Der chinesische Frachter "Yi Peng 3" liegt nahe der dänischen Küste vor Anker
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Zerstörte Ostsee-Kabel Chinesisches Schiff unter Verdacht

Stand: 20.11.2024 14:29 Uhr

Ein chinesisches Frachtschiff hat seine Passage durch die Ostsee unterbrochen. Europäische Behörden bringen die "Yi Peng 3" mit der Zerstörung von zwei Unterseekabeln in der Ostsee in Verbindung.

Von Marie Blöcher, Antonius Kempmann, Benedikt Strunz, Andreas Schmidt, NDR und Florian Flade, WDR

Nach der Beschädigung zweier Unterseekabel in der Ostsee hat das chinesische Frachtschiff "Yi Peng 3" in der vergangenen Nacht seine Fahrt durch die Ostsee gestoppt. Derzeit liegt es im Meeresgebiet zwischen Dänemark und Schweden vor Anker. Das geht aus öffentlich einsehbaren Schiffsdaten (AIS-Daten) hervor.

Europäischen Sicherheitsbehörden war das Schiff aufgefallen, weil es sich Anfang der Woche in der Nähe von zwei Unterwasserkabeln befand, als diese beschädigt wurden. Das Schiff war vor seinem endgültigen Halt von dänischen Marineschiffen engmaschig überwacht und begleitet worden. Am späten Montagabend kurz vor 21 Uhr stoppte die "Yi Peng 3" dann offenbar ihren Motor.

Zwei dänische Militärschiffe beim Frachter

Derzeit befinden sich laut dänischem Militär zwei dänische Militärschiffe bei dem chinesischen Frachter, der in der Meerenge zwischen Schweden und Dänemark in Höhe der schwedischen Stadt Ängelholm gestoppt hat. Das dänische Verteidigungsministerium wollte auf Nachfrage nicht beantworten, ob das Schiff derzeit durchsucht wird. Aus deutschen Sicherheitskreisen heißt es, dass auch die Bundespolizei am Nachmittag ein Schiff entsendet, um die Ermittlungen rund um die beschädigten Kabel zu unterstützen. Die chinesische Botschaft in Berlin und der chinesische Eigner des Schiffes reagierten nicht auf Anfragen.

Am vergangenen Sonntag und am frühen Montagmorgen waren zwei Untersee-Datenkabel in der Ostsee zerstört worden. Das Datenkabel C-Lion 1 verbindet Finnland mit Deutschland und landet in Rostock an. Das Datenkabel BCS-East-West Interlink verbindet Litauen mit der schwedischen Insel Gotland.

Eine Analyse der Schiffsbewegungsdaten des Anbieters MarineTraffic zeigt, dass sich das chinesische Schiff "Yi Peng 3" offenbar in unmittelbarer Nähe zu den Stellen aufhielt, an denen die Kabel zerstört wurden. So passierte das Schiff das Kabel C-Lion am Montagmorgen um 03:02 Uhr. Zwei Minuten später, um 03:04 Uhr, bemerkte die Kabelbetreiberfirma Cinia einen Defekt, kurze Zeit später einen Totalausfall. Die "Yi Peng 3" tauchte zuvor in der Nähe des zerstörten Datenkabels East-West Interlink auf.

Standortdaten zwischenzeitlich nicht freigegeben

Die ausgewerteten AIS-Daten zeigen, dass das Schiff das Kabel am Sonntagmorgen gegen 9 Uhr östlich von Gotland passiert hat. Kurze Zeit später fiel auch hier der Datenverkehr aus. Auffällig ist, dass zwischen den beiden Ereignissen keine AIS-Daten für das chinesische Schiff übermittelt wurden, also das Schiff seinen Standort offenbar nicht preisgab.

Zudem fiel das chinesische Schiff durch ungewöhnliche Bewegungsmuster in dem Zeitraum auf. Zum einen fuhr es zwischenzeitlich in der Gegend der Unterwasserkabel auffallend langsam, zum anderen kam es später am selben Tag laut AIS-Daten südlich der schwedischen Stadt Karlskrona auf offener Strecke gänzlich zum Stehen. Erst nach etwa einer Stunde setzte es die Fahrt fort.

In dem fraglichen Zeitraum passierten einige weitere Schiffe die Datenkabel, darunter auch ein russischer Frachter. Auch sie werden von europäischen Sicherheitsbehörden derzeit beobachtet. In der deutschen Regierung geht man davon aus, dass es sich bei den zerstörten Datenkabeln nicht um Zufälle handelt.

Bundesregierung geht von Sabotage aus

Bereits am Montag hatte Außenministerin Annalena Baerbock in einer Pressemitteilung mit mehreren EU-Außenministern erklärt, man sei über den Vorfall "zutiefst besorgt". Europas Sicherheit sei auch durch hybride Kriegsführung böswilliger Akteure bedroht.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hatte in einer gemeinsamen Presseerklärung mit seinem finnischen Amtskollegen erklärt, niemand gehe davon aus, dass "diese Kabel aus Versehen durchtrennt worden sind“.

Die rasche und deutliche Reaktion aus der EU und die engmaschige Überwachung des chinesischen Schiffes markieren eine deutliche Kehrtwende im Umgang mit vermeintlicher Sabotage. Insider erklärten NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, dass der aktuelle Fall zeige, dass sich die Reaktionsfähigkeit der Ostsee-Anrainerstaaten erhöht habe.

Vor rund einem Jahr wurde die Gaspipeline Baltic Connector durch einen anderen chinesischen Frachter, die "Newnew Polar Bear", zerstört. Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung hatten zuletzt aufgedeckt, dass sich zuvor auffällig häufig russische Spionageschiffe über der Gaspipeline aufgehalten hatten.

Die "Newnew Polar Bear" hatte angeblich unbemerkt ihren Anker fallen lassen, ihn über mehrere hundert Seemeilen mit sich geschleppt und damit mehrere Datenkabel und die wichtige Pipeline zerstört. Damals konnte das Schiff unbehelligt die Ostsee verlassen.

Erst deutlich später reagierten europäische Regierungen und setzten China unter Druck, sich bei der Untersuchung des Vorfalls kooperativ zu zeigen. Das Ergebnis der von Finnland und Estland geführten Ermittlungen steht noch aus, allerdings hat China inzwischen eingeräumt, dass das Schiff für die Beschädigung verantwortlich war.

Ungewöhnlicher Vorfall

Sollte nun das chinesische Schiff "Yi Peng 3" tatsächlich von dänischen Behörden zum Stoppen aufgefordert worden sein, wäre dies ein sehr ungewöhnlicher Vorfall. Das internationale Seerecht zieht enge Grenzen für ein solches Vorgehen, zumal sich die "Yi Peng 3" derzeit offenbar nicht innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone Dänemarks befindet, sondern in der ausschließlichen Wirtschaftszone Dänemarks.

Hier besitzt das Land lediglich das Recht auf die Ausbeutung der wirtschaftlichen Ressourcen und verfügt nur über eingeschränkte hoheitliche Befugnisse. Ob das Schiff zum Stoppen aufgefordert wurde oder eigenständig stoppte, ist allerdings noch offen.

Im Rahmen einer Pressekonferenz erklärte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums in Peking zu dem Vorgang, China lege "großen Wert auf den Schutz der Sicherheit der Unterwasserinfrastruktur". Auf das konkrete Vorkommnis ging er nicht näher ein. Die chinesische Reederei Ningbo Yipeng Shipping, der das Frachtschiff gehört, war zunächst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. November 2024 um 13:30 Uhr.