Merkels erste Bilanz "Ich bin angetreten, um es zu schaffen"
Bundeskanzlerin Angela Merkel zieht nach drei Monaten im Amt eine positive Bilanz: Man habe in dieser Zeitspanne schon Einiges in Angriff genommen, sagte sie im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Der großen Koalition müsse es allerdings gelingen, den Menschen wieder ein Stück Sicherheit zu geben.
Die Fragen stellten Birgit Wentzien und Hans-Jürgen Maurus, ARD-Hauptstadtstudio (SWR-Hörfunk)
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung sinngemäß gesagt: Wer wie ich vor dem Rentenalter nicht mehr damit gerechnet hat, die Freiheit zu erlangen, den kann nicht so viel und nicht so schnell etwas überraschen. Nimmt man das Datum der Vereidigung, sind Sie bald 100 Tage auf Posten. Hat sie etwas überrascht in diesen 100 Tagen?
Angela Merkel: Auf Posten ist eine lustige Beschreibung der Amtsausübung. Ich bin sehr stark gefordert, mir macht die Arbeit aber Spaß. Wir hatten auch durchaus schon etliche nicht ganz einfache Entscheidungen zu treffen. Aber über eine gleichrangige Überraschung, wie ich sie mit dem Fall der Mauer verbunden habe, kann ich nicht berichten.
Ich will Deutschland dienen – das sagten Sie auch. Wo ist die Reformerin Angela Merkel geblieben? Wo bleibt der Reformmut?
Merkel: Dafür, dass 100 Tage noch nicht rum sind, haben wir schon einige Dinge in Angriff genommen. Themen, die vor dem zu Stande kommen der großen Koalition zu erheblich größeren Diskussionen geführt hätten. Vielleicht täuscht auch die Tatsache, dass sich manches lautloser vollzieht, mit weniger Streit. Etwa die Tatsache, dass wir die Eckpfeiler für die Rente mit 67 eingeschlagen haben. Wir haben frühzeitig - nämlich schon heute - gesagt, was ab dem Jahr 2012 bis 2029 passieren wird. Das ist eine ehrliche Politik und eine wirkliche Reform.
Um unsere Haushaltslage in den Griff zu bekommen, haben wir die Eigenheimzulage abgeschafft. Ein wichtiger Schritt. Wir haben bei der Föderalismusreform eine politische Einigung erzielt. Insofern kann ich nicht finden, dass wir in irgendeiner Weise säumig sind. Man kann nicht die Arbeit von vier Jahren in hundert Tagen schaffen.
"Nur moderieren reicht nicht"
Die große Koalition ist eine Konstellation, die nicht unbedingt großen Gestaltungsspielraum für eine Kanzlerin bietet. Müssen Sie mitunter mehr moderieren zwischen den Regierungspartnern, als entscheiden und gestalten?
Merkel: Nur moderierend können sie nicht Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland sein. Wir haben uns in der großen Koalition bei einem Thema geeinigt, das im Europäischen Parlament mit viel Angst besetzt war, nämlich bei der Dienstleistungsrichtlinie. Wenn man da einfach immer nur wartet, reicht das nicht aus. Da müssen sie auch kreative Vorschläge machen.
Der Unterschied zu der Großen Koalition vor Jahrzehnten ist, dass wir jetzt in einer Zeit leben, in der Wachstum nichts Naturgegebenes ist. In der wir an vielen Stellen Einschnitte und Veränderungen fordern. Ich glaube, dass ein riesiger Gestaltungsauftrag für diese große Koalition darin liegt, dass die großen Volksparteien bei den sozialen Sicherungssystemen ein gemeinsames Reformkonzept auf den Tisch legen. Und das wir es so schaffen, den Menschen wieder ein Stück Sicherheit zu geben.
Bekommen Sie in dieser Parteieinkonstellation auch Dinge durch, was Sie in purer Konstellation nicht durchbekommen hätten – sozusagen wegen der größeren Pflicht zur Disziplin?
Merkel: Das kann mal so und mal so sein. Sie müssen natürlich als Vorsitzende einer Volkspartei sowieso schon immer die Flügel der Partei zusammen bringen. Und natürlich ist der Sozialflügel in der CDU jetzt manchmal froh, weil er Ähnlichkeit mit der SPD spürt. Natürlich ist der Wirtschaftsflügel manchmal enttäuscht. Es ist wichtig, dass wir in der großen Koalition fair miteinander umgehen, das ist bisher auch gelungen. Wir müssen uns auch etwas zumuten. Als CDU alleine würden wir eine andere Energiepolitik betreiben. Wir würden sicher auch im Arbeitsrecht mehr Veränderungen vornehmen.
"Wir gehen vernünftig miteinander um"
Was das Koalitionsklima angeht, kritisiert der rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsident Kurt Beck, es könnte noch fairer zugehen. Er klagt Fairness ein.
Merkel: Er ist ja nicht dabei. Ich könnte ihm berichten, dass es durchaus vernünftig zugeht. Vor allem, wenn man sich erinnert, welche Schlachten wir öffentlich gegeneinander geführt haben. Ich bin sehr zufrieden.
Hundert Tage liegen hinter Ihnen und drei wichtige Landtagswahlen am 26. März vor Ihnen. Wenn in Rheinland-Pfalz Kurt Beck Ministerpräsident bliebe, würde Sie das vermutlich gar nicht stören – dann bliebe in Berlin alles schön ruhig?
Merkel: Ich bin CDU-Vorsitzende und in dieser Funktion kämpfe ich in vielen Auftritten dafür, dass Christoph Böhr Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz wird. Ich glaube, die CDU hat eine gute Chance. Dieses Land hat im Vergleich nicht die meisten Probleme. Aber: Rheinland-Pfalz hat Superpotenziale. Diese auszureizen traue ich der CDU eher zu als der SPD.
Lesen Sie hier den II. Teil des Interviews mit Angela Merkel
(Interview gekürzt)