Lars Klingbeil und Friedrich Merz unterhalten sich in den hinteren Reihen des Bundestages
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Debatte über Milliardenvorhaben Wie es um das schwarz-rote Finanzpaket steht

Stand: 14.03.2025 10:47 Uhr

Die Grünen wollen dem Finanzpaket von Union und SPD in dieser Form nicht zustimmen. Das ist aber nötig, wenn der Milliardenplan gelingen soll. CDU-Chef Merz versucht es mit Zugeständnissen. Doch reicht das? Antworten auf wichtige Fragen im Überblick.

Was ist der Plan von Union und SPD?

Union und SPD verhandeln seit Donnerstag über die Details eines Koalitionsvertrags. In den vorangegangenen Sondierungen hatten sie sich bereits auf einige Eckpunkte geeinigt - darunter ein großes Finanzpaket, das im Kern folgende Punkte enthält:

  • Zum einen soll die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gelockert werden. Verteidigungsausgaben sollen nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) unter die Schuldenregel fallen. Diese Grenze wäre also ab etwa 44 Milliarden Euro erreicht. Alles darüber Hinausgehende soll beliebig aus Krediten finanziert werden dürfen.
  • Zum anderen soll für Investitionen in die Infrastruktur ein schuldenfinanziertes Sondervermögen von 500 Milliarden Euro aufgelegt werden, 100 Milliarden davon sollen an die Länder und Kommunen gehen.
  • Zudem sollen die Bundesländer mehr Spielraum für eigene Verschuldung bekommen: Zusammen sollen sie künftig Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen dürfen. Bislang war den Bundesländern eine Schuldenaufnahme nur in Ausnahmefällen erlaubt, etwa bei Naturkatastrophen oder anderen außergewöhnlichen Notsituationen.

Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD sind ambitioniert geplant

Kerstin Dausend, ARD Berlin, Morgenmagazin, 14.03.2025 05:30 Uhr

Woher kommt das Geld?

Der Staat besorgt sich das Geld, indem er Anleihen auf dem Kapitalmarkt ausgibt. Mit dem Kauf einer Staatsanleihe leiht ein Anleger dem Staat Geld und bekommt dafür Zinsen. Auf lange Sicht muss der Kredit zwar getilgt werden - anders als bei Privatleuten kann man das aber weit in die Zukunft verschieben. So lange muss der Staat aus seinen Haushalten Zinsen zahlen.

Bisher hat Deutschland bei den Ratingagenturen eine Top-Bonität, das heißt, der Staat kann sich Geld zu sehr guten Zinssätzen leihen. Experten sehen dieses Rating auch bei einer größeren Verschuldung eher nicht in Gefahr. Selbst mit einer Schuldenquote von 82 Prozent in der Finanzkrise 2010 konnte Deutschland sein AAA-Rating halten. Ob das diesmal gelingt, wird auch davon abhängen, wie viel Vertrauen die Agenturen in die Wirtschaftskraft des Landes setzen.

Warum kommt es auf die Grünen oder die FDP an?

Union und SPD können ihr Finanzpaket nicht allein beschließen. Da es sich dabei um eine Änderung des Grundgesetzes handelt, ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig.

Im neuen Bundestag sind AfD und Linke zusammen allerdings so stark, dass sie die Reform blockieren könnten. Deshalb soll der alte Bundestag noch schnell entscheiden. Doch auch hier sind Stimmen von Grünen oder FDP nötig, um die Zweidrittelmehrheit gemäß Artikel 79 Absatz 2 des Grundgesetzes zu erreichen.

Zudem braucht eine Grundgesetzänderung zusätzlich zum Bundestagsbeschluss mindestens zwei Drittel der Länderstimmen im Bundesrat - und auch die sind nicht sicher. Einige Bundesländer fordern, dass die Länder mehr als die geplanten 100 Milliarden vom Infrastruktur-Topf abbekommen. Bundesländer mit Linken, FDP oder BSW in der Regierung können wohl ohnehin nicht zustimmen, weil ihre Regierungsparteien keine einheitliche Linie finden. Sie müssten sich enthalten. Auch die Freien Wähler in Bayern sind bisher nicht überzeugt.

Was wollen die Grünen?

Die FDP ist im neuen Bundestag nicht mehr vertreten, bei Abstimmungen dort spielt sie also keine Rolle mehr. Im momentan noch bestehenden Bundestag könnte sie Union und SPD theoretisch zu einer Zweidrittelmehrheit verhelfen. Da sie aber generell gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse ist, kommt es weniger auf sie, sondern vor allem auf die Grünen an.

Die Grünen befürworten grundsätzlich sowohl höhere Verteidigungsausgaben als auch eine Reform der Schuldenbremse. Sie befürchten aber, dass mit dem Paket von Union und SPD deren Wahlversprechen wie die Ausweitung der Mütterrente und niedrigere Steuern in der Gastronomie finanziert werden, die das Land aus ihrer Sicht aber kaum voranbringen.

Stattdessen fordern die Grünen Investitionen in Klimaschutz, die Modernisierung der Wirtschaft, die Bahn, die Digitalisierung oder das Stromnetz. Eine Ausnahme der Schuldenbremse für die Verteidigung würden die Grünen im Gegensatz zur FDP mit einigen Änderungen wohl aber unterstützen.

Die Grünen wollen aber auch sicherstellen, dass die Milliarden für die Infrastruktur wirklich in zusätzliche Projekte fließen. So wollen die Grünen verhindern, dass Infrastrukturausgaben kaum noch aus dem normalen Haushalt, sondern aus dem Sondertopf finanziert werden, um Haushaltsmittel für anderes freizumachen.

Die Grünen haben einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Anders als Union und SPD wollen sie in dem Entwurf einen größeren Anteil der Verteidigungsausgaben aus dem regulären Bundeshaushalt finanzieren. Erst ab einer Höhe von 1,5 Prozent des BIP sollen Ausgaben für "Gesamtverteidigung und sicherheitspolitische Aufgaben" nicht mehr unter die Regeln der Schuldenbremse fallen.

Auch wollen die Grünen Sicherheit breiter definieren - unter anderem wird in dem Entwurf ein Ausbau nachrichtendienstlicher Fähigkeiten, die Stärkung internationaler Organisationen zur Friedenssicherung und der Schutz der Zivilbevölkerung sowie von IT- Systemen erwähnt.

Ein weiterer Vorschlag der Grünen ist, dass das Paket von Union und SPD aufgeteilt wird. Zunächst solle eine Einigung nur über die Verteidigungsausgaben gefunden werden, über die Infrastruktur-Investitionen könne später verhandelt werden, machte Fraktionschefin Katharina Dröge in den tagesthemen deutlich. "Wir sind sehr klar bereit, jetzt auch kurzfristig mit Blick auf Sicherheit etwas gemeinsam zu machen. Und da sind die inhaltlichen Differenzen auch wirklich überbrückbar." 

Für die Infrastruktur-Milliarden müsste der wahrscheinlich künftige Kanzler Friedrich Merz (CDU) im neuen Bundestag dann eine Lösung nicht nur mit SPD und den Grünen finden, sondern auch mit der Linken - nur so hätte er die nötige Zweidrittelmehrheit. Dann müsste möglicherweise auch über eine grundlegende Reform der Schuldenbremse gesprochen werden, denn das verlangt die Linke.

Was haben Union und SPD den Grünen angeboten?

Merz bot im Bundestag an, die Schuldenbremse nicht nur für Verteidigung, sondern auch für Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie Nachrichtendienste zu lockern.

Außerdem schlug er vor, einen Teil der Infrastruktur-Kredite fest für den Klimaschutz vorzusehen: 50 Milliarden Euro sollen über den Klima- und Transformationsfonds auf zwölf Jahre gestreckt in Maßnahmen für Klimaschutz und den Umbau der Wirtschaft fließen.

"Was wollen Sie noch mehr?", fragte Merz während seiner Rede die Grünen. Gleichzeitig behauptete er in seiner Rede, man repariere mit den 50 Milliarden Euro das, was die Ampelkoalition in drei Jahren nicht geschafft habe. Die Grünen erteilten dem CDU-Chef umgehend eine Absage. Co-Fraktionschefin Dröge sagte an Merz gewandt, falls dieser sich frage, warum die Verhandlungen mit den Grünen gerade so liefen, wie sie liefen, dann antworte sie ihm: "Weil wir uns nicht auf Ihr Wort verlassen."

Die SPD lehnt zudem die von den Grünen vorgeschlagene Aufspaltung des Finanzpakets ab. Denn ihr sind die Milliarden für die Infrastruktur besonders wichtig und in dieser Variante wären sie nicht garantiert, da es darauf ankäme, ob Union und Linke dann im neuen Bundestag zusammenarbeiten können.

Welche Rolle spielt das Bundesverfassungsgericht?

Für Dienstag ist die entscheidende Abstimmung im Bundestag geplant. So lange haben Union und SPD noch Zeit, einen Kompromiss mit den Grünen zu finden. Offen ist aber auch, ob das Bundesverfassungsgericht die Sitzung am Dienstag überhaupt zulässt, denn in Karlsruhe sind mehrere Klagen anhängig. Sowohl die AfD-Fraktion als auch die künftige Linksfraktion haben Organstreitverfahren beantragt und wollen mit Eilanträgen den Erlass einer einstweiligen Anordnung erreichen.

Auch die fraktionslose Bundestagsabgeordnete Joana Cotar (ehemals AfD) sowie fünf AfD-Abgeordnete haben entsprechende Anträge gestellt. Dem Gericht zufolge liegt zudem eine Verfassungsbeschwerde in der Sache vor. Wann genau die Richterinnen und Richter über die Anträge entscheiden, ist unklar. Laut Gericht ist eine Entscheidung aber vor dem 18. März zu erwarten.

Was bedeutet das alles für die Koalitionsverhandlungen?

Wenn es nicht gelingt, das Finanzpaket von Union und SPD in seiner ursprünglichen oder abgeänderten Form zu verabschieden, hätten Schwarz-Rot zumindest die Grundlage ihrer bisherigen Einigungen verloren. Ohne das zusätzliche Geld könnten viele Vorhaben nicht finanzierbar sein oder es wären massive Kürzungen in anderen Bereichen im Haushalt nötig.

Ob die SPD unter diesen Voraussetzungen noch bereit wäre, mit der Union zu regieren, ist ungewiss. Zumindest müsste wohl vieles noch einmal auf den Tisch und ganz neu besprochen werden. Eine Alternative zu einer schwarz-roten Koalition gibt es nach der Bundestagswahl allerdings auch nicht, wenn man Kooperationen mit der AfD und Minderheitsregierungen ausschließt.