ihrem Wahlprogramm wurde davon gesprochen, "Tugenden der Soldaten wie Ehre, Kameradschaft, Tapferkeit" hochzuhalten.

Sorgen in der Bevölkerung

Unabhängig davon, wie die einzelnen Parteien zur Wehrpflicht stehen - allen scheint bewusst, dass die Bundeswehr angesichts der internationalen Lage mehr Personal benötigt. Personal, das über moderne Werbespots und die Aussicht auf eine Berufsausbildung allein nicht gefunden wird.

Außerdem müssen die Politikerinnen und Politiker die Sorgen in der Bevölkerung ernst nehmen. Denn viele sind nicht überzeugt, dass es tatsächlich wieder mehr Soldatinnen und Soldaten braucht.

Viele brechen vorzeitig ihre Laufbahn ab

Marcel Bohnert vom Bundeswehrverband findet, irgendwer müsse den Menschen reinen Wein einschenken: "Es nützt nichts, die Bevölkerung in Watte zu packen und so zu tun, als wäre alles in Ordnung."

Victoria, die 18-jährige Bewerberin für eine Offizierslaufbahn, hat ihre Eignung bekommen: "Ich bin sehr glücklich. Ich will wissen, was die anderen Seiten vom Leben sind."

Motivierte junge Menschen ohne existierende Wehrpflicht - auf den ersten Blick ein Glücksfall für die Bundeswehr. Doch sie müssen die Erwartungen auch erfüllen. Das gelingt viel zu selten. Denn bisher brechen von denen, die sich bewusst für die Bundeswehr entscheiden, zu viele vorzeitig ab.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 05. März 2025 um 19:55 Uhr.