China-Debatte im Bundestag Ampel auf Strategie-Suche
Die Bundesregierung will eine neue Strategie im Umgang mit China entwerfen - doch das könnte noch dauern. Denn es stellt sich auch die Frage, wer in der deutschen Außenpolitik eigentlich das Sagen hat.
Wer ist in der deutschen Außenpolitik "Koch", wer ist "Kellner"? Diese Frage wird seit Antritt der Ampel-Koalition mal mehr, mal weniger heiß diskutiert. Insofern war es zweifelsohne ein bemerkenswerter Moment, dass der Bundeskanzler - kurz bevor er sich vor einer Woche zu seiner ebenso kurzen wie umstrittenen China-Reise aufmachte - noch ein paar Ratschläge mit auf den Weg bekam. Und zwar von der damals in Kasachstan weilenden Außenministerin Annalena Baerbock. "Es ist eigentlich gute Sitte, dass noch nicht einmal die Opposition das macht. Sie erlauben sich derartige Zänkereien innerhalb der Regierung", spießte Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul diesen Umstand im Bundestag verbal auf. "Es ist zum außenpolitischen Fremdschämen, was Sie hier abliefern."
Die CDU also vermisst beim Kanzler ebenso wie bei der Ampel insgesamt eine klare und einheitliche China-Politik. Wohingegen sämtliche Regierungsfraktionen die Union unsanft daran erinnerten, dass sie den Umgang mit China betreffend im Glashaus sitze: "Scholz ist deutlich kritischer in China aufgetreten, als es Merkel jemals war", bilanziert der SPD-Politiker Frank Schwabe die Kanzler-Reise. Und der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, rief der Union ins Gedächtnis: "Sie mussten ja brutal dazu gedrängt werden, eine Selbstverständlichkeit anzugehen: Nämlich ein chinesisches Unternehmen unter der Kontrolle der kommunistischen Partei wie Huawei rauszuhalten aus dem Kern unseres Mobilfunknetzes."
Hamburger Hafen ja, Chiphersteller nein
Nun hat aber auch die Ampel so ihre liebe Mühe mit chinesischen Firmen, wie die jüngere Vergangenheit zeigt: SPD-Kanzler Olaf Scholz drückte gegen die Empfehlung von sechs Ministerien eine Beteiligung des chinesischen Unternehmens Cosco an einem Hamburger Hafenterminal durch. Der Verkauf des Dortmunder Chipherstellers Elmos an einen Investor aus China hingegen wurde untersagt. Es wirkt, als schlage der China-Kompass mal so, mal anders aus. Wichtig sei, meint die Grünen-Außenpolitikerin Agnieszka Brugger, die Irrtümer im Umgang mit Russland nun nicht im Umgang mit China zu wiederholen: "Diese Ignoranz und Naivität, auch die Fehler der alten deutschen Russland-Politik, müssen uns allen eine deutliche Lehre sein."
Wirtschaftliche Entkopplung birgt Risiken
Wie wichtig es ist, die extrem hohe wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu reduzieren und damit auch die Gefahr der Erpressbarkeit zu verringern, betonen vor allem die Grünen. Doch es ist und bleibt ein Dilemma: Zweifelsohne birgt der Versuch einer vorsichtigen Entkopplung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch Risiken. Und die Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali meint: "Wer glaubt, dass sich die Menschenrechtslage in China verbessert, indem Europa sich abschottet, ist auf dem Holzweg."
Unterschiedliche Ansätze bei SPD und Grünen?
Dass der auch im Umgang mit Russland lange verfolgte Ansatz "Wandel durch Handel" krachend gescheitert ist, zu dieser Erkenntnis ist man mittlerweile auch bei den Sozialdemokraten gelangt. Trotzdem drängt sich der Eindruck auf, dass im SPD-geführten Kanzleramt auf der einen, in den grünen Außen- und Wirtschaftsministerien auf der anderen Seite bisweilen unterschiedliche Ansätze verfolgt werden.
Nun ist die Bundesregierung dabei, eine neue China-Strategie zu entwerfen. Federführend ist dabei das Auswärtige Amt von Außenministerin Baerbock. Vorgelegt werden soll die Strategie im kommenden Jahr. Dass man dabei im Kanzleramt ein gewichtiges Wort wird mitreden wollen, steht außer Zweifel. Auch hier also wird man sich wieder mit der Frage befassen, wer in der deutschen Außenpolitik "Koch" und wer "Kellner" ist.