Argentinien, Chile und Brasilien Warum Scholz nach Südamerika reist
Schon wieder reist ein Regierungsmitglied nach Südamerika - und zwar Bundeskanzler Scholz höchstpersönlich. Weshalb ist die Region für die Bundesregierung aktuell so wichtig?
"Multipolar" ist ein Wort, das Regierungspolitiker in Berlin zurzeit sehr häufig benutzen. Im Klartext heißt es: Die Welt sortiert sich momentan neu - und Deutschland sucht neue Partner, um sich breiter aufzustellen. An diesem Wochenende bricht Olaf Scholz deswegen zu einer viertägigen Reise nach Südamerika auf.
Wichtige Rohstofflieferanten
Erstes Ziel ist Argentinien. In Buenos Aires trifft Scholz auf Präsident Alberto Fernandez, der in seinem Land mit extremer Inflation und hoher Armut zu kämpfen hat. Argentinien besitzt aber auch enorme Bodenschätze, unter anderem Lithium. Der Rohstoff ist zum Beispiel wichtig für die Produktion von Akkus für Smartphones oder Batterien für E-Autos.
Ein großer Teil des weltweiten Aufkommens an Lithium befindet sich in dieser Region Südamerikas. Der Abbau ist allerdings schwierig - und könnte wesentlich umweltschonender verlaufen. Deutschland erhofft sich, Argentinien bei der Modernisierung des Abbaus mit technischer Unterstützung zur Seite zu stehen. Sicherlich nicht ganz ohne den Hintergedanken, bei den Rohstoffen selbst dann auch besser beliefert zu werden.
Für die Rohstofflieferkette spielt auch die nächste Station auf der Kanzlerreise eine große Rolle: In Chile geht es allerdings auch um die Erinnerung an ein tragisches Kapitel gemeinsamer Geschichte: die Colonia Dignidad. In der sektenartigen Siedlung wurden zur Zeit der chilenischen Militärdiktatur von Augusto Pinochet in den Jahren 1973 bis 1990 zahlreiche Menschen vergewaltigt, gefoltert und getötet.
Die Siedlung hatte 1961 der Deutsche Paul Schäfer gegründet, ein aus seiner Heimat geflohener ehemaliger Wehrmachtsgefreiter. Mit dem neuen, jungen Präsidenten Chiles, Gabriel Boric, wird Scholz darüber sprechen und gemeinsam mit ihm das Museum für Erinnerung und Menschenrechte besuchen.
Reformieren und profitieren?
Brasilien ist die letzte Station der Reise. Für Deutschland ist das Land der wichtigste Handelspartner in der Region. Unter dem neuen Präsidenten Lula da Silva will Brasilien sich reindustrialisieren. Auch Deutschland möchte seine Wirtschaft umbauen, um zum ersten klimaneutralen Industrieland zu werden. Das Angebot an Brasilien könnte also heißen: Warum nicht gemeinsam reformieren und profitieren?
Der Umweltgedanke spielt in Brasilien eine herausragende Rolle. Das Ökosystem im Amazonasgebiet hat weltweite Bedeutung. Die Bundesregierung will Präsident Lula dabei unterstützen, die Schäden, die sein Vorgänger Jair Bolsonaro beim Abholzen des Regenwaldes angerichtet hat, wieder zu reparieren.
Seitenhieb auf China
In Brasilien bekommt der Kanzler Unterstützung aus seinem eigenen Regierungsteam: Entwicklungsministerin Svenja Schulze ist ebenfalls in der Region und trifft den Kanzler in der Hauptstadt Brasilia. Sie hat schon ein 100-Tage-Programm für Brasilien angekündigt - und 35 Millionen Euro für den Amazonienfonds. Gelder, die in der Regierungszeit von Ex-Präsident Bolsonaro eingefroren worden waren.
Die Bundesregierung blickt optimistisch auf Südamerikareise des Kanzlers. Die Türen stünden Deutschland überall offen. Deutschland sei ein Wunschpartner: fair, ökologisch und leistungsstark. Diese Attribute sind durchaus auch als kleiner Seitenhieb auf China zu verstehen, das als weniger fair und ökologisch gilt, aber ebenfalls in der Region neue Partner sucht und schon kräftig mitmischt.