Falscher Klitschko Auch EU-Kommissarin fiel auf Fake herein
Das russische Comedy-Duo, das europäische Bürgermeister mit Videoanrufen hereingelegt hat, hat erste Aufnahmen veröffentlicht. Diese zeigen nach Kontraste-Informationen auch die EU-Innenkommissarin Johansson.
Die russischen Komiker, die sich bei Videoanrufen gegenüber europäischen Bürgermeistern als Vitali Klitschko ausgegeben hatten, haben auch die Innenkommissarin der Europäischen Union hereingelegt. Vladimir "Vovan" Krasnov (auch bekannt unter dem Nachnamen Kuznetsov) und Alexey "Lexus" Stolyarov veröffentlichten auf ihrem Kanal bei einem russischen YouTube-Klon Videoausschnitte aus dem Gespräch mit der Schwedin Ylva Johansson. Die EU-Kommission erfuhr offenbar erst durch eine Anfrage des ARD-Politikmagazins Kontraste von dem Vorfall.
"Es scheint, dass Kommissarin Johansson, wie eine Reihe anderer Politiker, einem Telefonstreich einer Person ausgesetzt war, die sich als Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko ausgab", teilte eine Kommissionssprecherin mit. Von wann die Aufzeichnung stammt und wie es dazu gekommen war, konnte sie nicht sagen.
Hoffnung auf Skandale
Wie den ins Netz gestellten Ausschnitten zu entnehmen ist, ging es in dem auf Englisch geführten Gespräch um Geflüchtete. So erkundigten sich Krasnov und Stolyarov bei Johansson, ob ukrainische Geflüchtete in Europa viele Probleme verursachten und ob ihr dazu Berichte vorlägen. Die wohl erhoffte skandalträchtige Antwort blieb jedoch aus. Stattdessen sprach die Innenkommissarin über ihre Sorge, Frauen und Kinder könnten auf der Flucht Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung werden.
An anderer Stelle beschwerte sich der falsche Klitschko über angeblich ausbleibende Hilfe für Geflüchtete durch Frankreich und Großbritannien. Johansson stimmte ihm zu, dass Großbritannien - obgleich nicht mehr in der EU - die Einreise für Ukrainer erleichtern könne. Sie habe dies auch der britischen Innenministerin Priti Patel mitgeteilt. Patel war von den beiden Russen kurz nach Kriegsbeginn ebenfalls in einer Videoschalte hereingelegt worden.
Eine Kommissionssprecherin sagte Kontraste, es sei absolut klar, was Johansson in ihrem Gespräch mit dem falschen Klitschko sagte. "Für sie haben die Gesundheit und das Wohlergehen derjenigen, die vor Putins illegaler Invasion in der Ukraine fliehen, weiterhin Vorrang." Dass sich die EU schon Anfang März auf eine Richtlinie geeinigt hat, habe die Unterstützung von mehr als 3,6 Millionen Menschen ermöglicht.
Aufnahmen von Warschaus Stadtpräsident im Netz
Das Comedy-Duo hatte sich schon am Dienstag gegenüber Kontraste dazu bekannt, für eine ganze Serie von Videoschalten im Namen Vitali Klitschkos verantwortlich zu sein. Betroffen waren davon neben Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey auch die Stadtoberhäupter von Budapest, Madrid, Wien und Warschau.
Neben den Ausschnitten aus dem Gespräch mit Johansson veröffentlichten Krasnov und Stolyarov auch eine Aufzeichnung des Anrufs bei Warschaus Stadtpräsidenten Rafał Trzaskowski. Auch diesem versuchten sie, kritische Aussagen über die Situation Geflüchteter aus der Ukraine zu entlocken.
Aussagen von Trzaskowskis und Johansson sind auch in eine Art Talkshow eingebettet, unter den Gästen sind zwei Duma-Abgeordnete. Sie gehören der Putin-Partei "Einiges Russland" an und ziehen über Klitschko, Warschaus Stadtpräsidenten und die Innenkommissarin her. Krasnov und Stolyarov tun so, als wäre all dies bloß harmloser Klamauk. Gegenüber Kontraste bestritt Stolyarov gar eine politische Motivation.
Das Comedy-Duo Vladimir "Vovan" Krasnov und Alexei "Lexus" Stolyarov (links) besprach Aufnahmen von Johansson unter anderem mit Duma-Abgeordneten der Putin-Partei "Einiges Russland".
Westliche Politiker sollen lächerlich gemacht werden
Felix Kartte von der Initiative Reset glaubt das nicht. "Ziel solcher 'Prank Calls' ist es wohl, westliche Politikerinnen und Politiker vorzuführen und vor der russischen Öffentlichkeit lächerlich zu machen", sagte Kartte gegenüber Kontraste. "Dass vermeintliche Comedians Propaganda für den Kreml machen, passt ins Bild. Gerade seitdem russische Staatsmedien in der EU gesperrt sind, mobilisiert Russland etwa auch Kreml-nahe Influencer, um Putins Narrative zu verbreiten."
Das Kreml-freundliche Duo - von einer Sprecherin des russischen Außenministeriums erst kürzlich als "Meister der Telefondiplomatie" gelobt - hat angekündigt, früher oder später Videos zu allen Einsätzen des falschen Klitschkos zu veröffentlichen, also wohl auch zu dessen Videoanruf bei Giffey. Offen ist, wie viele Betroffene wie Johansson bis heute noch gar nicht wissen, dass sie hereingelegt wurden.