Autoverleiher in Berlin Der Fuhrpark der Kriminellen
In Berlin gibt es laut dem LKA rund 40 Autovermietungen, die "einzig und allein dazu da sind, das kriminelle Milieu mit Fahrzeugen zu versorgen". Die Hintermänner sollen kriminelle Mitglieder polizeibekannter Großfamilien sein.
Der Unfallort gleicht einem Inferno: zerstörte Schaltkästen, ein abgerissener Baum, weit verteilte Körperteile - und das Auto, ein 450 PS-starker Audi RS 5, in vier Teile zerrissen und ausgebrannt. Ende eines illegalen Autorennens im Februar 2021 in Berlin, das drei der vier Insassen des Audis das Leben kostet. Nur der Fahrer überlebt. Er wird später von Landgericht Berlin zu fünf Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bei dem durch ein illegales Autorennen ausgelösten Unfall kamen drei Menschen ums Leben.
Das Auto hatte der Raser, ein 21-jähiger Mann, geliehen. Das sei keine Ausnahme, sondern der Regelfall, sagt Andreas Winkelmann. Der Oberamtsanwalt leitet eine Spezialabteilung, die sich allein um die Verfolgung illegaler Autorennen in Berlin kümmert: "In der weit überwiegenden Anzahl der Fälle gehören die Fahrzeuge, die bei solchen Autorennen verwendet werden, nicht dem Täter, sondern sind Mietfahrzeuge", berichtet er.
Es sei schon mitunter verwunderlich, dass da innerhalb kürzester Zeit so Kleinstfirmen entstehen, die doch sehr viele solcher hoch motorisierten Fahrzeuge anbieten, so Winkelmann. Diese Kleinstfirmen fallen mit dubiosen Vermietpraktiken auf: 500-PS-Boliden werden an 18-Jährige verliehen, bezahlt wird in aller Regel in bar. Die Vermittlung läuft oft online, nur wenige Firmen verfügen über Filialen.
"Systemrelevant" fürs kriminelle Milieu
Rund 40 solcher Autoverleiher sind nun in den Fokus des LKA Berlin geraten, wo das Zentrum für Analyse und Koordination zur Bekämpfung krimineller Strukturen angesiedelt ist. Denn dass die Wagen dieser Autoverleiher immer wieder bei illegalen Autorennen auffällig werden, ist eher ein Nebenaspekt.
Für Adham Charaby, Leiter des LKA-Zentrums, haben diese Firmen einen anderen Daseinszweck: "Diese dubiosen Autovermietungen sind für das kriminelle Milieu in Berlin systemrelevant. Sie sind einzig und allein dazu gegründet worden, um das kriminelle Milieu mit Fahrzeugen zu versorgen. Das kriminelle Milieu, das eine gewisse Mobilität benötigt, bedient sich dieser Firmen."
Adham Charaby leitet das Zentrum für Analyse und Koordination zur Bekämpfung krimineller Strukturen am LKA Berlin.
Autos dieser Verleihfirmen werden für alle möglichen Straftaten benutzt: als Fluchtfahrzeug bei Einbrüchen, bei Raubtaten, für Kurierfahrten - darunter die sogenannten Kokstaxis. Auch als Prestigeobjekt haben sie Bedeutung. Das Geld für die Autos, ob gekauft oder geleast, stamme dabei selbst aus kriminellen Geschäften: Die Gewinne aus diesen Geschäften werden unter anderem in teure Autos investiert, die wiederum dazu dienen, neue Straftaten zu begehen und neue Gewinne zu generieren.
Die Hintermänner: kriminelle Mitglieder der Großfamilien
Charaby spricht deshalb auch von einem Kreislauf, der sich jedoch schwer gerichtsfest nachweisen lasse. Denn die Hintermänner dieser Firmen gehen sehr geschickt vor. Sie setzen Strohleute ein, benutzen Scheinadressen und Pseudonamen, fingieren Steuernummern und wechseln ständig die Firmenbezeichnungen: ein ganzes Arsenal an Methoden, um die tatsächlichen Besitzverhältnisse zu verschleiern.
Dennoch kann die Analyseeinheit von Adham Charaby in vielen Fällen die Hintermänner wenigstens einkreisen: "Wir haben festgestellt, dass es zahlreiche Firmen gibt, die wir der Clan-Kriminalität zuordnen. Wo wir zum einen wissen, dass viele Personen, die wir der Clan-Kriminalität zurechnen, diese Fahrzeuge nutzen, und dass diese Personen auch dahinterstecken. Die haben natürlich Strohleute eingesetzt, aber sie stecken dahinter und besitzen praktisch diese Firmen und lenken sie auch."
Ihre Strohleute rekrutieren sie nach Erkenntnissen von rbb24 Recherche vor allem im osteuropäischen Ausland - wie Mariusz S., einem verarmten 50-jährigen Mann, der in einer verkommenen Wohnung im polnischen Legnica lebt.
Er wurde mehrfach nach Deutschland verfrachtet und als geschäftsführender Gesellschafter für insgesamt sieben verschiedene Firmen eingesetzt, darunter die World-Autovermietung in Berlin-Neukölln - ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, wie aus einem der notariell beglaubigten Gesellschaftsverträge hervorgeht. Von Autos habe er schon gar keine Ahnung, sagt er Gespräch mit rbb24 Recherche.
Clangröße als Verleiher
Den 450-PS-Audi, der im Februar 2021 so schwer verunglückt ist, hatte der Fahrer von einem Mann geliehen, den die Ermittler dem kriminellen Clan-Milieu zurechnen: Mohamed el N.. Der Mann musste auch als Zeuge im Prozess gegen den 21-jährigen Raser aussagen.
Was er mitzuteilen hatte, machte die Anwesenden stutzig: Er habe zwar keinen Führerschein, verfüge aber über drei luxuriöse Seriensportwagen von Mercedes und Audi. Deren Gesamtwert beträgt gut 300.000 Euro. Auf die Frage, ob er die Autos vermiete, verweigerte er die Auskunft.