Hausärzte Was bringt der Honorargrenzen-Wegfall?
Mehr Geld für Hausarztpraxen, bessere Versorgung vor allem auf dem Land - das sind die erklärten Ziele des Entbudgetierung-Gesetzes. Doch werden sie erreicht? Eine Hausärztin ist zuversichtlich, die GKV äußert Kritik.
"Es ist frustrierend, wenn ich mehr arbeite, aber nicht adäquat vergütet werde", beschreibt Susanne Fischer ihre aktuelle Situation. Sie betreibt eine Hausarztpraxis im Pfinztal bei Karlsruhe. Ihre Situation soll sich durch ein Gesetz der Ampelparteien ändern. Das erklärte Ziel der geplanten Entbudgetierung: Mehrarbeit soll künftig sicher bezahlt werden, auch wenn das Budget der Praxis aufgebraucht ist.
Nach dem Budget kommt die Staffelung
Denn bisher gibt es eine Honorar-Obergrenze. Wenn dieses Budget überzogen wird - etwa, weil eine Hausärztin mehr Patientinnen und Patienten versorgt - werden die Behandlungen von den Krankenkassen oftmals nicht komplett erstattet. Dann beginne die sogenannte Abstaffelung, eine Art der teilweisen Vergütung. Die betrifft laut Hausärztin Fischer etwa Gespräche, die sie mit Patientinnen und Patienten führt. Sie erklärt: "Kommen Sie einmal im Quartal zu mir und ich spreche mit Ihnen, dann kriege ich das vielleicht noch voll vergütet. Kommen Sie ein zweites oder drittes Mal zu mir, dann ist die Vergütung deutlich weniger."
Nach Aussage des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) wären mit der Entbudgetierung künftig alle hausärztlichen Leistungen von dieser Abstaffelung ausgenommen. Laut Hausärztin Fischer werden von Hausärzten allerdings auch immer wieder Leistungen erbracht, die nicht als allgemeine hausärztliche Versorgung bezeichnet werden und somit budgetiert bleiben. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg nennt als Beispiele für solche Leistungen etwa Sonografien oder psychosomatische Gespräche.
Für die Hausärztin aus dem Pfinztal bedeutet das im Umkehrschluss trotzdem: Sie kann besser abschätzen, wie viele Leistungen sie von der Krankenkasse erstattet bekommt - und wie viel Geld sie damit für ihre Praxis ausgeben kann.
Mehr Geld für Hausärzte, mehr Behandlungsmöglichkeiten?
Sie persönlich könne zwar nicht mehr Patienten behandeln als bisher, erklärt die Hausärztin. Doch wenn sie mehr Geld zur Verfügung habe, könne sie das Praxisteam vergrößern und somit auch mehr Aufgaben an angestellte Ärztinnen und Ärzte und Medizinische Fachangestellte - kurz MFAs - delegieren. Denn mit mehr Geld könne sie die einstellen und bezahlen. "Ich muss ja mit ganz fixen Zahlen rechnen. Und wenn ich nicht genau weiß, was ich in nächster Zeit verdienen werde, dann kann ich mir das unter Umständen gar nicht leisten", führt die Ärztin aus.
MFAs übernehmen demnach bereits viele Leistungen wie etwa das Verabreichen von Impfungen und Wundversorgungen. Sie sorgen laut Fischer dafür, dass sie selbst länger für Fragen Zeit hat, für die ein Arzt nötig ist. So könnten in der Praxis schließlich mehr Menschen behandelt werden.
Anreize für Hausärzte auf dem Land mit Fragezeichen
Fischer hofft, dass durch die Entbudgetierung - und damit durch bessere finanzielle Planungssicherheiten - mehr Ärzte den Mut fassen, eine Hausarztpraxis auf dem Land aufzumachen. Fischer glaubt: "Und den Mut haben sie nur, wenn sie wissen, sie kriegen eine adäquate und richtige Vergütung und haben auch etwas, womit sie rechnen können."
Kritisch sieht das etwa Stefan Greß, Gesundheitsökonom von der Hochschule Fulda. Er schätzt die Auswirkungen der Entbudgetierung auf die ärztliche Versorgung auf dem Land kurz- bis mittelfristig als eher gering ein. Auf eine Anfrage des SWR schrieb Greß, langfristig verspreche sich der Gesetzgeber zwar eine höhere Attraktivität einer Praxistätigkeit auf dem Land. "Da wäre ich aber skeptisch, weil finanzielle Anreize auch in der Vergangenheit die Nachteile einer Niederlassung auf dem Land nicht kompensieren konnten."
Vorteile nicht nur für Praxen auf dem Land
Insgesamt glaubt Greß, dass die Entbudgetierung Anreize schaffen kann, zusätzliche Leistungen zu erbringen. In unterversorgten Regionen wäre das seiner Ansicht nach auch gerechtfertigt - aber nicht in überversorgten Regionen wie in vielen Ballungszentren. Die Entbudgetierung greift aber bei allen Hausarztpraxen.
Wenn durch die Gesetzesänderung insgesamt eine medizinische Unterversorgung abgebaut werden könnte, hätten Patientinnen und Patienten laut Greß auch Vorteile. Doch daran hat der Gesundheitsökonom Zweifel:
Es ist unklar, ob die zusätzlichen Ausgaben zu einem zusätzlichen Nutzen für die Patientinnen und Patienten führen.
Kritik an Endbudgetierung auch von GKV
Ähnlich kritisch blickt auch der Sprecher der GKV, Florian Lanz, auf das Gesetzesvorhaben der Ampelparteien. Lanz bezeichnet die Entbudgetierung als "eine zusätzliche Honorarerhöhung für Hausärztinnen und Hausärzte" - und damit für eine Berufsgruppe, die bereits heute wirklich gut verdiene. Dem SWR sagte Lanz: "Es ist ja nicht so, dass Hausärzte ein Problem hätten, ihren Praxisalltag zu finanzieren oder ein geringes Einkommen haben."
Dem entgegen stehen laut Lanz Mehrkosten für die Patientinnen und Patienten bei den Krankenkassenbeiträgen. So führt der GKV-Sprecher aus, die Entbudgetierung der Hausärzte würde die Beitragszahlenden 400 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich kosten - "ohne irgendeine konkrete Gegenleistung für die Patientinnen und Patienten".
Die GKV beobachtet laut Lanz ohnehin das Problem, die Versorgung der 75 Millionen gesetzlich Versicherten dauerhaft zu einem angemessenen Beitrag zu finanzieren. "Anstatt zu schauen, wie man das auf solide Füße stellen kann, sagt die Politik: Nein, wir machen dann lieber noch mal eine extra Honorarerhöhung für die Ärzteschaft."
Zwischen Wertschätzung und Überlastung
Dass Hausärztinnen und Hausärzte in Deutschland bereits ein gutes Gehalt hätten, sieht die Hausärztin aus dem Pfinztal bei Karlsruhe nicht als einschlägiges Argument gegen die Entbudgetierung. Für sie habe Bezahlung am Ende auch etwas mit Wertschätzung zu tun, erklärt sie. "Zu sagen, nur weil ich denke, dass du das Geld nicht brauchst, kriegst du es nicht - das ist absolut keine Wertschätzung."