Bremen 2 junge Bremerinnen erleben die USA im Auslandsjahr sehr verschieden
Die Präsidentschaftswahl in den USA rückt immer näher und das Rennen ums Weiße Haus ist enger denn je. Zwei junge Bremerinnen verfolgen das Geschehen genau.
Zwei Jahren hatten sich die "Besties" (beste Freundinnen) nicht gesehen. Aber der Kontakt war nie abgerissen zwischen Marietta Barth und Lilly Deore, obwohl in dieser Zeit immer ein ganzer Ozean zwischen ihnen lag. Die beiden 17-Jährigen waren für ein Auslandsjahr in den USA – allerdings nacheinander. Die eine – Marietta – war Austauschschülerin im tiefsten Süden, in Beaumont, Texas. Die andere – Lilly – war in einer Gastfamilie der amerikanischen Ostküste: In Princeton, im Bundesstaat New Jersey.
Bei uns in Texas war es so: Es gab da keinen öffentlichen Verkehr. Ich hab ein einziges Mal eine Frau auf einem Fahrrad gesehen. Alles war auf das Auto zugeschnitten, das war das einzige Fortbewegungsmittel.
(Marietta Barth, Austauschjahr in Texas)
Wir waren wirklich auf ganz unterschiedlichen Seiten des Landes. Princeton würde ich als sehr europäisch bezeichnen. Da waren viele mit Fahrrad unterwegs, und da gab es Restaurants überall, Cafés, es war sehr divers und die Stadt war sehr progressiv.
(Lilly Deore, Austauschjahr in New Jersey)
Die beiden haben derart unterschiedliche Erfahrungen in ihrem Auslandsjahr gesammelt, als ob sie in verschiedenen Ländern waren. Beispiel "Waffengesetze", ein sehr kontroverses Thema in der amerikanischen Politik. In der Gastfamilie in New Jersey war das kein Thema, berichtet Lilly.
Ganz anders in Texas – einem konservativen Bundesstaat, wo Waffen traditionell heilig sind. Auch an ihrer Gastschule war einmal während des Unterrichts jemand mit einer Waffe aufgetaucht, erinnert sich Marietta. "Da denkst du dir natürlich: 'Woha, was geht dann jetzt ab?' Die Polizei war immer anwesend an der Schule", erzählt sie.
"Und bei meiner Gastfamilie: Es war ganz normal, dass jeder zu Hause mindestens eine Waffe hatte. Ich habe mal den Hund gebadet und sollte den Föhn aus dem Schrank nehmen, mach den Schrank auf: Und auf einmal gucken mich zwei Waffen an! Es gab dort auch eine sehr große Jagdkultur. Jagen war etwas, das auch viele Schüler mitgemacht haben mit ihren Familien am Wochenende."
So weit waren die Austauschorte der Freundinnen entfernt
Externe Inhalte von Datawrapper
Politische Gesprächsthemen bleiben Tabu
Den Austauschschülerinnen im amerikanischen Süden wurde vor der Reise abgeraten, dort überhaupt über Politik zu reden. Um nicht in die Glaubenskriege um Waffen, Abtreibung oder Migration verwickelt zu werden und mit den eigenen, europäischen Sichtweisen anzuecken. Insofern blieben für Marietta in Texas einige Gesprächsthemen tabu. Tatsächlich entpuppten sich aber ihre Gastgeber nicht als typische Trump-Familie.
"Ich war in einem relativ kleinen Ort, dort waren auch viele sehr religiös eingestellt. Meine Gastmutter, die konservativ aufgewachsen war, hat sich aber gegen Trump gestellt. Sie hat Witze über ihn gemacht. Es wurde aber nur wenig über Politik in der Familie oder im Umfeld mit anderen gesprochen. Man will da wohl auch nicht drüber reden, weil du nicht in deiner Nachbarschaft als diese eine Person dastehen willst, die sich irgendwie gegen den Strom stellt und anders politisch wählt", erklärt Marietta.
Enttäuschende Debatte im Fernsehen
Bei Lilly spielte Politik auch im Familien-Alltag in den USA eine etwas größere Rolle: "Ich habe mit meiner Gastfamilie die Fernsehdebatte Biden-Trump verfolgt. Meine Familie war auf der demokratischen Seite."
Von der Debatte sei sie aber enttäuscht gewesen, weil es ganz viele Fragen gab, die angesprochen wurden – aber oft hätten weder Trump noch Biden darauf geantwortet. "Und dann haben sie plötzlich über, ja wirklich, Golf gestritten! Wer besser Golf spielt! Also das wirkte sehr kindisch. Und es war halt auch schade, wie verwirrt Biden zum Teil war. Das machte es schwer, seine Antworten wirklich ernst zu nehmen", führt Lilly weiter aus.
Seit dem Sommer sind beide wieder zurück in Bremen und begleiten den Wahlkampf jetzt von hier aus gespannt weiter. Über die sozialen Medien, oder im Kontakt mit den neuen Freunden in den USA.
In Lillys Fall kommt noch die eigene, deutsch-amerikanische Familie in Bremen dazu: Drei von vier Familienmitgliedern besitzen die doppelte Staatsbürgerschaft und dürfen deshalb wählen – die Wahlzettel sind längst unterwegs in die USA. Trotz der vielen unterschiedlichen Erfahrungen – eines hat sich für die Freundinnen nicht geändert: Amerika bleibt für beide ein Sehnsuchtsort.
Ich bin froh, dass ich das Jahr dort gemacht habe, weil ich sehr viel gelernt habe...
Put yourself out there! Also sich einfach hinzustellen und sagen: In einem anderen Land, wo ich jetzt alleine bin, ohne Eltern, dass alles machbar ist! Das hat mir Selbstvertrauen gegeben!
(Lilly)
Ich finde es beunruhigend, dass es so viele Menschen gibt, die reinfallen auf antidemokratische Tendenzen. Aber dahinter stehen immer noch Menschen, die auch gute Seiten haben, solche Menschen habe ich in Texas auch getroffen. Man muss in einen Dialog kommen. Dass man sagt: Hey, ich bin nicht Dein Feind! Ich bin ein Mitmensch! Ich bin ein Nachbar! Das würde ich mir wünschen.
(Marietta)
Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 2. November 2024, 19:30 Uhr