NS-Vergangenheit Nahtlose Übergänge beim Auswärtigen Amt
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 arbeitete das Auswärtige Amt weiter, als sei nichts Besonderes geschehen. Die meisten Diplomaten entschieden sich im Amt zu bleiben. Viele traten der NSDAP bei - aus Karrieregründen, lautete in vielen Fällen die Begründung, was so viel bedeuten sollte wie: nicht aus Überzeugung. Es gab nur einen prominenten Rücktritt: Der deutsche Botschafter in den USA, Friedrich von Prittwitz und Gaffron, gab 1933 sein Amt auf.
Von Nea Matzen, tagesschau.de
1938 übernahm Joachim von Ribbentrop das Amt des Außenministers. Das Porträt seines Protokollchefs und Duzfreundes, Alexander Freiherr von Dörnberg, war ein Grund für den Unmut von Außenminister Joschka Fischer und damit den zurzeit schwelenden Skandal. Fischer fand es unangemessen, dass Dörnbergs Bildnis in der Galerie früherer Diplomaten im Auswärtigen Amt hängt.
Zudem änderte Fischer die offizielle Gedenkpraxis des Auswärtigen Amtes. Er verfügte, dass Diplomaten, die früher NSDAP-Mitglied waren, im Todesfall nicht mehr im internen AA-Blatt gewürdigt werden. Auslöser war ein Nachruf für einen ehemaligen Mitarbeiter, der NS-Oberstaatsanwalt in Prag war, dessen NS-Vergangenheit aber nicht erwähnt wurde. Seit März wird in der Todesmitteilung nur mehr die Laufbahn im Auswärtigen Amt aufgeführt. Auf ein "ehrendes Gedenken" wird verzichtet.
Beamte mit problematischer Vergangenheit
Das betrifft nicht wenige Diplomaten des AA. Denn nach der Neugründung des Auswärtigen Amtes 1951 wurden zahllose Diplomaten wieder eingestellt. Die gegenwärtige Diskussion ist deshalb "eine Folge der erheblichen NS-Verstrickung des AA-Führungspersonals nach Errichtung des AA bei Neugründung 1951", stellen Befürworter der neuen Gedenkpraxis fest: Von 25 Beamten im höheren Dienst in der Personalabteilung seien 19, von 17 in der Politischen Abteilung 13 und von 17 in der Rechtsabteilung elf NSDAP-Mitglieder gewesen.
Ihre berufliche Vergangenheit ist düster. Der US-amerikanische Historiker Christopher Browning stellt fest, dass das Amt „einen signifikanten Beitrag zur letzten Phase der Judenpolitik, nämlich der Endlösung, geleistet“.
„Kein Einspruch“ des Auswärtigen Amtes
Ribbentrop setzte als mächtigen Unterstaatssekretär Martin Luther ein. Auf der Wannseekonferenz, bei der die "Endlösung der europäischen Judenfrage" koordiniert wurde, stellte Luther eine Expertise seines Hauses vor: In nordeuropäischen Ländern könne es dabei Probleme geben. "Dafür sieht das Auswärtige Amt für den Südosten und Westen Europas keine großen Schwierigkeiten." Das Ministerium hält das historische Dokument am liebsten unter Verschluss.
Im März 1942 organisierte die Gestapo die Deportation der ersten 6000 französischen Juden nach Auschwitz. Adolf Eichmann, Referent im „Referat Juden“ des Sicherheitsdienstes, wandte sich deshalb an das Auswärtige Amt. Das Antwortschreiben wurde bis hinauf zum Staatssekretär Ernst von Weizsäcker, dem Vater des späteren Bundespräsidenten, weitergeleitet. Weizsäcker, der Regimekritiker war, versah das Schreiben mit dem Vermerk: "Kein Einspruch". In Nürnberg wurde er wegen seiner Billigung der Judendeportation zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, aber 1950 begnadigt.
Untersuchungsausschuss ohne Folgen
Die NSDAP-Mitglieder fanden im 1951 neu gegründeten Auswärtigen Amt eine neue alte Heimat. Das blieb nicht unbemerkt. Im Herbst 1951 wurde auf Antrag der SPD-Opposition ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Doch die damals aufkeimende Sensibilität für den großen Einfluss der einst bekennenden Nazi versickerte ohne erkennbare Folgen.