CDU in Baden-Württemberg Das Rennen um die Kretschmann-Nachfolge hat begonnen
Die CDU in Baden-Württemberg sieht sich im Aufwind. Ein Ende der Ära des grünen Landeschefs Kretschmann ist absehbar. Die Ablösung von CDU-Chef Strobl verändert nun die Vorzeichen der grün-schwarzen Koalition.
Die zuletzt so gebeutelte baden-württembergische CDU stellt sich für die Zeit nach dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann auf. Ihr Hoffnungsträger ist der gerade mal 35 Jahre alte Manuel Hagel. Er soll den langjährigen CDU-Landeschef Thomas Strobl ablösen und seiner Partei zu altem Glanz verhelfen.
Noch immer haben viele in der Partei nicht verwunden, dass der Grünen-Politiker Kretschmann ihnen vor mittlerweile zwölf Jahren die Macht wegschnappte - und das nach fast sechs Jahrzehnten andauernder CDU-Dominanz. Hinzu kommt: Seit sieben Jahren regiert die Landes-CDU als Juniorpartner an der Seite des grünen Ministerpräsidenten - eine Demütigung, an die sich die meisten Christdemokraten nie so richtig gewöhnt haben.
"Kompromissmaschine" nur noch in zweiter Reihe
Der Mann, der das anders als seine Partei immer gut aushalten konnte, war Strobl. Die "Kompromissmaschine", wie er von manchen in der CDU auch genannt wird, machte das Beste aus den Wahlschlappen seiner Partei und führte sie zweimal in eine grün-schwarze Koalition - vor allem beim letzten Mal unter Inkaufnahme schmerzhafter Zugeständnisse.
Für Strobl lohnte es sich auch: Als Innenminister und Vize-Regierungschef nahm er wieder am Kabinettstisch Platz. Doch seine Hymnen auf Kretschmann wurden in den eigenen Reihen zuletzt eher mit Augenrollen quittiert. Kostprobe vom 75. Geburtstag des Grünen: "Ich habe noch nie einen so vertrauenswürdigen und verlässlichen Partner gehabt wie Winfried Kretschmann."
Kampfansage zur Halbzeit
Doch die Zeit des verbalen Anschmiegens dürfte jetzt vorbei sein. Denn Kretschmanns Vertrauter Strobl - mit 63 Jahren annähernd die gleiche Generation wie der Grüne - tritt demnächst als CDU-Chef ab, nach zwölf Jahren. Auf ihn soll der schneidige Fraktionschef Hagel folgen, der 40 Jahre jünger ist als Kretschmann.
Zur Halbzeit von Grün-Schwarz sprach Hagel zwar von einer "Koalition der Ideen", die weiter gestalten wolle. Doch er sagte auch: "Wer Zweiter ist, muss Erster werden wollen." Eine klare Kampfansage - die Strobl außerhalb des Wahlkampfs nicht über die Lippen gekommen wäre. Wieder stärkste Kraft bei der Landtagswahl werden, davon träumen die Christdemokraten. Und dafür soll Hagel nun den Weg ebnen.
Kretschmann sieht in Strobl weiter den "Sparringspartner"
Aber was heißt das für die zweite Halbzeit der grün-schwarzen Koalition? Kretschmann betonte heute in Stuttgart, zu Hagel habe er ein "sehr gutes Verhältnis, vertrauensvoll und offen".
Sein "Ansprechpartner und Sparringspartner" in der Regierung bleibe aber Innenminister und Vize-Regierungschef Strobl. Dieser habe im Übrigen seine Rolle als Parteichef in der Regierungsarbeit immer nur "sehr zurückgenommen" wahrgenommen. Auf die Frage, ob sich durch die Doppelfunktion von Hagel die Machtarithmetik in der Koalition ändere, sagte Kretschmann: "Das wird sich zeigen."
Machtverhältnisse bei CDU schon länger verschoben
Tatsächlich haben sich die Machtverhältnisse innerhalb der CDU in den vergangenen zwei Jahren schon deutlich verschoben: weg von Strobl, hin zu Hagel. Grund ist vor allem, dass der Innenminister durch die Affäre des Inspekteurs der Polizei um sexuelle Gewalt und den Untersuchungsausschuss stark belastet ist.
Das sehen auch die Grünen so - und bekommen es zu spüren. Denn Hagel ist machtbewusst und scheut immer weniger den Konflikt mit dem Koalitionspartner. Zuletzt erklärte er, dass die CDU in dieser Wahlperiode keinen anderen Grünen zum Ministerpräsidenten mitwählen wolle.
Mit einem Forderungskatalog zur Migrationspolitik setzte der Fraktionschef ein weiteres Ausrufezeichen, sehr zum Ärger der Grünen. Auch Kretschmann war "not amused". Heute hielt er Hagel entgegen: "Was soll denn das bitte schön sein, eine 180-Grad-Wende? Das ist ja die völlig andere Richtung. Mit Überschriften kann man nicht regieren."
Kretschmann hatte sich von der Koalition mit der CDU Ruhe und Stabilität versprochen. Doch jetzt sagte er, es sei ganz normal, dass sich die Bedingungen für so eine Partnerschaft änderten. "Gott sei Dank" sei es bisher gelungen, Streitigkeiten hinter den Kulissen zu besprechen. "Das ist der Normalzustand, dass die Gegenseite eine andere Vorstellung hat als man selber." Aber gelingt es auch künftig, Zoff zu überdecken und konstruktiv miteinander zu regieren?
Als möglicher Spitzenkandidat profilieren
Hagel ist nicht nur designierter Landesvorsitzender, er gilt auch als wahrscheinlicher Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2026. Der andere mögliche Kandidat, der Talkshow-erprobte CDU-Bundespolitiker Thorsten Frei, wird ihm den Posten wohl eher nicht streitig machen. Frei ist in der CDU-Bundestagsfraktion einer der engsten Mitarbeiter von Parteichef Friedrich Merz und kann im Fall eines Wahlsiegs der Union bei der Bundestagswahl 2025 auf einen hohen Posten hoffen.
Und so kann sich Hagel darauf konzentrieren, seine Partei hinter sich zu einen und sich selbst bekannt zu machen. Eine Umfrage hat neulich erst ergeben, dass sich nur drei Prozent der Menschen in Baden-Württemberg Hagel als Nachfolger von Regierungschef Kretschmann vorstellen können. Da hat der gelernte Bankkaufmann und Betriebswirt einiges aufzuholen.
Es dürfte ein Spagat werden: Auf der einen Seite wird der CDU-Vormann sich stärker von den Grünen absetzen müssen, auf der anderen Seite kann er kein Interesse an zu viel Streit in der Koalition haben. Die Ampelkoalition in Berlin bietet reichlich Anschauungsmaterial, wie sich Dauerknatsch in den Umfragen auswirkt.
Grüne haben Personalentscheidung noch vor sich
Von den Querelen in der Ampel und der Vertrauenskrise der Grünen im Bund wegen des Heizungsgesetzes profitiert aber nun wieder die CDU. Im Bund, aber offensichtlich auch in Baden-Württemberg. In den jüngsten Befragungen lag die Landes-CDU schon vor den Grünen. Ein Alarmsignal für die Öko-Partei, die ihrerseits schwierige personelle Entscheidungen noch vor sich hat. Und sie tut sich schwer damit.
Bei den zwei vergangenen Landtagswahlen mussten die Grünen nur plakatieren: "Grün wählen heißt Kretschmann wählen". Das ist vorbei. Intern wird schon gewitzelt, man könne ja plakatieren: "Grün wählen nach Kretschmann", damit der Name wenigstens noch vorkomme.
Die grünen Hoffnungen richten sich auf Cem Özdemir, den Bundeslandwirtschaftsminister. Mit seiner Ansage, keinen anderen grünen Regierungschef als Kretschmann zu akzeptieren, durchkreuzte Hagel zuletzt Gedankenspiele beim Koalitionspartner. Denn ein vorzeitiger Wechsel zu Özdemir ist bei den Grünen weiter die bevorzugte Option.
Angeblich soll sich der 57-Jährige zum Jahreswechsel entscheiden, ob er Kretschmanns Job übernehmen will. Der Wahlkampf wirft also seine Schatten voraus - auch weil die Kommunal- und Europawahlen im Juni 2024 anstehen.