
Grummeln in der Union Kalt erwischt von Merz' Milliardenschulden
Im Wahlkampf hatte CDU-Chef Merz die Schuldenbremse eisern verteidigt. Jetzt ist er bereit, die Schuldenregeln aufzuweichen. In seiner Fraktion sind nicht alle mit dem Kurswechsel einverstanden.
Die Einladung zur Fraktionssitzung kommt kurzfristig. Am späten Dienstagabend schalten sich die Mitglieder der Unionsfraktion zusammen. Es gibt Gesprächsbedarf zu dem, was CDU-Chef Friedrich Merz nur wenige Augenblicke vorher der deutschen Öffentlichkeit erklärt hatte.
"Ich will es sehr deutlich sagen", so Merz. "Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent, muss jetzt auch für unsere Verteidigung gelten: Whatever it takes."
Unter dem Eindruck der Nachrichten aus den USA hat Merz seine Meinung geändert. Eine Reform der Schuldenbremse bei Verteidigungsausgaben soll es geben, ebenso ein 500-Milliarden-Schuldenpaket für Infrastruktur.
Schulden für Infrastruktur im Wahlkampf abgelehnt
Die zusammengetrommelten Abgeordneten seiner Fraktion werden kalt erwischt. Verständnis gibt es dem Vernehmen nach für die zusätzlichen Schulden für Verteidigung. Aber 500 Milliarden Euro für Straßen, Brücken und Schulen? Das hatte die Union im Wahlkampf noch vehement abgelehnt.
Auch Merz selbst immer wieder, zum Beispiel im TV-Duell kurz vor der Wahl mit Olaf Scholz: "Ich habe immer gesagt, man kann über alles diskutieren. Aber das kommt sicher nicht am Anfang. Am Anfang kommt das Einsparpotenzial und die Umschichtungen im Haushalt, die dringend notwendig sind."
Kritik von mehreren Abgeordneten
Nun macht Merz genau das am Anfang. In der Fraktionssitzung gibt es dafür Kritik, nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios von mehreren Abgeordneten. Einer ruft Merz entgegen, dass man der Bevölkerung im Wahlkampf etwas anderes erzählt habe. Und so wirken die Versuche, dieses Vorgehen zu erklären, teilweise etwas ungelenk.
Thorsten Frei, ein enger Vertrauter von Merz, versucht es so: "Zum einen hat sich die Sachlage geändert. Zum anderen haben uns die Wählerinnen und Wähler bedauerlicherweise nicht mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet. Das ist leider so."
Gewaltiger Druck auf Merz
Johannes Winkel ist irritiert über seinen Vorsitzenden. Er ist Chef der Jungen Union und gerade in den Bundestag gewählt worden. Er sieht die Schuldenaufnahme kritisch und macht sich Sorgen darum, dass seine Generation das Geld ja auch irgendwann zurückzahlen muss.
Winkel will jetzt Erfolge in den Sondierungsgesprächen sehen und macht Druck auf die Verhandler der Union: "Wir sind der SPD in der finanzpolitischen Einigung sehr weit entgegengekommen, ohne dafür eine erkennbare Gegenleistung bekommen zu haben. Deswegen müssen diese Gegenleistungen jetzt bei den übrigen Politikfeldern für die Union natürlich kommen."
Der Druck auf Friedrich Merz ist jetzt schon gewaltig - und er ist noch nicht einmal Bundeskanzler. Er muss auf die Grünen zugehen, um das Finanzpaket mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit durch den Bundestag zu bekommen. Und er muss seiner eigenen Partei zeigen, dass er kämpft und auch etwas erreicht. Ansonsten dürfte die Zahl der Kritiker aus den Reihen noch größer werden.