Eine lebensgroße Putin-Puppe wird während einer Protestveranstaltung vor der Firma ANF in Lingen präsentiert.

Niedersachsen Brennelemente für den Osten aus Lingen? Einwände werden diskutiert

Stand: 21.11.2024 07:46 Uhr

Der französische Konzern Framatome will in der Lingener Brennelementefabrik ANF Brennelemente russischer Bauart produzieren. Dagegen gibt es Tausende Einwendungen, erste Diskussionen verliefen laut Kritikern unbefriedigend.

Zum Start des Erörterungstermins am Mittwoch hat die Tochterfirma von Framatome in Lingen, Advanced Nuclear Fuels (ANF), erste Antworten vorgelegt. Laut Kritikerinnen und Kritikern sind diese ausweichend und unzureichend. "Besonders unbefriedigend ist, dass überhaupt nicht ausreichend im Detail geantwortet wird", sagte Bettina Ackermann von der Initiative "ausgestrahlt" dem NDR Niedersachsen. "Die Kooperation mit Rosatom steht im Vordergrund. Alternativen werden nicht in Betracht gezogen." Eine Kooperation von ANF mit einem amerikanischen Hersteller, der ebenfalls die sechseckigen Brennelemente produziert, die für Atomkraftwerke russischer Bauwerke benötigt werden, ist laut der Firma keine Option. Die alternativen Brennelemente würden nicht genau passen, lautete die Begründung des französischen Konzerns.

Diskussionen gehen Donnerstag weiter

Zudem gab ANF am Mittwoch keine Antwort auf die Frage, was passiert, wenn die Lizenzen zur Produktion für die Brennelemente von russischer Seite auslaufen oder nicht mehr verlängert werden. Ein solches Szenario sei "Teil des betriebswirtschaftlichen Risikos", hieß es vom Unternehmen. Am Mittwoch versammelten sich in Lingen laut Polizei etwa 150 Mitarbeitende von ANF und rund 50 Kritiker des Unternehmens. Die Stimmung war nach Informationen von NDR Niedersachsen angespannt. Am Donnerstag soll weiter diskutiert werden, vor allem darüber, welche Sicherheitsmaßnahmen für eine mögliche Kooperation mit Rosatom bestehen sollten.

Mitarbeiter von ANF demonstrieren mit Schildern in den Händen.

Mitarbeitende von ANF stehen bei einer Kundgebung Atomkraftgegnern gegenüber.

11.000 Einwendungen gegen Zusammenarbeit mit russischem Konzern

Die Kritiker befürchten Spionage und Sabotage im europäischen Energienetz. Um Brennelemente für russische Atomkraftwerke herstellen zu können, will Framatome mit dem russischen Staatskonzern Rosatom kooperieren. In einem Joint Venture will der französische Konzern Mitarbeiter und Bauteile des russischen Staatskonzerns Rosatom an den Standort seines Tochterunternehmens Advanced Nuclear Fuels (ANF) holen. Das bereitet Kritikern Sorge, weil der Konzern dem Kreml direkt unterstellt ist und sich auch aktiv am Krieg gegen die Ukraine beteiligt. Die niedersächsische Landesregierung hatte im Rahmen des Genehmigungsverfahrens die Unterlagen der Planungen in Lingen öffentlich auslegen lassen. Dagegen sind rund 11.000 Einwendungen eingegangen.

Umweltminister teilt Sicherheitsbedenken der Kritiker

Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) teilt die Sicherheitsbedenken der Kritikerinnen und Kritiker. Eine solche Kooperation sei unverständlich, sagte er gegenüber NDR Info am Mittwoch. "Geschäfte mit dem Kriegstreiber Putin sollten generell und gerade auch im sensiblen Atomsektor nicht gemacht werden", betonte Meyer. Es sei naiv zu glauben, Putin wolle der ANF über die enge Kooperation mit Rosatom lediglich helfen, osteuropäische Staaten unabhängig von Russland zu machen. "Wir stehen klar auf der Seite der Ukraine und sollten nichts tun, was Russlands Einfluss in Europas Energiesektor erhöht", so der Umweltminister.

Russische Beteiligung in Brennelementefabrik: Protest in Lingen

Ministerium entscheidet über Brennelementefabrik in Lingen

Bei dem bis Freitag angesetzten Erörterungstermin mit dem Umweltministerium sollen die Bedenken ausführlich diskutiert werden. Danach will das Ministerium entscheiden, ob die Pläne für die Lingener Fabrik genehmigt werden. Wann genau die Entscheidung fallen soll, ist unklar. Am Mittwoch nahmen laut Umweltministerium 280 Menschen an der Erörterung teil - 143 davon waren Menschen, die Einwendungen eingereicht hatten. Der Rest waren Zuschauerinnen und Zuschauer.

Fabrik in Lingen nach Atomausstieg nicht mehr ausgelastet?

Bisher werden in Lingen nur die viereckigen Brennelemente für Atomkraftwerke in Westeuropa produziert. Nachdem Deutschland im April vergangenen Jahres seine letzten Atomkraftwerke (AKW) vom Netz genommen hatte, sei die Produktion in Lingen nicht mehr ausgelastet, sagen Kritiker der Brennelementefabrik. Auch deshalb wolle der Betreiber Brennstäbe nach sowjetischer Bauart produzieren. Wie Fabrik-Geschäftsführer Andreas Hoff mitteilte, könnte eine zusätzliche Produktion von sechseckigen Brennelementen für osteuropäische Atomkraftwerke - wie sie zum Beispiel in der Ukraine oder in Finnland stehen - mehr Unabhängigkeit von russischer Produktion bedeuten.

Dieses Thema im Programm:
NDR Fernsehen | Hallo Niedersachsen | 20.11.2024 | 19:30 Uhr