Ein fast vollständig zerstörter Stadtteil von Chan Yunis im Gazastreifen
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Ein Jahr seit Hamas-Massaker Dieser Existenzkampf hat jegliches Maß verloren

Stand: 07.10.2024 11:28 Uhr

Ein Jahr nach dem Hamas-Angriff auf Israel ist Frieden im Nahen Osten ferner denn je. Das liegt vor allem an der Hamas und dem Iran, aber auch an einem israelischen Premier, der um sein politisches Überleben kämpft.

Ein Kommentar von Julio Segador, ARD Tel Aviv

Eines hat dieser Krieg gelehrt: Immer wenn man dachte, das Schlimmste sei vorüber, gab es noch eine Steigerung. Ein Jahr nach der menschenverachtenden Terrorattacke der Hamas - mit mehr als 1.200 Toten und fast 250 Entführten - steht der Nahe Osten an der Schwelle eines umfassenden Krieges. Es genügt nur ein kleiner Funke, um die Region endgültig in Brand zu setzen.

Die Verantwortung daran trägt die Hamas mit ihrem Massaker vom 7. Oktober und, wie sich immer deutlicher zeigt, der Iran, der seine Marionetten gegen Israel in Stellung brachte und bringt. Das Mullah-Regime hat dieser Tage seine wahre Absicht einmal mehr offenbart: Es geht den Islamisten um die Auslöschung Israels.

Und ja: Israel verteidigt sich. Das kleine Land, umringt von mehr oder weniger feindlich gesinnten Nachbarn, setzt seine militärische Stärke ein, um seine Existenz zu sichern.

In die Falle getappt

Rechtfertigt das einen Militäreinsatz, der inzwischen den Gazastreifen weitgehend zerstört, der Millionen Menschen als Flüchtlinge in der eigenen Heimat heimatlos gemacht und der die Lebensgrundlagen im Gazastreifen wohl für viele Jahre vernichtet hat?

Nein. Dazu gab es keine Rechtfertigung. Dieser Krieg hat jegliches Maß verloren. Ein Krieg, der - um es noch einmal ganz klar zu sagen - nicht von Israel begonnen wurde.

Aber das kleine Land, das seit seiner Staatsgründung vor 76 Jahren um seine Existenz kämpfen muss, tappte in die Falle seiner Feinde. Die Hamas hatte die Terrorattacke auf Israel minutiös geplant, sie wusste um die Reaktion der Regierung, sie hat das harte militärische Vorgehen Israels provoziert.

Aber zur Wahrheit gehört wohl auch, dass ein um sein politisches Überleben kämpfender Ministerpräsident Benjamin Netanyahu die Chance gesehen hat, mit militärischer Stärke seine Position zu festigen. Er hat frühzeitig die Kriegsziele festgelegt, von denen bis heute keines erreicht ist. Er hat Verhandlungslösungen und Kompromisse immer wieder konterkariert, er hat die Weltgemeinschaft vor den Kopf gestoßen. Israel, die einzige Demokratie im Nahen Osten, ist polarisiert wie noch nie in seiner Geschichte. Die eigenen Bürger werfen der Regierung vor, undemokratisch zu handeln.

Strategie mit immensem Risiko

Um politisch zu überleben nimmt Netanyahu in Kauf, dass sich der Teufelskreis aus Gewalt und Gegengewalt unaufhörlich weiterdreht. Er setzt auf das militärische Kalkül "Gegenschläge ja - volle Eskalation nein". Dies birgt ein immenses Risiko.

Werden die Menschen im Nahen Osten irgendwann in Frieden zusammenleben können? Diese Vision scheint in diesen Tagen ferner denn je.

Ein Jahr nach dem Terrorangriff auf Israel ist die Situation im Nahen Osten angespannter als zuvor. Islamistische Extremisten haben eine ganze Region in Geiselhaft genommen für ihr menschenverachtendes Menschenbild. Und ein schwacher israelischer Premier ist diesen Terroranhängern auf den Leim gegangen.

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