Haushaltspläne Das muss die EU wert sein
Der absehbare Aufschrei über mehr Geld für die EU ist populistisch. Dabei kostet die EU-Mitgliedschaft den Steuerzahler im Schnitt nur eine Tasse Kaffee pro Tag. Das sollte ihm die Union wert sein.
Beim Geld hört die Freundschaft auf, sagt ein beliebtes Sprichwort. Auf die Europäische Union gemünzt, könnte man den etwas abgenutzten Spruch auch umkehren: Daran, wie viel Geld die Europäer für dieses Europa ausgeben, lässt sich ablesen, was es uns wert ist.
Von Jean-Claude Juncker, dem Chef der EU-Kommission, ist bekannt, dass sich der Betrag derzeit in überschaubare Grenzen hält: Umgerechnet eine Tasse Kaffee pro Tag kostet den europäischen Durchschnitts-Steuerzahler die Mitgliedschaft seines Landes in der EU. Einer Gemeinschaft, die - zugegeben - alles andere als perfekt ist; die aber immer noch zu den besten Ideen gehört, die es in den vergangenen 100 Jahren gab. Und deren Vorteile, um Kanzlerin Merkel zu zitieren, die Nachteile noch immer überwiegen. Einer Gemeinschaft aber auch, die vor gewaltigen Problemen steht: Der Brexit naht mit Riesenschritten.
Die Zweifel wachsen
Mitgliedsstaaten, wie Polen oder Ungarn, entfernen sich vom gemeinsamen Wertefundament. Und in den Ländern des Südens wachsen, zumal bei den Jungen, die Zweifel an einem Europa, das seinen Bürgern Wohlstand, Frieden und Sicherheit verspricht. Als wäre all das nicht schon genug, droht auch noch die langjährige Schutzmacht USA ihrem wichtigsten Partner mit einem Handelskrieg, und Russland versucht mit Fake-News-Kampagnen und hybrider Kriegsführung, die Stabilität des Westens zu untergraben.
Herausforderungen, die die Mitgliedsstaaten, auf sich allein gestellt, kaum bewältigen könnten. Herausforderungen, deren Bewältigung aber auch einiges kosten wird, wie Günther Oettinger, der Haushaltskommissar aus Deutschland bei der Präsentation seines Entwurfs haarklein vorgerechnet hat. Der listige Schwabe spricht von einer "Speisekarte", auf der jede Menge nützlicher Projekte stehen und von der die 27 Regierungen nun nur noch auszuwählen brauchen.
Da wären zum Beispiel: ein wirksamer Grenzschutz, um illegale Migration einzudämmen und die so wertvolle Freizügigkeit im Innern wiederherzustellen. Oder eine koordinierte Asyl- und Flüchtlingspolitik, die Zuzug und Rückführung einheitlich regelt und die Lasten fair verteilt. Und zuletzt: mehr Zusammenarbeit bei der äußeren und inneren Sicherheit oder in der Forschung und ein sozialeres Europa, das vor allem Jugendlichen wieder eine Perspektive bietet.
Oettingers drei Wege
Das Geld dafür will Oettinger auf drei verschiedene Arten aufbringen: Erstens, indem er lang bestehende, aber selten hinterfragte Finanztöpfe, wie die Beihilfen für Europas Landwirte, moderat verkleinert. Zweitens, indem er der EU langfristig mehr eigene Einnahmequellen erschließt, wie zum Beispiel eine Steuer auf Einwegplastik. Und drittens, indem er die Beiträge der Mitgliedsstaaten leicht erhöht und die unseligen nationalen Rabatte mittelfristig abschafft.
Dass sich gegen Oettingers Plan in Europas Hauptstädten jetzt wieder wahlweise der Chor der leidenden Nettozahler beziehungsweise der besorgten Leistungsempfänger erhebt, ist normal. Auch, dass einige superschlaue Populistenversteher meinen, der Wegfall von rund 13 Milliarden Euro pro Jahr aus Großbritannien sei doch ein prima Anlass, um das EU-Budget noch weiter zusammenzustreichen, gehört zur erwartbaren Begleitmusik der nun beginnenden und sicher knallharten Verhandlungen.
Mehr Geld fürs Militär als für die EU
Genau die, die jetzt "Verschwendung" schreien oder das Lied vom ewigen "Zahlmeister" Deutschland anstimmen, verschweigen jedoch galant, dass zum Beispiel die Bundesrepublik jedes Jahr mehr fürs Militär ausgibt, als sie nach Brüssel überweist. Und dieselben sind es auch, die der EU bei nächster Gelegenheit wieder vorwerfen, sie würde zu spät oder nicht ausreichend auf Krisen reagieren.
Über Europas politische Prioritäten des nächsten Jahrzehnts lässt sich trefflich streiten. Auch darüber, ob es realistisch ist, Fördergelder an die Rechtsstaatlichkeit zu koppeln oder an die Aufnahme von Flüchtlingen. Wahr ist aber auch: Ohne Geld lässt sich keine Politik machen. Und 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - oder eine Tasse Kaffee am Tag - sollte den Europäern diese EU schon wert sein.
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