Haushalt der Ampelkoalition Die Rente schon wieder
Mit ihren jüngsten Forderungen zur Rente stellt die FDP Beschlüsse infrage, die sie selbst mit ausgehandelt hat. Was treibt die Partei an? Wohl auch die Milliardenlücke im kommenden Haushalt.
Die FDP hat es wieder getan: Wieder hat sie ein Positionspapier verabschiedet. Wieder geht es um die Wirtschaftswende - und um eine "generationengerechte Haushaltspolitik". Diesmal stehen fünf Punkte auf dem Plan, nach einem Zwölf-Punkte-Papier vor wenigen Wochen. Und im politischen Berlin fragen manche schon scherzhaft, wie viele Punkte als nächstes kommen. Drei? Acht? 15?
"Wenn die FDP keine Papiere produzieren würde, würden sich die anderen Parteien nicht so sehr für wirtschaftspolitische Überlegungen interessieren", kontert Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.
Genug, um die Koalitionspartner vor den Kopf zu stoßen
Auch wenn inhaltlich nichts Neues drinsteht, ist es doch genug, um die Koalitionspartner vor den Kopf zu stoßen. Allen voran die SPD. Hauptknackpunkt: die Rente. In dem jüngsten Papier heißt es: "Wir müssen auch Reformen der Sozialsysteme in Angriff nehmen." Die Rente mit 63 setze - wie das Bürgergeld - Fehlanreize, die man sich nicht leisten könne.
Das heißt übersetzt: Die abschlagsfreie Rente nach 45 Versichertenjahren soll weg. Damit verleiht die FDP einer Forderung Nachdruck, die schon auf dem Parteitag kam: Es braucht weitere Reformen in Sachen Rente. Das geplante und schon präsentierte Rentenpaket II reicht nicht.
Esken: "Wir brauchen keine Kehrtwende"
Die SPD schüttelt den Kopf, die Grünen reiben sich die Augen: Hatte man sich nicht längst auf was anderes geeinigt? "Wir brauchen keine Kehrtwende", sagte SPD-Parteichefin Saskia Esken. "Die sogenannte Rente mit 63 bleibt bestehen." Sie sei ein Zeichen der Wertschätzung für diejenigen, die jeden Morgen aufstehen und hart arbeiten.
Der grüne Vizekanzler Robert Habeck zeigte sich bei einer Veranstaltung seiner Partei zur Europawahl irritiert: "Wir verstehen den Streit um das Rentenpaket nicht wirklich." Es gebe ja schon eine Einigung. Die Debatte über einen flexibleren Renteneintritt sollte doch bitte hinter den Kulissen geführt werden.
Es geht um den Bundeshaushalt ...
Das sieht die FDP anders. Und stellt damit ausgehandelte Reformen infrage. Was treibt die Freien Demokraten an? Punkt eins: Es geht bei der Diskussion um die Rente um noch etwas ganz anderes - den Bundeshaushalt fürs kommende Jahr.
Finanzminister Christian Lindner ist verärgert über die hohen Ausgabenwünsche einiger Ministerien, unter anderem vom Entwicklungsministerium, geführt von Svenja Schulze (SPD), und dem Auswärtigen Amt, geführt von Annalena Baerbock (Grüne). Beide Häuser haben jeweils einen erhöhten Bedarf angemeldet - und Lindners Sparvorgaben ignoriert. Die FDP macht klar: Die Wirtschaftskraft reiche nicht, um überall auf der Welt aktiv zu sein.
Der haushaltspolitische Sprecher der FDP, Otto Fricke, verweist auf die Schuldenbremse, die eingehalten werden müsse: "Wir haben eine Verfassung, die sagt, wieviel geht. Und wenn Frau Schulze mehr Geld haben will, als sie eigentlich mal im Kabinett beschlossen hat, müsste sie vielleicht mal sagen, von wem sie es denn gerne hätte." Die Antwort liefert die FDP gleich selbst: Den Rotstift bei den Ausgaben für die Rente ansetzen.
... und um höhere Rentenbeiträge
Und das ist Punkt zwei: In der FDP wächst der Druck, beim Thema Rente noch weitere Reformen voranzutreiben. Die Liberalen stören sich vor allem daran, dass die Beiträge erhöht werden sollen, von jetzt 18,6 Prozent auf 22 Prozent in den kommenden Jahren. Der Schritt ist nötig, um das Rentenniveau stabil zu halten, so wie es die SPD sich wünscht. Und weil immer mehr Menschen in den kommenden Jahren in Rente gehen, aber nicht genug neue Beitragszahler nachkommen, müssen die Beiträge steigen. Die FDP will deshalb zumindest die abschlagsfreie Rente mit 63 abschaffen.
Das Problem ist nur: Finanzminister Lindner hat das Rentenpaket mit ausgehandelt - und es gemeinsam mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im März vorgestellt. Die jetzigen Einwände schärfen das Image der FDP als Dagegen-Partei, als Opposition innerhalb der Regierung.
Die aktuelle Haushaltskrise ist damit ebenfalls noch nicht gelöst, sie hat sich eher noch verschärft. Noch klafft im Haushalt für das kommende Jahr ein zweistelliges Milliardenloch. Noch bleiben die Ministerien bei ihren hohen Ausgabenwünschen - zumindest öffentlich.
Entwicklungsministerin Schulze hat am Wochenende in der ARD deutlich gemacht, warum ihr Ministerium das Geld braucht. Die weltweiten Herausforderungen seien groß: Hunger, Klimakatastrophen, Gesundheitssystem. Deutschland habe eine Verantwortung.
Wie man das Problem jetzt löst? Verhandlungen laufen hinter den Kulissen, heißt es. Keiner will Näheres dazu sagen. Nach außen zeigt sich damit derzeit wieder einmal vor allem eins: Uneinigkeit.