Ampelkoalition und Klimaschutz Neue Kriterien für ökologischen Hausbau?
Möglichst viel neuer Wohnraum einerseits, maximaler Klimaschutz andererseits - passt das zusammen? Bauministerin Geywitz stellt die hohen Standards bei der Energieeffizienz inzwischen infrage.
Was ist ein umweltfreundliches Haus? Jahrelang haben Experten und Politiker auf diese Frage schnell geantwortet: Ein Haus ist umweltfreundlich, wenn es im Betrieb möglichst wenig Energie verbraucht. Zum Beispiel, weil die Wände und Fenster gut isoliert sind, wodurch kaum Wärme nach außen verloren geht.
Die Bundesregierung verfolgt bisher auch diesen Weg: Sie fördert Neubauten, die besonders gut gedämmt und dadurch energieeffizient sind.
Doch die Bundesbauministerin zweifelt inzwischen an dieser Strategie. Man habe nicht beachtet, dass bei der Herstellung der Dämmmaterialien CO2 verbraucht wird, sagte Klara Geywitz Ende Februar im SWR.
Geywitz stellt Förderpolitik der Regierung infrage
Dämmstoffe bestehen oft aus Styropor. Ein Stoff, der aus Erdöl gewonnen wird, also alles andere als umweltfreundlich ist. Gespräche mit den Herstellern, über weniger klimaschädliche Materialien nachzudenken, sind bisher offenbar nicht erfolgreich verlaufen. So sagte die Ministerin Mitte Mai auf dem Tag der Immobilienwirtschaft in Berlin: "Es gibt ja viele Verbände, mit denen ich extrem gut zusammenarbeite. Der Verband der Dämmstoffindustrie gehört eindeutig nicht dazu."
Bei Dämmstoffen kommt zum Umweltaspekt noch der hohe Preis. Geywitz' Befürchtung: Wenn die Bundesregierung zu strenge Vorschriften bei der Dämmung macht, werden Investoren möglicherweise abgeschreckt und bauen weniger, weil sie sich die teuren Materialen schlicht nicht mehr leisten können. Sie treiben die aktuell ohnehin hohen Baukosten noch weiter in die Höhe. Geywitz geht so weit, dass sie die Förderpolitik der Bundesregierung infrage stellt.
Ab 2025 gibt es neue Standards im Neubau
Damit rennt sie beim Koalitionspartner FDP offene Türen ein. Daniel Föst setzt sich schon lange für wenige strenge Vorschriften bei der Häuserdämmung ein. Der baupolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion bezeichnet die Signale aus dem Bauministerium als einen Paradigmenwechsel. "Übertriebene Energieeffizienzstandards sind sehr teuer und helfen dem Klima zu wenig, weil sie zu wenig CO2 sparen", sagt Föst im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio.
Konkret geht es um die Konzepte EH40 und EH55, die laut Bundesregierung ab 2025 die neuen Standards im Neubau werden sollen. Damit sind Häuser gemeint, die nur 40 beziehungsweise 55 Prozent der Energie eines Referenzhauses verbrauchen. Die genauen Kriterien sind im Gebäudeenergiegesetz festgelegt. "Ich mache ein sehr dickes Fragezeichen, ob wir uns in dieser Situation eine weitere Erhöhung der Standards im Neubau leisten sollten", stellt Geywitz klar. "Aus meiner Sicht nicht."
Sollte der Begriff "Neubau" neu gedacht werden?
Die SPD-Ministerin will neu bewerten, was ein umweltfreundliches Haus heutzutage ausmacht. Ihr geht es um den kompletten ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes - Bau und Betrieb - quasi sein ganzes Leben. Geywitz schlägt vor, mehr Baustoffe zu recyclen und grundsätzlich stärker auf Naturmaterialien zu setzen, zum Beispiel auf Holz.
Da stimmt Daniel Föst von der FDP zu: Er sieht etliche Vorteile in der Holzbauweise, die sich über Jahrhunderte bewährt habe. Aus seiner Sicht sollte der Begriff "Neubau" anders gedacht werden, um etwas für den Klimaschutz zu tun. "Neubau bedeutet, den Bestand zu ertüchtigen", sagt Föst.
Er schlägt etwa vor, auf bestehende Gebäude ein Stockwerk in Holzständerbauweise zu setzen, wo so etwas technisch möglich ist. "Dann habe ich keine neue Versiegelung, dafür nachhaltige Baumaterialien. Das ist Neubau, der funktioniert", stellt der FDP-Politiker klar. Die Effizienzhausstandards dagegen zementieren nach Fösts Worten das Bauen von früher.
Nachfrage nach günstigen KfW-Krediten momentan hoch
Allerdings scheint die Bundesregierung zunächst bei dem Weg zu bleiben, den sie eingeschlagen hat. Ende vergangener Woche erst hat sie ihr Förderprogramm für Häuser mit besonders guter Isolierung um gut 400 Millionen Euro aufgestockt. Bauherren können günstige Kredite über die staatliche KfW-Bank in Höhe von 150.000 Euro beantragen.
Also doch ein "Weiter so" der Regierung anstatt einer Reform der Kriterien für den Neubau? Ein weiteres staatliches Sponsoring von umweltschädlichen Dämmstoffen? Laut Bauministerium ist die Nachfrage nach den günstigen KfW-Krediten im Moment hoch - und man möchte wohl nicht so dastehen wie Anfang vergangenen Jahres, als nach dem Auslaufen eines ähnlichen Förderprogramms die Empörung bei Bauherren riesig war.
Mit Blick auf die vielen tausend fehlenden Wohnungen in Deutschland, will die Ampelkoaltion keinesfalls bremsen, dass überhaupt neuer Wohnraum entsteht und dass Investoren aktiv werden wollen.