Staatengemeinschaft G7 Unverzichtbar, aber fragil
Die Entscheidung, russisches Vermögen für die Ukraine zu nutzen zeigt, wie wichtig die G7 nach wie vor ist. Deren Autorität speist sich aus der Stärke ihrer Demokratien - und macht die G7 dadurch auch fragil.
Brauchen wir diese G7 Gipfel eigentlich noch? Wo doch die sieben wichtigsten demokratischen Industriestaaten mittlerweile nur noch für zehn Prozent der Weltbevölkerung und 30 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistungen stehen?
Die Antwort nach den zweieinhalb Tagen in Borgo Egnazia lautet: Ja, es ist gut, dass es die G7 gibt. Allein für den Leuchtturmbeschluss dieses Gipfels. Die Entscheidung, russisches Vermögen für einen beispiellos großen Kredit für die Ukraine zu nutzen - welche andere internationale Gruppe hätte sie sonst treffen können? Gäbe es die G7 nicht seit fast 50 Jahren, es hätte sich gelohnt, sie allein für diesen Beschluss zu erfinden.
Die Stärke der Demokratien
Die Autorität der G7 speist sich nicht allein aus der Bedeutung ihrer Ökonomien, sondern aus der Stärke ihrer Demokratien. Auch deswegen haben viele aufmerksam auf Giorgia Meloni geschaut. Die Frau, die ihre politische Karriere in einer neofaschistischen Organisation begonnen hat, ist plötzlich G7-Präsidentin und damit erstmals Führerin eines wichtigen Teils der freien Welt.
Für Meloni persönlich war der Gipfel ein Erfolg. Eine von vielen gelobte Organisation, der Coup des historischen Besuchs Papst Franziskus‘ und starke Ergebnisse im Abschlussdokument. Ergebnisse, die am Ende auf die Ratspräsidentschaft einzahlen, auch wenn sie nicht alle von ihr angeschoben wurden.
Meloni hält Anti-Putin-Koalition zusammen
Am starken, unmissverständlichen Signal der G7 gegen Putin allerdings hat Meloni ihren Anteil. Italiens rechte Regierungschefin ist in ihrer Unterstützung für die Ukraine konsequent und unmissverständlich - im Unterschied zu anderen Rechtsaußen-Politikern in Europa. Meloni hilft damit entscheidend, die Anti-Putin-Koalition zusammen zu halten.
Wie unter einem Brennglas war in Borgo Egnazia zu sehen, was Meloni so erfolgreich macht. Trittsicher auf internationalem Parkett, verbindlich im Ton, verlässlich in der Sache, keine unnötigen Konflikte, aber durchsetzungsstark, wenn es darauf ankommt. Dazu kleine Momente der volksnahen Giorgia, beim spontanen Selfie mit Fotografen während des Wartens auf Biden. Und das Bespielen der innenpolitischen Stimmung mit Videobotschaften, um dem Wahlvolk daheim zu erzählen, wie toll sie das alles auf internationaler Ebene macht.
Gipfel mit starken Entscheidungen
Aber es ließ sich in den Gipfeltagen auch erahnen, was bei Meloni politisch unter der Oberfläche schlummert. Und wie die Chefin der Brüder Italiens mit einer klaren Agenda im Kopf nicht nur ihr Land, sondern gerne auch die Welt drumherum nach rechts schieben möchte. Beim Thema Migration. Aber auch beim Thema Abtreibung, zu dem sie sich beinhart mit Biden und Macron stritt. Um am Ende, kraft ihres Amtes als G7-Präsidentin, dafür zu sorgen, dass das Recht auf Abtreibung im Abschlussdokument nicht auftaucht. Genauso wenig wie ein Anti-Pandemie-Beschluss.
Es war ein Gipfel mit starken Entscheidungen vor allem zur Ukraine - aber auch Hinweisen darauf, wie fragil das immer noch wertvolle Konstrukt G7 ist