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Reaktionen auf Eklat in Washington "Niemals Aggressor und Opfer verwechseln"
Klare Rückendeckung für Selenskyj - in der deutschen Politik ist das Entsetzen, aber auch die Geschlossenheit groß. Zeitgleich werden Rufe nach einer schnellen Regierungsbildung laut.
Entsetzen, Empörung, Ernüchterung - so die Reaktionen führender Bundespolitiker zu dem Eklat im Weißen Haus. Wie könne man dem Präsidenten eines überfallenen Landes so in den Rücken fallen?, fragt beispielsweise Johann Wadephul, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag: "Wir können doch so einen Völkerrechtsbruch, wie Putin ihn andauernd begeht, nicht legitimieren und nicht auf den Falschen einschlagen - das ist das, was die USA machen, sagte er im rbb24 Inforadio.
Auch Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz betonte, man dürfe "in diesem schrecklichen Krieg niemals Aggressor und Opfer verwechseln". Bundeskanzler Olaf Scholz wiederum erklärte, niemand wolle Frieden mehr als die Bürger der Ukraine. Deswegen suche man gemeinsam den Weg zu einem dauerhaften und gerechten Frieden. Die Ukraine könne sich auf Deutschland und Europa verlassen.
Sorge um die Sicherheit in Europa
Zugleich werden Sorgen laut, mit Blick auf die Folgen die jüngsten Entwicklungen in Washington für die Sicherheit in Europa. So verwies der Sicherheitsexperte Christian Mölling von der Bertelsmann-Stiftung im ZDF-heute-Journal auf möglichen Folgen für die Beistandsverpflichtung, die in Artikel 5 des NATO-Vertrags geregelt ist:
"Die Tatsache, dass wir nicht wissen, ob Artikel 5 gilt, bedeutet: Wir müssen annehmen, dass er zumindest für die USA nicht mehr gilt, was nicht bedeutet, dass sich die Europäer unter dem Art. 5 nicht zusammensammeln können. Aber es bedeutet, dass die USA als politischer und militärischer Führer der NATO wegfallen wird. Man muss es zumindest annehmen, dass es so ist".
Es sei nun endgültig klar, dass "die freie Welt einen neuen Anführer braucht, so schrieb es die EU-Außenbeauftragte Kaia Kallas: Es liege an den Europäern, diese Herausforderung anzunehmen.
Wadephul fordert schnelle Gespräche zur Regierungsbildung
Der CDU-Politiker Wadephul sieht auch Auswirkungen für die Regierungsbildung in Berlin: Es müsse jetzt mit den Gesprächen sehr schnell weitergehen, Karneval hin und her, so Wadephul im rbb24 Inforadio weiter: "Ich denke, das muss jetzt Priorität haben. Und Europa muss sich sortieren, es gibt eine sehr gute Reaktion aus fast allen europäischen Hauptstädten, Europa muss jetzt handlungsfähig sein und die USA ersetzen, so gut es eben geht."
Schon in den kommenden Tagen dürften die Folgen des Eklats von Washington auf Spitzenebene in Europa behandelt werden. Für morgen hat der britische Premierminister Keir Starmer führende Vertreter von EU und NATO zu einem Sondertreffen nach London eingeladen, am kommenden Donnerstag ist ein EU-Sondergipfel zur weiteren Unterstützung der Ukraine geplant. In Deutschland sollen die Sonderungsgespräche zwischen Union und SPD weitergehen - die internationalen Entwicklungen lassen sich dabei nicht ausblenden.