Thüringen Neonazi-Aufkleber in Hildburghausen: Fassungslosigkeit über Vandalismus
Am Sonntag wurden in Hildburghausen Hunderte Neonazi-Aufkleber entdeckt. Der Bürgermeister zeigt sich betroffen und will ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen, während Helfer die Spuren des Vandalismus beseitigen. Die Polizei ermittelt wegen politisch motivierter Sachbeschädigung.
Mehrere Stunden hat Dietmar Kusch vom Bauhof gebraucht, um die Neonazi-Aufkleber in Hildburghausens Innenstadt zu entfernen. Durch den Nebel und die Nässe waren manche von ihnen so fest angepappt, dass nur noch ein Spachtel half. "Andere gingen ganz leicht ab", berichtet Kusch. Er war am Sonntagmorgen auf seiner Müll-Tour durch die Innenstadt. Gegen 7 Uhr entdeckte er am historischen Rathaus auf dem Marktplatz die Sauerei.
"Ich war erschrocken, weil alles voller Aufkleber mit rechten Sachen war", sagt Kusch. Die tags zuvor an der Gedenktafel abgelegten Kränze für die Opfer der Pogromnacht waren zertreten und in einen Kellerschacht geworfen worden. "Ich habe sie dann wieder hochgeholt, etwas gerichtet und wieder hingelegt." Mindestens 600 dieser Aufkleber seien es gewesen, schätzt Kusch. Die Aufkleber zeigten beispielsweise die Reichskriegsflagge und die "Schwarze Sonne" - ein Ersatzsymbol für das verbotene Hakenkreuz. Neben dem Rathaus und der Gedenktafel traf es auch Geschäfte, das Gymnasium und das Parteibüro der Linken.
Der von Rechtsextremen geschändete Kranz zum Gedenken an die Hildburghäuser jüdischen Opfer der Nazis wurde inzwischen ersetzt.
Hildburghausens Bürgermeister sichtlich angefasst
Bürgermeister Patrick Hammerschmidt (parteilos) ist einen Tag nach der Aufkleber-Attacke sichtlich angefasst. Einfach so stehen lassen könne man diese Aktion nicht. "Ich habe heute Morgen mit dem Landrat, den Vertretern der Kirche und auch mit dem Leiter des Gymnasiums telefoniert. Wir werden am Sonntag noch vor den Gedenkfeiern zum Volkstrauertag noch einmal eine Kranzniederlegung am Rathaus machen. Einfach um ein Zeichen zu setzen, dass wir die Situation so nicht hinnehmen, wie sie passiert ist", sagt Patrick Hammerschmidt.
Die Hildburghäuser Stadtverwaltung beschloss in Absprache mit den Verantwortlichen der anderen betroffenen Orte eine erneute Kranzniederlegung für die jüdischen Opfer während der NS-Zeit.
Stadt setzt Zeichen gegen Rechtsextremismus
Das Allerschlimmste sei die Teilnahmslosigkeit der Hildburghäuser - das sagt Elke Gassenbeek. Sie ist im Linke-Kreisverband und hat gerade im Parteibüro nur einen Steinwurf vom Markt entfernt zu tun. "Das komplette Schaufenster ist mit Aufklebern übersät gewesen", berichtet sie.
Ein paar Passanten hätten Hilfe beim Reinigen der Fenster angeboten, doch die seien nicht aus Hildburghausen gewesen. "Als ich das hier gesehen habe, war ich total erschrocken. Ich hatte richtig Angst. Dass es so viele sind, das macht mir Angst - es müssen so viele Täter gewesen sein", sagt Gassenbeek.
Elke Gassenbeek ist Schatzmeisterin der Linken im Wartburgkreis. Auch am Parteibüro wurden rechtsextreme Sticker entdeckt.
Polizei ermittelt und hofft auf Hinweise aus der Bevölkerung
Von mehreren Tätern geht auch die Polizei aus. "Allein schon wegen der Masse an Aufklebern", sagt Polizeisprecherin Julia Kohl. Es werde wegen politisch motivierter Sachbeschädigung ermittelt. Dabei hofft die Polizei auf Hinweise aus der Bevölkerung.
MDR (dkn)