Marine-Schiffe liegen am Marinestützpunkt Kiel-Wik.
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Stützpunkt in Kiel Spionageverdacht bei der Marine

Stand: 18.12.2024 16:01 Uhr

In Kiel wurde nach WDR-Recherchen ein Chinese festgenommen. Der Mann soll an einem Stützpunkt der Marine unerlaubt Fotoaufnahmen gemacht haben. Die Polizei ermittelt wegen Spionageverdachts.

Von Florian Flade, WDR

Das Landeskriminalamt in Schleswig-Holstein ermittelt wegen eines möglichen Spionagefalls rund um den Marinestützpunkt Kiel-Wik.

Nach WDR-Recherchen wurde am 9. Dezember ein chinesischer Staatsbürger festgenommen, der sich offenbar Zugang zur militärischen Liegenschaft im Kieler Hafen verschafft und dort Fotoaufnahmen gemacht haben soll.

Eine Sprecherin des LKA Schleswig-Holstein bestätigte auf Nachfrage lediglich, dass gegen den Mann ermittelt werde. Die Staatsanwaltschaft Flensburg, die das Verfahren führt, war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.

Nach WDR-Informationen wird gegen den Chinesen wegen des Verdachts des Sicherheitsgefährdenden Abbildens von militärischen Einrichtungen (§ 109g Strafgesetzbuch) ermittelt, er soll sich in Untersuchungshaft befinden.

Aufgegriffen hatte ihn zunächst das Wachpersonal, das den Mann schließlich an die Polizei übergeben hat.

Mobiltelefon wird ausgewertet

Das Mobiltelefon des Mannes und weitere Gegenstände, die dieser bei sich führte, werden derzeit vom schleswig-holsteinischen LKA ausgewertet. An der Aufklärung des Sachverhalts ist auch das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) beteiligt.

Die Ermittler gehen dabei der Frage nach, ob der Verdächtige möglicherweise für einen ausländischen Geheimdienst arbeitet und die Fotoaufnahmen im Hafen zu Spionagezwecken angefertigt hat.

"Das Aufklärungsinteresse der Volksrepublik China in Bezug auf die Bundeswehr ist ebenfalls weiterhin hoch", heißt es im aktuellen Jahresbericht des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD). "China ist bestrebt, bis zum Jahr 2049 wirtschaftlich und militärisch weltweit führend zu sein. Zur Erreichung dieses Zieles wird auf Maßnahmen der Cyberspionage, hybride Maßnahmen sowie auf klassische Spionageoperationen zurückgegriffen."

Sorge vor Spionage in Kiel ist groß

Die Sorge vor chinesischer Spionage ist in Kiel seit einiger Zeit groß. Immerhin befinden sich in der Region nicht nur bedeutende Liegenschaften von Bundeswehr und Marine. Hier sitzen auch Unternehmen der Rüstungsindustrie, die Werft von ThyssenKrupp etwa baut in Kiel hochmoderne U-Boote.

Und auch die NATO ist in der Hafenstadt vertreten: Auf dem Gelände der Einsatzflottille 1 befindet sich das "Centre of Excellence for Operations in Confined and Shallow Waters (COE CSW)" der Militärallianz. Hierbei handelt es sich um ein Kompetenzzentrum, in dem militärische Fähigkeiten in oft flachen, zerklüfteten und vielbefahrenen Gewässern erprobt und erforscht werden.

Im vergangenen Jahr war die Angst vor möglicher chinesischer Spionage an der Ostsee so groß, dass eine eigentlich bereits vereinbarte Städtepartnerschaft zwischen Kiel und Qingdao kurzfristig wieder abgesagt wurde. Im März 2023 hatten die Chinesen angefragt, ob aus der schon seit 2016 bestehenden Freundschaft zwischen den beiden Hafenstädten nicht eine engere Kooperation werde könnte.

Die Kieler Ratsversammlung stimmte dem Vorschlag zunächst zu. Juli 2023 aber machte Kiel schließlich einen Rückzieher. Grüne und SPD erklärten, dass man das Vorhaben nicht weiter vorantreiben werde - auch aufgrund massiver Sicherheitsbedenken. Viele Bürger in Kiel, so hieß es in einer Erklärung der Parteien, würden "der chinesischen Regierung und ihren Aktivitäten in anderen Ländern skeptisch gegenüberstehen".

Städepartnerschaft für Rüstungsspionage?

Sarah Kirchberger, die Leiterin der Abteilung Strategische Entwicklung in Asien-Pazifik des Kieler Instituts für Sicherheitspolitik (ISPK), hatte zuvor in einer Fachpublikation vor den Risiken einer Städtepartnerschaft mit Qingdao gewarnt. Die Sinologin führte an, dass Qingdao und der dortige Militärhafen eine zentrale Rolle dabei spielten, die Fähigkeiten der chinesischen Marine, insbesondere bei U-Boot-Technologien, auszubauen. Dementsprechend bestehe die Gefahr, dass in Kiel künftig Wissen abgegriffen und Rüstungsspionage betrieben werden könnte.

"Nicht nur chinesische Geheimagenten, sondern auch Mitarbeiter von Akademien und Staatsbeamte sind in den letzten Jahren dafür bekannt geworden, im Ausland zu spionieren und Technologien zu kopieren", so Kirchberger. "In den Ländern, die über ein besonders bedeutsames oder dringend benötigtes Fachwissen für die chinesische Militärforschung verfügen, werden vielfältige Einrichtungen zur akademischen oder kulturellen Zusammenarbeit geschaffen."

China verstärkt Spionageaktivitäten

Nach Angaben deutscher Sicherheitsbehörden hat China seine nachrichtendienstlichen Aktivitäten in Deutschland in den vergangenen Jahren durchaus verstärkt und teilweise auch verändert. So stellt der Verfassungsschutz neben der klassischen Wirtschafts- und Industriespionage auch zunehmend politische Spionage und Einflussnahmeversuche fest.

Im April etwa wurde der Deutsch-Chinese Jian G., früherer Mitarbeiter des AfD-Europapolitikers Maximilian Krah, in Dresden unter Spionageverdacht festgenommen. Nach Erkenntnissen der Ermittler soll G. Informationen aus dem EU-Parlament an einen chinesischen Geheimdienst weitergegeben haben, außerdem soll er chinesische Oppositionelle in der Bundesrepublik ausspioniert haben.

Weiterer Spionageverdachtsfall

Ende September dann wurde die Chinesin Yaqi X., eine Bekannte von Jian G., in Leipzig ebenfalls wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit festgenommen. Sie war für ein Logistikunternehmen am Flughafen Leipzig/Halle tätig.

Der Generalbundesanwalt wirft ihr vor, seit August 2023 Informationen über den Transport von Rüstungsgütern, aber auch über Reisen von Vertretern des Rüstungsunternehmens Rheinmetall, an Jian G. weitergegeben zu haben.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete NDR 1 Welle Nord am 18. Dezember 2024 um 18:00 Uhr in den Nachrichten für Schleswig-Holstein.