Bedenken zu TikTok Spaßige App - oder Sicherheitsrisiko?
Immer mehr Staaten verbieten Regierungsmitarbeitern die App TikTok auf Diensthandys. Die Bundesregierung sieht bislang keine ausreichende Gefahr durch das Programm aus China. In einem Ministerium kann die App bereits auf Dienstgeräten installiert werden.
Eines muss man bei TikTok nicht diskutieren: den Erfolg bei Nutzern. Es gibt kaum eine App, die bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen so populär ist. Kurze Videos, oft mit Musik. Schnell mit dem Handy aufgenommen und im Netz geteilt. Je jünger die Menschen, desto größer die Beliebtheit von TikTok, so eine Erhebung.
TikTok scheint die Zukunft zu gehören. Doch es gibt erhebliche Zweifel an der Sicherheit der App: Die Zahl der Staaten und politischen Einrichtungen, die TikTok auf Diensthandys verbieten, steigt gerade deutlich. Die EU-Kommission hat es so beschlossen. Auch Länder wie die USA oder Großbritannien verbannen TikTok von Mobiltelefonen der Staatsbediensteten.
Sicherheitsbehörden äußern Bedenken
Die Bundesregierung aber hat sich bislang nicht zu einem solchen Schritt mit deutlicher Signalwirkung entschieden - auch wenn es nach Informationen von WDR und NDR in den Sicherheitsbehörden erhebliche Bedenken mit Blick auf TikTok gibt.
Die Bundesregierung hat sich zuletzt mit der Firma über Sicherheitsfragen ausgetauscht, wie eine Unternehmenssprecherin bestätigte. Geprüft wurde unter anderem die technische Ausgestaltung der App. Das Ergebnis: Nach der Prüfung sieht die Regierung nach Informationen von WDR und NDR aktuell keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit - also keine schwerwiegende Gefahr. Was die Regierung aber durchaus sieht: Datenschutzprobleme. Eine Entscheidung über ein ausdrückliches Verbot steht demnach im Moment aber nicht an.
Faeser mahnt zur Wachsamkeit
Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte bei einem Besuch in den USA mögliche Risiken: Sie forderte Nutzer der App zu besonderer Wachsamkeit auf. Hinter TikTok stehe ein Konzern, "der staatlich gehalten wird und wo die Daten natürlich auch abfließen können". Ein explizit festgeschriebenes Verbot der App halte sie aber für "nicht verhältnismäßig".
Akuten Handlungsbedarf sieht die Ministerin aktuell offenbar nicht: Denn TikTok sei auf Diensthandys der Bundesverwaltung gar nicht explizit erlaubt. Oder anders ausgedrückt: Die Bundesregierung müsse sich bei dem heiklen Thema aktuell gar nicht festlegen. Demnach handele es sich eher um eine potenzielle Gefahr.
Doch die Lage scheint etwas komplizierter: Tatsächlich haben bislang zwei Ministerien eine mögliche Nutzung von TikTok auf Diensthandys durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) prüfen lassen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage des innenpolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), hervor, die WDR und NDR vorliegt. Demnach hält das Verkehrs- und Digitalministerium einen Einsatz für "theoretisch zulässig" - allerdings stehe die App auf den Dienstgeräten des Ministeriums nicht zum Herunterladen zur Verfügung.
Genutzt werden kann die App aber offenbar im Bildungsministerium: Der Prüfbericht habe "keinen Anlass" gegeben, um die App auf eine hausinterne sogenannte "Blacklist" zu setzen, heißt es in der Antwort. "Eine Installation der App im öffentlichen Bereich der dienstlichen Geräte ist daher möglich." Das Bundesinnenministerium wiederum hat mit Blick auf die eigenen hohen Sicherheitsanforderungen auch ohne BSI-Prüfung entschieden, dass TikTok auf Diensthandys im Haus nicht genutzt werden könne.
Kritik am Kurs der Regierung
Throm kritisiert den unklaren Kurs in der Regierung und fordert "schleunigst Klarheit". Während das Innenministerium die Nutzung ausschließe, könnten die Beamten im Verkehrs- und Bildungsministerium TikTok nutzen. "Entweder ist die App sicher, oder sie ist unsicher", so Throm. "Wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit von chinesischen Apps bestehen, haben sie in keinem Ministerium etwas verloren."
In Deutschland gibt es bislang keine allgemeine Richtlinie zur Nutzung von TikTok auf Dienstgeräten der Bundesverwaltung. Das heißt: Bundesbehörden entscheiden im Grunde in eigener Verantwortung, welche Apps sie auf Dienstgeräten in ihrem Zuständigkeitsbereich zulassen. Über ein Portal beim BSI können die Ministerien Apps überprüfen lassen.
TikTok sendet viele Informationen
Was genau bei der Nutzung der App passiert, erklärt Hannes Federrath von der Universität Hamburg: "Jedes Mal, wenn ich wische, um mir einen neuen Inhalt aufzurufen, entsteht ein neuer Zugriff aufs Internet, auf die Server von TikTok." Dabei würden viele Informationen übertragen - wie lange ein Video angeschaut werde, wo und wofür man sich interessiere. Das Unternehmen erfährt also ziemlich viel über seine Nutzer.
Grundsatzdiskussion zu chinesischer Technologie
Die aktuelle Verbotsdiskussion erinnert an die langwierigen Debatten über chinesische Technologie, etwa des Konzerns Huawei, in Kommunikationsnetzen. Mehrere westliche Partner, allen voran die USA, hatten früh gefordert, auf Komponenten aus China etwa beim Ausbau des 5G-Netzes zu verzichten. Die Bundesregierung allerdings sah zunächst kein konkretes Risiko - und vermied bis zuletzt eine Festlegung.
Erst vor kurzem ist man zu dem Schluss gekommen, dass die Nutzung bei dieser wichtigen Infrastruktur eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeute - da die Abhängigkeit von der Autokratie zu groß werden würde. Nun sollen chinesische Komponenten auch aus deutschen Netzen verschwinden, eine entsprechende Untersagung durch das Bundesinnenministerium soll in den kommenden Monaten angeblich erfolgen.
Ein Verbot der Nutzung von TikTok auf Diensthandys jetzt wäre ein deutliches politisches Signal im geopolitischen Ringen mit der mächtigen Autokratie: Eine spaßige Video-App würde damit als Gefahr oder Propagandainstrument Pekings gebrandmarkt.
Chinesische Unternehmen zu Kooperation verpflichtet
In deutschen Sicherheitsbehörden erhofft man sich künftig auch bei TikTok einen strengeren Umgang. Die Firma sei eindeutig ein chinesisches Unternehmen, heißt es aus Sicherheitskreisen - und damit ein Instrument, mit dem weltweit Daten in großem Stil gesammelt werden können und das bei einer internationalen Krise genutzt werden könnte.
Demnach liegt die Kontrolle über TikTok und den Mutterkonzern Bytedance in chinesischen Händen. Die dortigen Gesetze wiederum würden chinesische Unternehmen zur Kooperation mit der Autokratie und ihren Geheimdiensten verpflichten. Der Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Sinan Selen, machte am Rande einer Sicherheitstagung in Berlin auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa ebenfalls auf Sicherheitsrisiken aufmerksam.
Mutterkonzern nutzte bereits Daten
Vor ein paar Monaten musste der chinesische Mutterkonzern zugeben, auf Nutzerdaten von US-amerikanischen Journalisten zugegriffen zu haben, die kritisch über das Unternehmen berichtet hatten - offenbar, um herauszufinden, ob und welche Mitarbeiter Informationen durchgestochen hatten. Die betroffene Journalistin Emily Baker-White sagt dazu: "Sie haben Daten aus meiner TikTok-App benutzt, um herauszufinden, wo ich bin und ob ich mich mit Mitarbeitern von TikTok treffe."
Warnungen aus mehreren Ländern
Neben den USA haben weitere Länder wiederholt auf Sicherheitsrisiken hingewiesen - dazu zählen insbesondere die Staaten der westlichen Geheimdienst-Allianz Five Eyes, bestehend aus den USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland. Es heißt, der chinesische Staat könne auf Nutzerdaten zugreifen. Zudem würden auf der App Videos mit Themen unterdrückt, die dem chinesischen Staat ein Dorn im Auge sind.
TikTok wiederum weist auf Nachfrage darauf hin, dass man sich nicht als chinesisches Unternehmen betrachte, immerhin befinde sich der Firmensitz auf den Cayman-Islands.
Datenschutzbeauftragter prüft noch
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber hat bislang keine klare Haltung zu der App aus China. Bereits 2021 hatte er in einem Schreiben erklärt, dass Apps wie TikTok unter die Lupe genommen werden. Die technische Prüfung ist aber bislang nicht abgeschlossen. Wobei schon damals feststand, dass datenschutzrechtliche Defizite bestehen würden. Solche Bedenken aber treffen auf viele soziale Netzwerke zu, allerdings haben die meisten davon keine solch enge Verbindung zu einer Autokratie.