Umweltbundesamt "Verkehr steuert in falsche Richtung"
Höhere Spritpreise, Pendlerpauschale abschaffen, Tempolimit und Pkw-Maut einführen: Das Umweltbundesamt schlägt einschneidende Maßnahmen vor, damit die Klimaziele im Verkehrsbereich erreicht werden können.
Der Verkehrssektor ist der einzige Bereich, der seine Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 nicht gemindert hat: Da müsse nun massiv nachgesteuert werden, fordert das Umweltbundesamt. "Der Verkehr steuert beim Klimaschutz in die falsche Richtung", sagte der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner, der Nachrichtenagentur dpa. Nötig seien drastischere Maßnahmen.
So sollte der CO2-Preis ab 2022 im Vergleich zur bisherigen Planung mindestens verdoppelt werden. Das würde deutlich steigende Benzin- und Dieselpreise bedeuten. "Aus Klima- und Umweltschutzsicht ist es sinnvoll, den CO2-Preis weiter zu erhöhen." Das sei auch sozialverträglich möglich, "wenn der Staat die zusätzlichen Einnahmen aus der CO2-Bepreisung nutzt, um die EEG-Umlage deutlich zu senken und gleichzeitig klimaverträgliche Antriebstechnologien zu fördern", sagte Messner.
Klimaziele gefährdet
Die selbst gesetzten Ziele aus dem Klimaschutzgesetz bis 2030 im Verkehrssektor würden deutlich verfehlt, wenn nicht massiv nachgesteuert werde. Das Umweltbundesamt setzt in einem Reformpapier vor allem auf den Ausbau der Alternativen zum Pkw- und Lkw-Verkehr, auf Elektrifizierung und eine sozialverträgliche CO2-Bepreisung des Verkehrs.
Zu den Vorschlägen der Behörde zählt etwa, das Dieselprivileg ab 2023 schrittweise abzuschaffen und die steuerliche "Subventionierung" von Dienstwagen ab 2022 schrittweise abzubauen.
Falsche Anreize abschaffen
Die Pendlerpauschale solle ab 2027 abgeschafft werden, heißt es weiter. Sie setze Fehlanreize für den Klimaschutz, indem sie den Trend zu langen Arbeitswegen unterstütze. Zugleich würden Arbeitswege überdurchschnittlich häufig in Pkw mit nur einem Insassen zurückgelegt. Um soziale Härten abzufedern, sollten Wegekosten gegebenenfalls bei der Einkommenssteuer berücksichtigt werden.
Das Umweltbundesamt schlägt weiter vor, den Öffentlichen Personennahverkehr, den Rad- und Fußverkehr und die Schiene mit zusätzlichen Milliarden Euro massiv auszubauen. Für neue Pkw solle es strengere, europäische CO2-Flottenzielwerte geben, um die Markteinführung von Elektroautos zu beschleunigen.
Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel
Damit Deutschland bis 2045 klimaneutral werden könne, seien auch Instrumente nötig, die erst nach 2030 wirkten. Dazu zähle etwa die Einführung einer Pkw-Maut auf allen Straßen ab 2030, heißt es in dem Papier. "Eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut setzt Anreize, Autofahrten zu verkürzen oder ganz einzusparen oder stattdessen auf klimafreundlichere Verkehrsmittel umzusteigen."
Messner sprach sich außerdem für ein generelles Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen aus. Dieses könnte praktisch sofort und ohne Mehrkosten dem Klima helfen und erhöhe zudem die Verkehrssicherheit.
ADAC kritisiert, Greenpeace lobt
Scharfe Kritik an den Vorschlägen des Umweltbundesamtes kam vom Autofahrerclub ADAC. Durch einen ständigen "Überbietungswettbewerb" würde die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen gefährdet, erklärte ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand. "Wenn politische Beschlüsse nicht zuverlässig sind, sondern bereits vor ihrer Wirksamkeit verschärfend korrigiert werden, sinkt das Vertrauen der Bevölkerung massiv."
Der ADAC sei nicht gegen gezielte Preissignale für mehr Klimaschutz. Man dürfe aber die Gesamtbelastung der Menschen nicht aus dem Blick verlieren. "Derart massive Preissignale treffen die Bevölkerung zu einem Zeitpunkt, an dem sie teilweise bereits an der Belastungsgrenze ist und Alternativen schlichtweg nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen", erklärte Hillebrand weiter.
Unterstützung für die Vorschläge der Behörde kam dagegen von Umweltschützern. Greenpeace-Experte Tobias Austrup erklärte: "Das Umweltbundesamt spricht das Offensichtliche aus: Nur wenn an einer ganzen Reihe Schrauben gleichzeitig gedreht wird, kann der Verkehr seinen Klimarückstand aufholen." Klimaschutz im Verkehr scheitere auch nicht an der Sozialverträglichkeit. "Die horrenden klimaschädlichen Subventionen im Verkehr begünstigen vor allem vielfahrende Gutverdiener, nicht die Krankenschwester im Kleinwagen."