Brandenburg Heute vor fünf Jahren kündigt Elon Musk eine Fabrik "im Raum Berlin" an
Vor fünf Jahren kündigt der US-Elektroautobauer Tesla an, dass er ein großes Werk in Brandenburg plant. Die Fabrik wird in Rekordgeschwindigkeit errichtet. Eine Chronologie.
"Ich habe tatsächlich eine Ankündigung, von der ich denke, dass sie hoffentlich gut ankommt: Wir haben beschlossen, die 'Tesla Gigafactory Europe' im Raum Berlin zu errichten." Diese Aussage von US-Elektroautobauer Elon Musk vom 12. November 2019 wird in Brandenburg in Erinnerung bleiben: Bei der Verleihung zum "Goldenen Lenkrad" kündigt der Tesla-Chef an, dass er eine "Gigafactory 4" in der Region errichten will - nach Werken in Nevada, New York und Shanghai.
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Die Aussage Musks schlägt national wie international Wellen, auch wenn zunächst nicht klar ist, was genau gemeint ist mit: "im Raum Berlin". Erst einen Tag später herrscht Klarheit über den Ort der Ansiedlung, als Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke mit Wirtschaftsminister Jörg Steinbach und dem damaligen Landrat von Oder-Spree, Rolf Lindemann (alle SPD) vor die Kamera treten.
Von Verhandlungen zur Task-Force
"Es ist heute ein sehr schöner Tag im Leben eines Ministerpräsidenten", sagt Woidke und dankt seinen Landesministern. Aber nicht nur: Auch der Landkreis Oder-Spree, die Gemeinde Grünheide oder die Wirtschaftsförderung hätten auf die Ansiedlung in Brandenburg hingearbeitet, erklärt der SPD-Politiker. Seit Monaten seien hinter verschlossenen Türen Verhandlungen dazu geführt worden, so Woidke damals.
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Eine Fläche in der Gemeinde Grünheide bekommt schließlich den Zuschlag für den Bau des neuen und bis heutig einzigen Tesla-Werks in Europa. Die brandenburgische Gemeinde kann mit Hauptstadt-Nähe, der guten Verkehrsanbindung und sogar mit Deutschland punkten, heißt es aus der Politik. Und die Bundesrepublik habe schon immer für tolle Autos gestanden, sagt Musk damals.
Doch gibt es auch eine Herausforderung: Tesla selbst setzt einen ambitionierten Fahrplan. Bis 2021 soll die Produktion anlaufen - sprich: innerhalb von zwei Jahren soll das Auto-Werk gebaut und auch produktionsfertig sein. Für das als bürokratisch geltende Deutschland eine Herausforderung. Brandenburg reagiert mit einer sogenannten Task-Force.
Die Erfindung der "Tesla-Geschwindigkeit"
Die Task-Force soll die unterschiedlichen Genehmigungsebenen an einen Tisch holen. Neben dem Land sind das vor allem der Landkreis, als untergeordnete Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde, sowie die Gemeinde selbst, die letztlich die Ansiedlung tragen und auch stemmen muss. Aber nicht nur: Auch "Projektpartner" wie die Wirtschaftsförderung, die Deutsche Bahn oder die Autobahn GmbH des Bundes werden regelmäßig zu der Runde eingeladen. Ziel ist es, die Ansiedlung auch in dem von Tesla vorgegebenen, ambitionierten Zeitplan zu ermöglichen. In "Tesla-Geschwindigkeit", wie es fortan heißt.
Innerhalb weniger Wochen werden Fakten geschaffen. Schon im Februar 2020 sollen die vorbereitenden Arbeiten - in diesem Fall die Rodung von 90 Hektar Wald - beginnen. Das Landesamt für Umwelt (LfU) hatte das genehmigt - obwohl noch keine Genehmigung für das Tesla-Werk zu diesem Zeitpunkt vorlag.
Geschwindigkeit überfordert
Schon früh in dem Ansiedlungsverfahren kommen auch kritische Worte auf. Insbesondere Umweltverbände, aber auch eine Tesla-kritische Bürgerinitiative in Grünheide beteiligen sich an dem Ansiedlungsprozess. Nur einen Tag nach dem Beginn der Rodungsarbeiten wird dadurch ein Stopp erzielt. Auch wenn es damals niemandem bewusst sein konnte: Es soll das Verfahren der kommenden Jahre prägen.
Der Umweltverband "Grüne Liga Brandenburg" hatte eine Beschwerde bei Gericht eingereicht. Der Vorwurf: Per Vorabgenehmigung dürfte Tesla in Grünheide loslegen, obwohl nicht einmal eine Genehmigung für die Ansiedlung vorlag und eine solche mehr als fraglich sei. Das LfU soll daher erklären, wieso die Behörde das erlaubt.
Inhaltlich geht es um eine Bestimmung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). "Zweck dieses Gesetzes ist es, Menschen, Wild- und Nutztiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre, das Klima sowie Kultur- und sonstige Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen", heißt es darin [www.bmwk.de]. Bei Großprojekten wie der Ansiedlung einer Auto-Fabrik muss das Gesetz beachtet werden und den dort oder anderswo formulierten Anforderungen, um überhaupt möglich zu werden. Es ist dieses Gesetz, was die Tesla-Ansiedlung erst möglich macht - und sie gleichzeitig über die nächsten Jahre immer wieder verzögern wird.
Tesla kann sich durchsetzen
Per Eilverfahren wehren sich Umweltverbände und Bürgerinitiativen regelmäßig gegen die Ansiedlung. Wirtschaftsminister Steinbach zeigt sich aber schon zu Beginn überzeugt, "dass unsere nachgelagerten Behörden einen guten Job gemacht haben und das Oberverwaltungsgericht selber zu dieser Erkenntnis kommen wird". Steinbach soll Recht behalten: Immer wieder prüfen die Gerichte und entscheiden zu Gunsten von Tesla und der Landesregierung.
Große Eröffnung nach 2,5 Jahren - trotz Stolpersteinen
Das Werk kommt - wegen wiederholter Anpassungen und Einwände nicht so schnell, wie von Musk erhofft, aber doch in Rekordgeschwindigkeit. Lediglich zweieinhalb Jahre nach dem Auftritt des Tesla-Chefs in Berlin ist die Produktion mit zunächst rund 3.000 Mitarbeitenden startklar, ein halbes Jahr später als zunächst geplant. Zur feierlichen Eröffnung im März 2022 kommt der Milliardär persönlich, um die ersten "Model Y Made in Germany" an 30 Kunden zu übergeben – Party und Politprominenz inklusive.
Unter den 500 geladenen Gästen befinden sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie die Spitzen der Brandenburger Politik. "Deutschland kann schnell sein", betonte Scholz mit Blick auf die Bauzeit. Das Werk sei ein Ansporn und ein Zeichen für den Fortschritt der Industrie am Standort Deutschland. Vor allem Ostdeutschland profitiere von der neuen Autofabrik in Grünheide. "Der Osten ist industriell vorne mit dabei", sagte der SPD-Politiker.
Zwischenfälle auf dem Weg
Derweil wird vor der Fabrik protestiert. Und auch danach bleibt die Kritik an der Ansiedlung laut. Immer wieder kommt es zu Zwischenfällen und Fehlern von Seiten Teslas. So muss etwa nach dem Brand eines nicht genehmigten Abfalllagers, dieses geräumt und zunächst eingestellt werden. Es ist nicht der einzige Vorfall in Jahren seit der Eröffnung, wie Werksleiter André Thierig in dieser Woche dem rbb gegenüber einräumt: "Es ist vielleicht in einem solchen Projekt in der Größe und Geschwindigkeit auch nicht alles ganz rund gelaufen", sagt er. "Da haben sicherlich alle intern und extern viel dazu gelernt."
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Doch auch weiterhin kommt es zu Problemen. Die IG Metall kritisiert etwa immer wieder den Umgang mit Mitarbeitern, hohe Arbeitsbelastung und -bedingungen. Für Aufsehen sorgt auch der Anschlag auf einen Strommast im März 2024, der für die Versorgung der Fabrik zuständig ist. Der Autobauer muss die Produktion für Tage einstellen. Bei Zehntausenden Bewohnern in der Region geht ebenfalls vorübergehend das Licht aus.
Widerstand wegen Wasser und Umwelt
Und auch das Thema Wasser bleibt in der öffentlichen Debatte. Zwar schafft es das Unternehmen seinen Verbrauch mit 500.000 Kubikmetern pro Jahr deutlich unter den genehmigten 1,8 Millionen Kubikmetern Wasser zu halten. Umweltaktivisten lassen sich damit aber kaum besänftigen. So errichten Tesla-Gegner im März 2024 ein Protest-Camp in einem angrenzenden Waldstück.
5 Jahre, 12.500 Mitarbeiter, 5.000 Autos die Woche
Zumindest aus wirtschaftlicher Sicht kann sich die Bilanz in Grünheide fünf Jahre nach der Ankündigung durchaus sehen lassen, sagt Werksleiter André Thierig. "Wichtig ist unterm Strich: hier ist eine der größten Industrieansiedlungen Europas in Ostbrandenburg geschehen und hat letztlich auch dazu beigetragen, dass Brandenburg als Flächenbundesland das größte Wirtschaftswachstum der letzten Jahre hatte. Darauf können wir gemeinsam stolz sein."
Denn mittlerweile beschäftigt Tesla circa 12.500 Mitarbeiter und produziert 5.000 E-Autos pro Woche - Tendenz steigend.
Zukünftig könnte Produktion verdoppelt werden
Trotz Rückgängen auf dem Absatzmarkt plant das US-Unternehmen einen Ausbau. Die Produktion soll zukünftig auf eine Million Fahrzeuge verdoppelt werden. Dies steht Werksleiter Thierig zufolge fest. Weitere Details wolle er mit Blick in die Zukunft aktuell nicht nennen. "Übers Wasser gehen kann ich auch nicht - was jetzt in den nächsten fünf Jahren hier genau passiert", erklärt er, betont aber: "Wir werden uns hier weiterentwickeln und viele Dinge verbessern."
Abzuwarten bleibt auch, welchen Einfluss die US-Wahl bis nach Brandenburg haben könnte. Dort hatte Elon Musk mit strittigen Positionen und Finanzhilfen Donald Trump unterstützt. Dieser sicherte dem Unternehmer wiederum eine Position in der kommenden Regierung zu. Zudem ist Musk zwar weiterhin Chef von Tesla, aber nicht mehr Inhaber. Aktuell hält er lediglich noch 13 Prozent der Firmenanteile.
Sendung: Antenne Brandenburg, 12.11.2024, 16:10 Uhr