Filter und Zeitlimits Apple-Kinderschutz weist erhebliche Lücken auf
Beschränkung der Bildschirmzeit sowie das Filtern von verstörenden Bildern auf dem Smartphone - darauf verlassen sich Eltern bei der Kinderschutzfunktion von Apple. Doch diese hat gravierende Schwachstellen.
Sind Kinder schlauer als die Softwareentwickler von Apple? Was die Kinderschutz-Funktion angeht - offenbar schon. Denn obwohl der amerikanische Tech-Hersteller seine Kinderschutz-Funktion als "wichtiges" Instrument bewirbt, das Eltern helfen soll, die Surfzeiten und die Nutzung von Apps ihrer Kinder zu kontrollieren, konnten der SWR und die Stiftung Warentest nachweisen, dass es mit wenigen Tricks möglich ist, die digitale Schutzmechanismen von Apple kinderleicht zu umgehen.
Dabei sind inhaltliche Filter und Zeitlimits laut Experten wichtig, damit die Gehirne von Kindern und Jugendlichen keinen Schaden nehmen. Für die Untersuchung der Apple-Kinderschutzfunktion nutzten der SWR und Stiftung Warentest den Account eines 12-jährigen Kindes und prüften die aktuellen iOS-Versionen 18.2 und 18.2.1.
"Unterstützender Zugriff"
So ist es nach den Recherchen für Kinder problemlos möglich, mit der Apple-eigenen Funktion "unterstützender Zugriff" von Eltern gesetzte Zeitlimits auszuhebeln. Kinder können damit etwa die ganze Nacht durchchatten oder bis zum Morgengrauen zocken. Die Tücke dabei: Aktiviert ein Kind diesen Modus, bekommen Eltern das nicht direkt mit und verlassen sich auf den Kinderschutz von Apple.
Mit dem können Eltern eigentlich festlegen, dass ihr Kind Social-Media-Apps zum Beispiel höchstens zwei Stunden am Tag konsumiert und das auch nur bis 19 Uhr. Die Tests zeigen auch, dass auch Inhaltsfilter Schwachstellen aufweisen: So können beispielsweise Horrorsequenzen aus Filmen, nackte Stripperinnen in unzensierten Rappervideos oder verstörende Unfallszenen auf einem Apple-Gerät abgespielt werden - obwohl Eltern entsprechende Inhalte zuvor blockiert hatten. Dagegen gelang es dem SWR und Stiftung Warentest nicht, mit dem eingeschalteten Kinderschutz Porno-Websiten aufzurufen.
Probleme mit Bildschirmzeit sind Apple seit Jahren bekannt
Erfinderische Kinder haben nach Recherchen des SWR bereits in der Vergangenheit schon häufiger Tricks zur Umgehung der Kindersicherungsfunktion von Apple angewandt. Eltern in der Community beklagen daher seit Jahren, dass ihre Kinder in der Lage seien, den Kinderschutz, den die Eltern mühsam eingestellt hätten, zu umgehen, indem sie beispielsweise auch Uhrzeiten zurücksetzen.
Eine Suche auf YouTube zeigt darüber hinaus, dass zahlreiche Hack-Anleitungen im Netz existieren, in denen strahlende Teenies erklären, wie sich der "Parental Control", also der Kinderschutz, austricksen lässt. Solche Anleitungen erreichen oft Hunderttausendfache Klicks und verdeutlichen, wie groß der Nachbesserungsbedarf bei Apple eigentlich sein müsste.
Die Frage bleibt: Warum hat Apple diese Lücken bisher nicht geschlossen? Der der IT-Sicherheitsexperte Sascha Zinke kritisiert gegenüber dem SWR: "Es geht nicht darum, dass Software-Entwickler nicht in der Lage wären, eine Kinderschutzfunktion besser zu programmieren oder Lücken zu schließen, sondern die Frage ist: wie sieht das Geschäftsmodell dahinter aus? Und wenn der Kinderschutz auf der Prioritätenliste nicht oben steht, werden solche Lücken nicht nachhaltig geschlossen."
Auf detaillierte Fragen des SWR, warum Apple Probleme, die schon seit Jahren bestünden, nicht schon längst behoben hat und auch die aktuellsten iOS-Versionen Mängel aufwiesen, erklärte der Konzern: "Wir nehmen Probleme im Zusammenhang mit der Bildschirmzeit sehr ernst: Wir haben kontinuierlich Verbesserungen vorgenommen, um Nutzer:innen die bestmögliche Erfahrung zu bieten. Unserer Arbeit ist nicht abgeschlossen und wir werden auch weiterhin Updates vornehmen."
Viel Bildschirmzeit schadet den Gehirnen von Kindern
Der Neurobiologe Martin Korte, der seit Jahren an der TU Braunschweig über die psychischen Folgen von digitalen Medien forscht, sieht ebenfalls mangelndes Interesse bei Apple, die Missstände zu beheben: "Offenbar ist es lukrativ, die Mängel am Kinderschutz beizubehalten." Hersteller wie Apple wüssten doch, dass der häufige Konsum von Gewaltszenen zu traumatischen Erfahrungen bei Kindern und zum Verlust von Emphathiefähigkeit führen könne: "Das junge Gehirn bedarf eines besonderen Schutzes, da sich gerade im jugendlichen Alter ein Suchtverhalten leicht einbrennt."
"Die Politik sollte dafür sorgen, dass Unternehmen wie Apple gewährleisten, dass deren Schutzfunktionen funktionieren. Bei einem Smartphone handelt es sich um einen Gegenstand, der in einer Kinderhand viel Unheil anrichten kann - da braucht es Verantwortung“, fordert der Suchttherapeut Niels Pruin, der unter anderem für die bundesweit größte Selbsthilfeorganisation "Aktiv gegen Mediensucht e.V." arbeitet.
Beim Schutz von Jugendlichen und Kindern im Internet kommt es vor allem auf die Vorgaben der EU an, und die seien eindeutig, so die SPD-Politikerin Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. "Apple ist durch den Digital Services Act gesetzlich verpflichtet, ein hohes Maß an Sicherheit für Minderjährige zu gewährleisten. Bei groben Verstößen können hohe Strafen verhängt werden."