Hessen Technische Probleme: ESA sagt Raketenstart kurzfristig ab
Mit Spannung war am Mittwochabend bei der ESA in Darmstadt der Start eines Wächter-Satelliten zur Erdbeobachtung erwartet worden. Doch der Start musste wegen technischer Probleme abgesagt werden. Ein neuer Termin steht schon fest.
Wie die Ariane Group am Mittwochabend mitteilte, habe es Schwierigkeiten mit der Mechanik gegeben. Eigentlich sollte der Satellit Sentinel-1C um 22.20 Uhr unserer Zeit mit einer Vega-C-Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana abheben.
Doch der Montageturm ließ sich nicht wegschieben. Der Start war damit geplatzt - zumindest vorerst. Sowohl die Rakete als auch ihre Fracht, der Copernicus Sentinel-1C Satellit seien intakt, teilte das Unternehmen mit.
Schon am Donnerstagabend soll ein neuer Versuch gestartet werden. Dann soll der Satellit der ins All starten, um dann mehr als sieben Jahre lang wichtige Daten für die Erdbeobachtung zu liefern.
Nicht der erste Fehlversuch
Im Satellitenkontrollzentrum (ESOC) der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Darmstadt hatte man mit Spannung nach Südamerika geschaut. Denn die Trägerrakete Vega-C hat erst zwei Startversuche hinter sich, beide im Jahr 2022. Der erste verlief glatt. Beim zweiten gab es ein Problem mit dem Triebwerk, die Rakete musste gesprengt werden.
In Darmstadt sorgte dies auch am Mittwoch für erhöhte Anspannung. "Die Augen sind diesmal nicht nur auf dem Satelliten, sondern auch auf dem Launcher", erläuterte im Vorfeld Nicolaus Hanowski, Abteilungsleiter Missionsmanagement bei der Esa und Generalverantwortlicher für die Mission. Es sei kein "Routinestart", die Tests seien aber gut gelaufen.
Team hatte sich lange vorbereitet
Nun gilt es in Darmstadt, auf einen erfolgreichen neuen Startversuch zu hoffen. Sofern dieser klappt, sollen 45 bis 60 Minuten nach dem Start – sobald eine Bodenstation das Signal des Satelliten empfängt - die Experten in Darmstadt die Steuerung übernehmen, so der Plan.
Im ESOC bereitet man sich schon seit längerem auf den Start vor. Anhand von Simulationsprogrammen werden alle Eventualitäten, die nach einem erfolgreichen Abheben eintreten können, durchgespielt. Es gibt sogenannte Prozeduren – Reaktionspläne, die festlegen, was in welchem Fall zu tun ist.
"Wie bei einer Frühgeburt"
Die ersten zwei bis drei Tage - die "Launch and early orbit phase" (LEOP) - sind Hanowski zufolge besonders kritisch. Ein Team von 20 bis 30 Menschen sei dann rund um die Uhr im Einsatz.
"Das ist wie bei einer Frühgeburt auf der Intensivstation", erzählt er. "Da müssen auch ständig Blutdruck, Herzschlag und andere Werte gemessen werden." In gleicher Weise wird im ESOC laufend überprüft, ob alle Untersysteme wie Lageregelung und Thermalsystem einwandfrei funktionieren.
Ersatz für kaputten Vorgänger
Dass der rund zwei Tonnen schwere Satellit rasch ins All kommt, ist aus Sicht der Esa besonders wichtig. Der dritte Satellit der Sentinel-1-Mission ersetzt nämlich seinen Vorgänger Sentinel-1B, der seit 2022 wegen eines technischen Problems außer Betrieb ist und später einmal kontrolliert in der Erdatmosphäre zum Verglühen gebracht werden soll.
Der neue Trabant soll zusammen mit Sentinel-1A die Kontinuität in der Versorgung mit Daten gewährleisten. An Bord hat er hochentwickelte Radarmessgeräte, die aus knapp 700 Kilometern Höhe hochauflösende Bilder von der Erde machen können - Tag und Nacht und bei jedem Wetter.
Klima und Naturkatastrophen im Fokus
Diese Daten liefern wichtige Informationen etwa über Klimaveränderungen und das Eis der Polarregionen. Sie erfassen Bewegungen von Eisbergen und Landmassen, erkennen aber auch Ölverschmutzungen auf der Meeresoberfläche, Schiffsverkehr und Entwaldungsvorgänge.
Auch bei Naturkatastrophen kommen die Satelliten zum Einsatz. So konnten Sentinel-Satelliten bei den schweren Unwettern in der spanischen Provinz Valencia Ende Oktober aus dem All Bilder vom Ausmaß der Überflutungen liefern. Laut Esa sind solche wichtigen Informationen binnen 60 Minuten nach dem Eintritt eines Ereignisses verfügbar.
Umfangreiches Netz zur Erdbeobachtung
Der Name "Sentinel" bedeutet so viel wie "Wächter". Neben der Sentinel-1-Reihe sind auch Satelliten weiterer Sentinel-Missionen bereits im Erdorbit unterwegs. Sie alle dienen der Erdbeobachtung, nutzen aber unterschiedliche Technologien für unterschiedliche Aufgaben.
Sentinel-2 zum Beispiel beobachtet die Vegetation auf der Erde mithilfe von Multispektralsensoren. Die Infrarot- und Radarmessgeräte von Sentinel-3 erfassen Wasserqualität und Temperaturen der Meere, bei Sentinel-5P geht es um Spurengase in der Erdatmosphäre.
Die Daten fließen in das Erdbeobachtungsnetzwerk Copernicus der Europäischen Union (EU) ein. Mit seiner Hilfe sollen unter anderem die Veränderung des Klimas überwacht und Umweltschutz und Naturkatastrophenmanagement verbessert werden. Die Daten sind für Wissenschaft, Behörden und Öffentlichkeit frei verfügbar.
Europa will in Sachen Raumfahrt unabhängig sein
Die Vega-C ist die Nachfolgerin der in Italien produzierten Vega-Rakete, die erstmals 2012 abhob. Für das neue, knapp 35 Meter hohe Modell wurde die Startrampe in Kourou modifiziert. Nach dem Fehlversuch vor zwei Jahren bediente sich die Esa für ihre EarthCARE-Mission im Mai einer Falcon-9-Rakete des amerikanischen Unternehmens SpaceX.
Der Rückkehr der Vega-C in den operativen Betrieb sieht man bei der Esa daher mit hohen Erwartungen entgegen. Der Chef der Abteilung Raumtransport, Toni Tolker-Nielsen, spricht von einem wichtigen Schritt für Europa hin zu einem unabhängigen Zugang zum Weltall.
Und auch ein weiterer Sentinel-Start ist schon geplant. Im kommenden Jahr soll Sentinel-1D den mittlerweile zehn Jahre alten Sentinel-1A ersetzen. Im Herbst 2025 soll der neue Satellit einsatzbereit sein.