Niedersachsen Airbus A400M - vom "Pannenflieger" zum "Partner im Einsatz"
Der Airbus A400M transportiert Menschen, Güter und kann Flugzeuge in der Luft auftanken. Der Start war holprig. Doch inzwischen ist der Flieger seit zehn Jahren in Wunstorf im Einsatz - und etabliert.
Beim Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf sind sie diesmal etwas zu früh dran. Denn der erste Airbus Militärtransporter vom Typ A400M Atlas landete erst am 19. Dezember 2014 auf dem Fliegerhorst. Dennoch wurde dort am Dienstag das Jubiläum "10 Jahre A400M in Wunstorf" gefeiert - also gut zwei Wochen zu früh. Genau genommen aber war der A400M damals vier Jahre verspätet: Denn ursprünglich hatte Airbus die Auslieferung der ersten Maschinen bereits für 2010 versprochen.
Der "Pannenflieger" landet erstmals in Wunstorf
Im Luftraum über Sevilla, wo die Bauteile aus Stade, Varel, Bremen und vielen anderen europäischen Airbus-Werken zusammengesetzt werden, fand im Dezember 2009 nach jahrzehntelanger Planung und Vorarbeit der erste Flug eines A400M statt. Im Sommer 2012 landet dann ein Prototyp erstmals für eine Stippvisite auf dem Fliegerhorst in Wunstorf. Zahlreiche Planespotter stehen rund um das Militärgelände mit ihren Kameras und Teleobjektiven bereit und sind begeistert, als der nagelneue Flieger erstaunlich leise über ihre Köpfe hinwegfliegt. Doch in der Öffentlichkeit hat der angeblich modernste Militärflieger der Welt bereits seinen Ruf als "Pannenflieger" weg.
Zu teuer, fehlende Teile, Verspätung: Der erste Airbus A400M
Als die damalige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen an jenem 19. Dezember 2014 endlich den ersten für die Bundeswehr gebauten A400M in Empfang nimmt, ist ihr nicht unbedingt zum Feiern zumute. Mal abgesehen von der vierjährigen Verspätung und der Kostensteigerung von 125 Millionen auf rund 180 Millionen Euro pro Flieger fehlen nicht unerhebliche Teile der bestellten Fähigkeiten. Etwa der Selbstschutz, bei dem Täuschkörper anfliegende Raketen ablenken können. Das hat zur Folge, dass Flüge nach Afghanistan oder Mali bei einer verschärften Bedrohungslage nicht stattfinden können. Auch das Abwerfen von Material und Hilfsgütern aus der Luft ist zunächst nicht möglich. Hinzu kommen immer wieder technische Probleme des "Elektronikmonsters".
Zweifel an Einsatzbereitschaft Bundeswehr wegen Airbus
Im Mai 2015 stürzt eine für die türkische Luftwaffe vorgesehene Maschine bei ihrem ersten Testflug in Spanien ab. Vier Besatzungsmitglieder sterben, zwei weitere werden schwer verletzt. Ursache ist ein Fehler in der Motorensoftware. Daraufhin bleiben auch in Wunstorf die drei bis dahin ausgelieferten A400M vorübergehend am Boden. In den weiteren Jahren werden die Zweifel an der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr immer wieder auch mit den Problemen des Airbus begründet. Beim militärischen und zivilen Personal des Lufttransportgeschwaders 62 in Wunstorf allerdings überwiegt auch in dieser Zeit die Zuversicht. Manch einer erinnert sich daran, dass es auch in den 60er Jahren bei der Einführung der legendären "Transall", dem Vorgänger des A400M als Militärtransporter der Bundeswehr, viele Probleme gab.
Nach Startschwierigkeiten: Piloten begeistert von Flugeigenschaften
Aber wenn der neue Flieger erstmal in der Luft ist, sind insbesondere die Piloten begeistert von seinen Flugeigenschaften. Schneller, höher, weiter - dazu eine höhere Transportkapazität und deutlich weniger Fluglärm. Letzteres freut vor allem auch die Menschen, die in den Gemeinden rund um den Fliegerhorst leben. Die Soldatinnen und Soldaten empfinden die anhaltende öffentliche Kritik an dem A400M zunehmend als ungerecht. In der Truppe selbst wird der Flieger längst als verlässlicher "Partner im Einsatz" wahrgenommen. Bis zur ersten Zwischenbilanz am Ende des Jahres 2018 absolviert die Flotte von mittlerweile 25 Maschinen rund 5.000 Flugstunden. Die technische Zuverlässigkeit sei viel besser geworden, die Kinderkrankheiten überwunden, erfährt Verteidigungsministerin von der Leyen bei einem erneuten Besuch in Wunstorf.
Spektakuläre Evakuierungen aus Afghanistan
Auch seitdem haben die Maschinen und Besatzungen immer wieder ihre Leistungsfähigkeit bewiesen - nicht zuletzt im August 2021 bei der Evakuierung deutscher Staatsbürger und Ortskräfte aus Afghanistan. Immer wieder steuern die Piloten dort auch nachts eine unbeleuchtete und nicht in voller Länge zur Verfügung stehenden Landebahn am Flughafen Kabul an - im Steilanflug, um so kurz wie möglichst eine Angriffsfläche für feindliches Feuer zu bieten. Zur Not wäre aber auch das Selbstschutzsystem der Bundeswehrmaschinen zum Einsatz gekommen.
Hilfstransporte in die Türkei und Gaza
Soldatinnen und Soldaten aus Wunstorf sind außerdem bei zahlreichen Hilfstransporten in Krisengebiete involviert. Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei etwa starten im Februar 2023 drei A400M mit insgesamt 50 Tonnen Hilfsgütern des THW. Im April 2024 werden Hilfsgüter für Gaza aus der Luft abgeworfen - auch der sogenannte Airdrop klappt inzwischen ohne Probleme. Vom Pannenflieger spricht heute niemand mehr.
Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Niedersachsen 18.00 | 03.12.2024 | 18:00 Uhr