AfD-Kandidat für Europawahl Welche Ideen hinter Maximilian Krah stecken
Der völkische Flügel will der AfD endgültig seine Weltanschauung aufdrücken, sagt der Rechtsextremismusforscher Begrich. Die Wahl von Maximilian Krah zum Spitzenkandidaten für die Europawahl sei nicht der letzte Schritt auf dem Weg dorthin.
tagesschau.de: Maximilian Krah gilt selbst in der AfD als Rechtsaußen. Wofür steht er?
David Begrich: Die Wahl ist ein sehr deutliches Signal, dass die AfD sich endgültig europapolitisch rechts positioniert - und zwar rechts außen. Maximilian Krah ist Rechtsanwalt, Katholik und seit Jahren einer der wichtigsten Exponenten des völkisch-nationalistischen Flügels in der AfD. Im Europaparlament baut er die entsprechenden politischen Verbindungen auf. Daneben hat er aber auch ein Manifest, wie er es selbst nennt, geschrieben: "Politik von rechts". Darin versucht er, zu einer Neufundierung rechter Politik für Deutschland und Europa im Sinne der rechten Identitätspolitik zu kommen - bei der Einwanderung, Staat, Nation, Volk, aber auch bei Fragen der Geschlechterpolitik und Familie.
tagesschau.de: Krahs Manifest ist im extrem rechten Verlag des Publizisten Götz Kubitschek erschienen. Er tritt immer wieder bei Kubitschek in Schnellroda auf.
Begrich: Krah begnügt sich nicht mit tagespolitischen Interventionen im Europäischen Parlament. Das ist schon eine Besonderheit. Er ist schon vor dem Buch in der rechtsextremen Öffentlichkeit in Erscheinung getreten, etwa durch ein längeres Interview mit Björn Höcke, in dem Krah seine Positionen weltanschaulich begründet.
tagesschau.de: Steht die AfD mit Krahs Positionen alleine in Europa da oder folgt sie einem Trend?
Begrich: Es gibt bereits eine extreme Rechte im Europaparlament. Diese will die Europäische Union in ihrer jetzigen Gestalt politisch-strukturell zerschlagen. Man empfindet die EU als Instrument einer amerikanisch gesteuerten Globalisierung. Die EU wird als überbordende Bürokratie beschrieben, die den Völkern Europas sozusagen wesensfremd sei und den einzelnen Nationen einen externen Willen aufzwinge.
In Deutschland kommt das Argument hinzu, dass Deutschland Nettozahler in der EU ist. Man ziehe also aus der EU keine ökonomischen und sozialen Vorteile. Das stimmt zwar nicht, weder von den Zahlen her, noch vom zeitgeschichtlichen Kontext, aber die AfD hat eben ein anderes Entwurfsbild von Europa. Sie nennen das "das Europa der Vaterländer".
tagesschau.de: Wie sieht dieses Europa aus?
Begrich: Es wäre ein Rückzug auf die Nationalstaaten. Diese schließen dann nur noch bilaterale Verträge miteinander. Das würde das Ende der Europäischen Union als Wertegemeinschaft und als ökonomischer Verbund bedeuten. Diese Konzeption ist allerdings nicht neu. Die Republikaner traten damit 1987 zur Europawahl an.
tagesschau.de: Einige in der AfD sagen, man müsse, die EU reformieren. Scheitert das, gehöre sie aufgelöst. Der Thüringer Landeschef Höcke, der Krahs Kandidatur unterstützt hat, sagte am Rande des Parteitags hingegen: "Die EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann." Wofür steht die AfD?
Begrich: Innerhalb der AfD sagt eine Strömung des politischen Fundamentalismus: "Wir müssen uns von der EU und auch von der NATO abwenden." Letztendlich geht das gegen die Westbindung. Man favorisiert ein neutrales Deutschland, das sich eng an Russland anbindet oder gar anbiedert. Vor allem der völkisch-nationalistische Flügel in Ostdeutschland vertritt diese Position. Sie ist aber in der gesamten Partei derzeit nicht mehrheitsfähig. Denn das Personal im Westen ist von der Westbindung geprägt. Noch pendelt die AfD also zwischen "Erstmal mit Reformen versuchen" und "Sofort austreten" hin und her.
tagesschau.de: Über ihr Europawahlprogramm will die AfD aber erst kommendes Wochenende, nach dem Ende der Listenaufstellung, abstimmen.
Begrich: Man darf sicher gespannt sein, wie sich die Partei am Ende in dieser Frage entscheidet. Mit Maximilian Krah jedenfalls verbindet das völkisch-nationalistisch Lager auch eine programmatische Aussage. Diejenigen, die für eine "konservative" Rückbindung von NATO und EU sind, befinden sich jedenfalls in der Defensive.
tagesschau.de: Krah hat in seiner Rede die Partei dazu aufgerufen, den Kurs des letzten Bundesparteitages in Riesa fortzusetzen. Damals hat sich das Höcke-Lager in vielen inhaltlichen Punkten durchgesetzt. Erleben wir eine inhaltliche Konsolidierung der AfD zu Gunsten der Rechtsaußen?
Begrich: Hinter Krahs Aussage steckt wohl der Wunsch, eine weltanschaulich einheitliche Partei zu werden, die deutlich im Lager der extremen Rechten steht. In diesem Kreis nimmt man die Nationalkonservativen und Konservativ-Liberalen als Störer war. Deren Lager ist praktisch nicht mehr handlungsfähig und soll nun auch aus allen Positionen gedrängt werden. Dieser Prozess ist in Ostdeutschland bereits abgeschlossen und soll nun auch in der gesamten AfD abgeschlossen werden. Das würde bedeuten, dass die AfD auch in Westdeutschland eine geschlossen rechtsextreme Partei würde.
tagesschau.de: Krah und Vertreter der sogenannten Neuen Rechten behaupten, ihnen gehöre die Zukunft. Die alte Rechte, aber auch die heutige Regierungspolitik stünden für Vergangenes. Trifft das zu oder ist das Marketing?
Begrich: Da ist schon etwas dran, zumindest für die AfD. Krah selbst hat kürzlich in einem Interview gesagt, die Partei sei jetzt so rechts wie zu keinem Zeitpunkt zuvor. Diese Einschätzung teile ich im Wesentlichen. Die Häutungen, die stattgefunden haben und die im Grunde genommen seit 2013 immer wieder stattfanden, bedeuten eine kontinuierliche Rechtsverschiebung. Es war und ist ein Machtkampf innerhalb der AfD um weltanschauliche und politische Positionen. Dieser Machtkampf wurde in Riesa entschieden.
Jetzt geht es darum, diese Position zu festigen und auszubauen und den deutlichen Führungsanspruch der völkisch-nationalistischen Akteursgruppe in der AfD auch programmatisch zu untermauern. Der Europaparteitag ist sozusagen eine Wegmarke dorthin. Wir werden aber sicher in den kommenden Monaten weitere programmatische Akzentverschiebungen der AfD erleben, die noch mal deutlich machen, wie weit rechts die Partei inzwischen steht.
Das Gespräch führte Thomas Vorreyer, tagesschau.de