Einsatz in Lützerath Polizei mit Räumung bisher zufrieden
Die Räumung des Dorfes Lützerath läuft laut Polizei nach Plan. Die Proteste seien "ganz überwiegend friedlich", zu Beginn des Einsatzes gab es aber auch Auseinandersetzungen. Minister Habeck und die Bundesregierung verteidigten die Räumung.
Mit dem Verlauf der Räumung in Lützerath ist die Polizei bisher "sehr zufrieden". Am frühen Nachmittag sagte ein Sprecher: "Für die Polizei läuft bislang alles nach Plan. Nach einem sicherlich durchmischten Beginn heute Morgen, wo wir ja auch teilweise Steinewürfe und Molotowcocktail-Bewürfe gesehen haben, würde ich sagen: Die Lage hat sich deutlich beruhigt." Zu verletzten Polizisten lägen ihm bisher keine Informationen vor, so der Sprecher. Auch zu möglichen Festnahmen könne er noch nichts sagen.
Am Morgen hatte die Polizei damit begonnen, das von Klimaaktivisten besetzte Braunkohle-Dorf Lützerath zu räumen. Es sei vollständig umstellt, niemand komme mehr unbefugt hinein oder hinaus, hieß es. Der Energiekonzern RWE, der die Kohle unter dem Ort abbaggern will, begann bereits mit dem Aufstellen eines anderthalb Kilometer langen Zauns um den Ort. Später will RWE die Häuser und Straßen des Dorfes abreißen.
Polizei: "Ganz überwiegend friedlicher Protest"
Zu Beginn der Räumung hatte die Polizei den Besetzern noch eine Möglichkeit gelassen, den Ort ohne Strafanzeige zu verlassen. Laut Polizei nutzten dies viele von ihnen: "Wir begrüßen vor allen Dingen auch ausdrücklich, dass sich doch eine Vielzahl von Aktivisten dazu entschlossen haben, den Bereich hier friedlich und ohne Gegenwehr zu verlassen", erklärte der Polizeisprecher weiter.
Doch einige Aktivisten blieben hartnäckig. "Die Menschen sind fest entschlossen dazubleiben, auszuharren, die Bäume und die Gebäude zu schützen", sagte Mara Sauer, eine Sprecherin der Initiative "Lützerath lebt". Manche Aktivisten waren am Morgen auf hohe Monopods und Tripods geklettert - das sind zusammengebundene Stämme mit Plattformen. Sie waren in den vergangenen Tagen errichtet worden, um es der Polizei möglichst schwer zu machen, an die Aktivisten heranzukommen.
Gegen Mittag begannen die Beamten, Besetzer mit Hebebühnen von den Gestellen zu holen. "Wir haben hier ganz überwiegend friedlichen Protest erlebt, in Sitzblockaden, auf Tripods - und das sind Protestformen, mit denen wir super parat kommen", sagte der Polizeisprecher. Auch mit teils einbetonierten Barrikaden wird weiterhin versucht, den Einsatz zu behindern. Polizisten begannen, diese mit den notwendigen Geräten zu entfernen. Auch von den Aktivisten gebaute Holzhütten wurden von den Polizisten erst geräumt und dann zerstört. Vereinzelte Aktivisten begleiten die Szenen mit Gitarren- und Klaviermusik.
Erste Gebäude geräumt
Seit dem Mittag räumen Beamte auch erste Gebäude. Wie WDR-Reporter berichten, brachten die Beamten Aktivisten aus einer ehemaligen landwirtschaftlichen Halle. Darin soll sich die Gemeinschaftsküche der Aktivisten befunden haben. In die besetzten Häuser selbst seien die Polizisten aber noch nicht vorgedrungen. Dort wird mit weiteren Barrikaden und Vorrichtungen gerechnet, die die Räumung erschweren und verzögern sollen.
Steine und Pyrotechnik geworfen
Am Morgen war es zu Beginn des Einsatzes auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen: Protestierer warfen Steine und Pyrotechnik sowie vereinzelt auch Molotowcocktails in Richtung der Einsatzkräfte. Etwa 300 bis 400 Aktivisten sollten sich nach Schätzung der Polizei im Ort befinden - zehn bis 15 Prozent davon seien möglicherweise gewaltbereit, wie eine WDR-Reporterin vor Ort berichtete.
Außerdem hatten sich laut Polizei zu diesem Zeitpunkt auch Kleinkinder in Lützerath befunden. "Aufgrund weitreichender Gefahren im Einsatzraum, appelliert die Polizei Aachen an die Erziehungsberechtigten, den Bereich umgehend mit ihren Kindern zu verlassen", schrieb sie auf Twitter.
Thunberg zu weiteren Protesten erwartet
Auch wenn die Räumung des Ortes voranschreitet, rechnet die Polizei mit einem langen Einsatz - bis hin zu mehreren Wochen. Für Samstag ist eine Demonstration angekündigt, zu der auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg erwartet wird. Auch in anderen deutschen Städten sind in diesen Tagen Proteste gegen die Räumung Lützeraths angekündigt, etwa in München und Hamburg.
Habeck verteidigt Lützerath-Räumung
Wirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte die Räumung des Dorfes: "Die leergezogene Siedlung Lützerath, wo keiner mehr wohnt, ist aus meiner Sicht das falsche Symbol", sagte der Grünen-Politiker, dessen Partei wegen des Einsatzes besonders in der Kritik steht. Andere Ortschaften, die noch bewohnt sind, würden dafür nicht mehr abgebaggert. Bislang habe es nur Rangeleien zwischen Polizei und Demonstranten gegeben, ergänzte Habeck. "Lasst es dabei - von beiden Seiten."
Regierungssprecher Steffen Hebestreit kritisierte für die Bundesregierung, dass es bei der Räumung zu Gewalt gekommen ist: "Es gab heute Widerstand und auch Ausschreitungen bei der noch laufenden Räumung des Dorfes. Diese Gewalt verurteilt die Bundesregierung ausdrücklich", sagte er. Es gebe zu Lützerath eine "eindeutige Rechtslage. Und die gilt es zu akzeptieren."
Auch NRW-Innenminister Herbert Reul kritisierte Angriffe auf Polizisten scharf: "Ich bin eigentlich nur fassungslos und verstehe es nicht, wie Menschen so was machen können", sagte er. Die friedlichen Aktivisten sollten nun woanders protestieren: "Man kann woanders demonstrieren, man muss denen jetzt nicht noch behilflich sein dadurch, dass man da steht und die Polizei bei der Arbeit stört."
Journalisten sollen behindert worden sein
Die Journalisten-Gewerkschaft dju kritisierte, dass die freie Berichterstattung von Reportern durch Polizei und RWE-Sicherheitskräfte eingeschränkt worden sei. Nach den ersten vier Stunden der Räumung ziehe die Gewerkschaft "eine erste negative Zwischenbilanz der Pressefreiheit", twitterte Jörg Reichel, Geschäftsführer der dju Berlin-Brandenburg. Er unterstütze vor Ort die Arbeit der Medienvertreterinnen und beobachte die Situation. Journalisten sei der Zugang in den Einsatzbereich verweigert worden, außerdem sollen Polizisten von einem Fotografen verlangt haben, Bilder zu löschen.
BUND und Prominente fordern Räumungsstopp
Die Naturschutzorganisation BUND forderte, die Räumung und den Polizeieinsatz abzubrechen. "Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen und ihre grüne Wirtschaftsministerin Mona Neubaur müssen endlich einsehen, dass sie sich politisch verrannt haben", sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Die Proteste zeigten, dass ein "weiter so beim Braunkohletagebau vor allem von jungen Menschen nicht mehr akzeptiert wird". Der Geschäftsführer des BUND in NRW, Dirk Jansen, erklärte, die "Kohle unter Lützerath wird zur Bewältigung der aktuellen Energiekrise nicht benötigt." Es sei daher eine politische Entscheidung, ob die Räumung noch gestoppt werde.
In einem offenen Brief forderten zudem mehr als 200 Prominente, die Räumung zu stoppen. Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern gehören demnach die Schauspielerinnen Katja Riemann, Thelma Buabeng, Pheline Roggan, die Schauspieler Peter Lohmeyer und Robert Stadlober sowie die Bands Sportfreunde Stiller, Deichkind und Revolverheld, der Pianist Igor Levit und die Influencerin Louisa Dellert. In dem Brief heißt es, das Abbaggern der Kohle in Lützerath sei "nicht nur eine Frage der Existenz eines Dorfs, sondern eine Causa, die von globaler und klimapolitisch richtungsweisender Bedeutung ist", berichtete der "Spiegel".
Gericht bestätigt erneut Aufenthaltsverbot
Zuvor hatte das Verwaltungsgericht Aachen in zwei Eilverfahren die Rechtmäßigkeit der Verfügung bestätigt, die der Räumung des Weilers für den Braunkohleabbau dienen soll. Damit sind die Klimaschützer erneut mit Eilanträgen gegen das Aufenthalts- und Betretensverbots vor Gericht gescheitert. (AZ.: 6 L 16/23 und 6 L 17/23).
Die Klimaaktivisten in Lützerath leben seit Monaten in den leerstehenden Häusern. Das Dorf ist ein Ortsteil der 43.000-Einwohner-Stadt Erkelenz im Westen von Nordrhein-Westfalen. Der inmitten von Feldern gelegene Weiler befindet sich inzwischen unmittelbar an der Kante des Braunkohletagebaus Garzweiler. Die darunter liegende Kohle soll zur Stromgewinnung gefördert werden.