"Vereinte Patrioten" Putin-Fans und Corona-Leugner
Neue Details im Fall der "Vereinten Patrioten", die offenbar Gesundheitsminister Lauterbach entführen wollten: Ein Verdächtiger trat als Putin-Anhänger auf und bekannte sich laut Report Mainz zu Umsturzplänen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt.
Es handelt sich bei dem Hauptverdächtigen um Sven B. aus dem brandenburgischen Falkensee: Auf einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen im März 2021 in Kassel sagte B. vor laufender Kamera: "Wir wollen dieses System weghaben!" Report Mainz liegt das Interview exklusiv vor.
"Fanclub Putins"
An seiner Brust trug B. an diesem Tag das so genannte Sankt-Georgs-Band sowie eine orange-schwarz-gestreifte Fahne. Beides sind Symbole der Nationalen Befreiungsbewegung Russlands. Nach Einschätzung der Journalistin und Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke steckt hinter der selbsternannten Bewegung ein "Fanclub Putins, der für Unruhe in Europa sorgen will". Außerdem stehe die Gruppe den Ideen der Reichsbürgerbewegung nahe. Der deutsche Ableger der Nationalen Befreiungsbewegung weist die Vorwürfe gegenüber Report Mainz zurück.
Corona-Leugner
Sven B. zählt zur fünfköpfigen Kerngruppe der "Vereinten Patrioten", die unter anderem einen Umsturz und die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplant haben soll. In seinem Haus im brandenburgischen Falkensee fanden die Ermittler vor etwa zwei Wochen unter anderem eine Kalaschnikow. B. soll einer der entscheidenden Planer und Organisatoren der Gruppe gewesen sein, ebenso Thomas O. aus dem rheinland-pfälzischen Neustadt an der Weinstraße.
Nach Recherchen von Report Mainz war O. seit etwa zwei Jahren in zahlreichen Telegram-Gruppen aktiv, wo es um Proteste gegen die Corona-Politik geht. Die Maßnahmen verglich er mit einer Diktatur, die Pandemie sei eine Kriegserklärung. Außerdem verbreitete O. in den Chats Verschwörungslegenden.
Haldenwang: "Hass auf staatliche Institutionen"
Dass sich unter anderem Reichsbürger, Gegner der Corona-Politik und Anhänger von Verschwörungstheorien vernetzen, beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz seit der Pandemie immer häufiger. Diese Szenen wollten auch gemeinsam handeln, sagte Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang im Interview mit Report Mainz. Was diese Gruppen eine, sei eine tiefe Staatsverdrossenheit. "In manchen Fällen würde ich sagen ein Hass auf staatliche Institutionen", so Haldenwang. Er rechne damit, dass es auch künftig Themenfelder gebe, wo sich derartige Gruppen zusammentun und radikalisieren könnten.
Vor etwa zwei Wochen hatten Ermittler in einer bundesweit abgestimmten Aktion die "Vereinten Patrioten" zerschlagen. Fünf Männer sollen zur Kerngruppe gehören, vier von ihnen sitzen in Untersuchungshaft. Die Gruppe soll sich über Telegram vernetzt haben.
Bundesanwaltschaft übernimmt Ermittlungen
Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung übernommen. Vorangegangen seien umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und des Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz, wie die Bundesanwaltschaft mitteilte.
Im Zusammenhang mit der Festnahme der Beschuldigten hätten sich zureichende Anhaltspunkte ergeben, dass diese eine terroristische Vereinigung gegründet oder sich für eine solche Vereinigung als Mitglieder betätigt haben könnten, hieß es. Gegen Thomas O. und Sven B. bestehe zudem der Verdacht des Versuchs der Beteiligung an einem Verbrechen.
Der Generalbundesanwalt in Karlsruhe ist als oberster Staatsanwalt des Bundes laut Gesetz immer dann zuständig, wenn es um den Verdacht einer "terroristischen Vereinigung" (§ 129a Strafgesetzbuch) geht. Das bedeutet: Es muss sich um eine Gruppe von mindestens drei Personen handeln - mit einer gefestigten Struktur und dem gemeinsamen Ziel, Straftaten wie etwa Morde, Entführungen bzw. Geiselnahmen zu begehen.
Frank Bräutigam, ARD-Rechtsexperte
Geplante Entführung Lauterbachs
Nach aktuellem Ermittlungsstand bestehe der Verdacht, "dass die Beschuldigten einer Gruppierung angehört haben, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen und damit letztlich den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen", so die Bundesanwaltschaft.
Demnach habe die Gruppe geplant, einen bundesweiten "Blackout" durch Beschädigung oder Zerstörung von Einrichtungen zur Stromversorgung herbeizuführen. Außerdem sollte Gesundheitsminister Lauterbach "gegebenenfalls auch unter Tötung seiner Personenschützer, gewaltsam entführt werden".