Mützenich im "Bericht aus Berlin" "Glaube nicht, dass wir in normalen Zeiten leben"
Angesichts der Haushaltssituation des Bundes hat der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich im Bericht aus Berlin dafür plädiert, auch für 2024 eine Notlage zu erklären. NRW-Ministerpräsident Wüst machte der Ampelkoalition Sparvorschläge.
Das Karlsruher Haushaltsurteil sei für ihn "persönlich ein Rückschlag und ernüchternd". Das sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich im Bericht aus Berlin. Allerdings bedeute das nicht, "dass wir aus diesem Urteil nicht weitere Chancen für die Zukunft entwickeln können", so Mützenich.
Er hatte sich zuvor bereits dafür ausgesprochen, auch für die Jahre 2024 und eventuell 2025 eine Notlage zu erklären, um so die Schuldenbremse aussetzen zu können. CDU-Chef Friedrich Merz hat bereits angekündigt, in diesem Fall wieder vor Gericht zu ziehen.
Mützenich sagte, er wolle mit den politisch Verantwortlichen darüber reden, "ob wir in normalen Zeiten leben". "Ich glaube nicht, dass wir in normalen Zeiten leben, deswegen ist es auch kein normaler Haushalt." Er plädierte dafür, gemeinsam zu schauen, "was mit der Schuldenbremse überhaupt möglich ist".
Wüst: "Ehrliche Bestandsaufnahme"
Auch der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, sprach sich im Bericht aus Berlin für eine "ehrliche Bestandsaufnahme" und eine Priorisierung der Aufgaben aus. Wenn man sehe, dass bei der Jahresschlussrechnung 14 Milliarden Euro übriggeblieben seien, dann "ist mit Priorisierung etwas zu machen", so Wüst.
Nach Einsparmöglichkeiten gefragt, sagte Wüst, dass in seinem Bundesland alle Ressorts Sparksamkeit zeigen müssen, "außer Kinder/Schule". Bei armen Kindern wolle niemand sparen, aber ob es sinnvoll sei, heute noch eine Behörde mit 3.000 bis 5.000 Mitabeitern aufzubauen, sei fraglich. "Da muss man schauen, ob man Kindern nicht besser helfen kann", so Wüst in Anspielung auf die Kindergrundsicherung.
Wüst: "Mehr Anreize für Arbeit"
Mit Blick auf von CDU-Chef Merz ins Spiel gebrachte Einsparungen beim Bürgergeld, sagte Wüst: "Überall fehlen fleißige Leute. Und gleichzeitig machen wir es in unteren Lohngruppen immer unattraktiver arbeiten zu gehen." Mit neuen Anreizen sei es für den Staat möglich, Sozialausgaben zu sparen und wieder mehr Steuer- und Sozialeinnahmen zu haben.
Er sei ein großer Fan der Schuldenbremse, so Wüst. "Sie ist ein hohes Gut, weil sie die junge Generation vor der Übergriffigkeit der jetzt Regierenden schützt." Zu der Debatte um eine Reform sagte Wüst: "Ich bin sehr dafür, dass wir nicht den dritten vor dem ersten Schritt tun. Erst eine ehrliche Bestandsaufnahme, dann mal sehen, was übrigbleibt, was zu tun ist an Zukunftsinvestitionen und was real abfließt, nachdem gespart worden ist und Prioritäten gesetzt wurden."
Mützenich: Notlage gut begründbar
Mützenich sagte, eine Notlage ließe sich seiner Einschätzung nach damit begründen, dass man nicht wisse, was sich aus dem Krieg gegen die Ukraine entwickeln werde. Außerdem sei nicht sicher, ob aus der Lage in Nahost ein Regionalkrieg entstünde. Die Ukraine brauche einen Wiederaufbau. Der Staat müsse sich diesen Dingen stellen, habe hier aber nicht die alleinige Kontrolle. "Das gibt schon eine Chance, diese Ausnahmeregelung in Artikel 115 nochmal zu ziehen", so Mützenich.
Gefragt, wo er Einsparmöglichkeiten sehe, sagte Mützenich, es geht nicht darum, "genau die eine Stelle zu identifizieren, wo Kürzungen möglich sind". Das eine oder andere ließe sich aber auch in diesem Haushalt finden, etwa klimaschädliche Subventionen.
Sozialkürzungen lehnte er ab. Ein Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauche aus dem Bürgergeld eine gewisse Stütze, weil der Lohn bis zum Monatsende nicht ausreiche. "So frei darüber hinwegzugehen, das werden Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auf keinen Fall machen."
Am Montag kommen die Wirtschafts- und Energieminister von Bund und Ländern in Berlin zusammen, um über die Auswirkungen des Haushaltsurteils zu beraten.