Thüringen Nach Festnahme in Thüringer Zug: Mutmaßlicher linksextremer Gewalttäter im Gefängnis
Gegen den mutmaßlichen linksextremen Gewalttäter Johann G. hat nach seiner Festnahme in einem Thüringer Zug der Bundesgerichtshof eine Untersuchungshaft angeordnet. G. wird unter anderem die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Zuvor hatte die Thüringer Polizei in Jena ein Haus durchsucht, in dem eine Person wohnt, die mit G. in Verbindung gebracht wird.
Einen Tag nach seiner Festnahme in Thüringen sitzt der mutmaßliche linksextreme Gewalttäter Johann G. in Untersuchungshaft. Wie die Bundesanwaltschaft am Samstagabend mitteilte, setzte ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe den Haftbefehl gegen G. in Vollzug. Zuvor war er von Beamten der sächsischen Polizei im Auto nach Karlsruhe gebracht worden.
In Zug bei Weimar festgenommen
Der Beschuldigte, der seit Jahren per Haftbefehl gesucht wurde, war am Freitag bei Weimar von einem Mobilen Einsatzkommando der sächsischen Polizei in einem Regionalzug festgenommen worden, der auf der Fahrt von Erfurt nach Gera war. Zuvor sollen ihm Zielfahnder auf der Spur gewesen sein.
G. soll Kopf der sogenannten "Hammer-Bande" um die Linksextremistin Lina E. gewesen sein. Die Bundesanwaltschaft als oberste deutsche Anklagebehörde wirft dem 31-Jährigen Mitgliedschaft in einer linksextremistischen Vereinigung vor. Er soll Überfälle auf mutmaßliche Rechtsextreme in Eisenach sowie in Wurzen, Leipzig und in der ungarischen Hauptstadt Budapest durchgeführt haben. Es gab dabei zahlreiche Verletzte.
Bundesanwaltschaft wirft G. Überfälle in Eisenach, Dresden und Wurzen vor
Die Mitglieder der Gruppe haben laut einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft die Aktionen in der Regel intensiv vorbereitet und unter anderem vorab Lebensgewohnheiten der ausgewählten Opfer ausgespäht. Zu ihrer militanten linksextremistischen Ideologie habe gehört, dass sie den bestehenden demokratischen Rechtsstaat, das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung sowie das staatliche Gewaltmonopol ablehnten.
Zwei der Vorfälle hängen laut Bundesanwaltschaft mit einer Gaststätte in Eisenach zusammen, bei der es sich um einen mutmaßlichen Treffpunkt der rechten Szene handelte. Ein Opfer sollen die Beschuldigten bis zu seiner Wohnung verfolgt und angegriffen haben. Als sich drei Begleiter des Opfers in ein Auto flüchteten, habe die Gruppe den Wagen mit Schlagwerkzeugen beschädigt, durch zertrümmerte Scheiben Reizstoff ins Innere gesprüht und vielfach mit Fäusten auf die Geschädigten eingeschlagen. Auf der Flucht vor der Polizei sollen sie Plastiktüten auf die Fahrbahn geworfen haben, um die Fahrzeuge abzuschütteln. Nach einer Gedenkveranstaltung in Dresden zum 75. Jahrestag der Bombardierung der Stadt sollen Johann G. und Lina E. der Mitteilung zufolge mehrere Menschen während einer Zugfahrt von Dresden nach Wurzen im Landkreis Leipzig überwacht und mutmaßliche Mittäter telefonisch informiert haben. Am Bahnhof in Wurzen "wurden die Opfer von den ihnen zahlenmäßig überlegenen Angreifern aus einem Hinterhalt abgepasst". In Budapest ereigneten sich die G. zur Last gelegten Vorfälle anlässlich des "Tags der Ehre", zu dem Rechtsextremisten aus ganz Europa jedes Jahr in die ungarische Hauptstadt kommen, um des Ausbruchsversuchs der deutschen Wehrmacht, der Waffen-SS und ihrer ungarischen Kollaborateure aus der von der Roten Armee belagerten Stadt am 11. Februar 1945 zu gedenken. Hier soll sich der Beschuldigte an einem Überfall auf ein Café beteiligt sowie nachts zwei Menschen hinterrücks auf der Straße angegriffen haben. Diese hätten multiple Prellungen und Platzwunden vor allem im Bereich des Kopfes erlitten.
In Budapest soll Johann G. im Februar 2023 mit Komplizen Menschen angegriffen haben, die aus Sicht der Angreifer dem rechten Spektrum zuzuordnen waren. Auch dabei wurden den Angaben nach mehrere Menschen verletzt. Da dies Teil eines separaten Haftbefehls ist, wurde hierfür Überhaft vorgemerkt. So nennt man es, wenn jemand schon in (Untersuchungs-)Haft ist und ein weiterer Haftbefehl erlassen wird. Relevant wird das erst, wenn der andere Haftbefehl außer Kraft gesetzt würde.
Die Bundesanwaltschaft wirft G. daher zudem vor, sich in mehreren Fällen an einer kriminellen Vereinigung beteiligt zu haben. Zudem legt sie ihm unter anderem gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch und Sachbeschädigung zur Last.
Die G. vorgeworfenen Taten listet die Bundesanwaltschaft dezidiert auf. Dabei sollen Johann G. und seine mutmaßlichen Mittäter brutal vorgegangen sein, mit Schlägen, Tritten, Schlagwerkzeugen wie Stöcken und Radschlüsseln sowie Reizgas. Manche der mutmaßlichen Opfer wurden demnach potenziell lebensgefährlich verletzt.
Johann G. war spätestens seit Sommer 2020 untergetaucht. Nach dem Deutschen war auch öffentlich gefahndet worden. Für entscheidende Hinweise, die zu seiner Festnahme führen, hatten die Behörden eine Belohnung von 10.000 Euro ausgelobt.
Anwohner: Bereits vierte Durchsuchung eines Hauses in Jena
Nach der Festnahme von G. hatte die Thüringer Polizei am Freitagabend in Jena ein Wohnhaus durchsucht. Im Fokus soll eine Wohnung im Obergeschoss gestanden haben. Im Einsatz waren dabei vermummte Bereitschaftspolizisten und zivile Polizeibeamte. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft soll es sich dabei um die Wohnung einer nicht tatverdächtigen Person gehandelt haben, die mit G. in Zusammenhang steht.
Nach Aussage von Bewohnern im Stadtteil Kernberge hatte die Polizei die Straße mit zwei Fahrzeugen abgesperrt. Es sei bereits die vierte Durchsuchung des Wohnhauses gewesen.
Revisionsverhandlung gegen Lina E. im Februar
Das Oberlandesgericht (OLG) Dresden hatte Lina E. im Mai 2023 wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Trotzdem kam sie nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft zunächst unter Auflagen frei. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, falls das Urteil rechtskräftig ist. Der BGH hat die Revisionsverhandlung hierzu für den 6. Februar 2025 in Karlsruhe angesetzt.
Der Generalbundesanwalt beanstandet den Angaben zufolge einen Teilfreispruch hinsichtlich eines Tatvorwurfs sowie den gesamten Strafausspruch. Die Angeklagte wiederum wende sich gegen ihre Verurteilung. Für drei Mitangeklagte verhängte das OLG Freiheitsstrafen zwischen zweieinhalb Jahren und drei Jahren und drei Monaten. Im Prozess fiel immer wieder der Name des nun Gefassten.
MDR (dvs/seg)/dpa