Katja Wolf

Thüringen Nach Streit um Aufnahme: BSW Thüringen darf zusätzliche Mitglieder benennen

Stand: 12.11.2024 13:57 Uhr

Weil die Bundespartei am Thüringer BSW-Landesverband vorbei Mitglieder aufnahm, kam es zu Irritationen. Nun gibt es offenbar eine Einigung mit Sahra Wagenknecht, wie das Problem gelöst werden soll.

Von Lucas Grothe, MDR INVESTIGATIV

Der Thüringer Landesverband des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) soll mehrere neue Mitglieder bekommen. Nach Informationen von MDR Investigativ aus Parteikreisen sollen die jeweiligen Regionalbereiche jeweils vier bis fünf neue Mitglieder vorschlagen können. Die Bundesspitze hat demnach zugesichert, diese auch zu akzeptieren. Generell müssen beim BSW neue Parteimitglieder laut Satzung nämlich vom Bundesvorstand in Berlin bestätigt werden

In Thüringen gibt es fünf BSW-Regionalbereiche - der Landesverband könnte auf diesem Weg also bis zu 25 neue Mitglieder bekommen. Zusätzlich sollen nach MDR-Informationen 15 Mitglieder aufgenommen werden, die bereits im Sommer vom Landesverband vorgeschlagen wurden - aber bisher durch den Bundesvorstand nicht aufgenommen wurden. Unklar war noch, wann genau die Mitglieder aufgenommen werden sollen.

Aufnahme neuer Mitglieder soll Konflikt entschärfen

Damit soll offenbar ein parteiinterner Streit entschärft werden. Der hatte sich daran entzündet, dass die Bundespartei am Landesverband vorbei mehr als 20 Mitglieder aufgenommen hatte. Die Bundesspitze hatte bereits vergangene Woche dem MDR mitgeteilt, man nehme "auch künftig regelmäßig neue Mitglieder aus allen Bundesländern auf" - auch aus Thüringen. Und: "Wir bleiben weiterhin bei unserem Kurs eines langsamen und kontrollierten Wachstums." Zuletzt hatte der Thüringer Landesverband laut Bundesspitze 89 Mitglieder.

Die Politikerin Sahra Wagenknecht (BSW / Buendnis Sahra Wagenknecht), rechts, und Eisenachs Oberbuergermeisterin Katja Wolf (Die Linke), links, posieren am Abend im Weimarer Hotel Dorint fuer ein Foto. Wolf tritt zur Kommunalwahl am 26. Mai 2024 nicht wieder an. Das kuendigte die 47-Jaehrige am Freitag an. Stattdessen will sie fuer das Buendnis Sahra Wagenknecht fuer den Thueringer Landtag kandidieren.

Katja Wolf und Sahra Wagenknecht im Frühjahr, als Wolf ihren Wechsel zum BSW verkündete und es noch keinen Machtkampf gab.

Innerhalb des Thüringer Landesverbands wurde allerdings gemutmaßt, dass mit den neuen Mitgliedern auch Mehrheiten zu Abstimmungen über eine mögliche Regierungsbeteiligung beeinflusst werden sollen. Denn sollten sich BSW, CDU und SPD auf einen Koalitionsvertrag einigen, müssten die Mitglieder des BSW-Landesverbands am 23. November darüber abstimmen, ob die Partei diesen unterschreiben soll. Auch wenn sich die Landesvorsitzenden und große Teile der Fraktion bisher für eine Regierungsbeteiligung starkmachen, ist eine Mehrheit unter den Mitgliedern für den Koalitionsvertrag keinesfalls sicher.

Die Parteichefs von CDU, BSW und SPD sollen ab Dienstag abschließend den Entwurf für einen Koalitionsvertrag prüfen. Sieben Arbeitsgruppen hatten seit Anfang vergangener Woche unter anderem in den Politikfeldern Migration, Wirtschaft und Bildung den Vertrag ausgearbeitet.

Brombeergespräche in der nächsten Runde

Parteienexpertin bezeichnet Aufnahmepraxis als rechtswidrig

Nicht nur intern ist die Mitgliederaufnahme beim BSW umstritten. So hatte sich beispielsweise die Parteienforscherin Sophie Schönberger zuletzt kritisch geäußert: Die Expertin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hält die Aufnahmepraxis für rechtswidrig und bezieht sich dabei auf das Parteiengesetz. Artikel 10 lege fest, dass Aufnahmesperren von Mitgliedern unzulässig sind.

Schönberger sieht in der restriktiven Aufnahme von BSW-Mitgliedern in ganz Deutschland ein Problem. Dem MDR sagte sie: "Man muss das so auslegen, dass eine Partei grundsätzlich offenbleiben muss." Das BSW nehme zwar Mitglieder auf, orientiere sich dabei aber nicht "am Individuum, sondern orientiert sich an absoluten Zahlen". Das sei für sie eine Aufnahmesperre und damit rechtswidrig, so Schönberger.

Schönberger: Wagenknechts Einmischung schafft Präzedenzfall

Problematisch sei auch, dass der Bundesvorstand um Sahra Wagenknecht über die Aufnahme von Mitgliedern in den Landesverbänden entscheide. Schönberger bezieht sich auf Artikel 7 des Parteiengesetzes, der "Gebietsverbände" definiert. "Da liest man rein, dass ein Verband auch substanziell eigene, selbständige Rechte haben muss."

All das sei, so die Expertin, ein Präzedenzfall für Deutschland. Theoretisch könnten abgelehnte Anwärter des BSW oder bereits aufgenommene Mitglieder gegen die Praxis klagen, vor einem parteiinternen Schiedsgericht oder einem Zivilgericht.

MDR (dst)