
Hoffnung auf Oscar Der mutige Weg der Schauspielerin Setareh Maleki
Setareh Maleki kann es kaum erwarten: Ihr Film "Die Saat des heiligen Feigenbaums" von Regisseur Mohammad Rasoulof geht für Deutschland ins Oscar-Rennen. Schon vorher wurde er zum Wendepunkt im Leben der iranischen Schauspielerin.
Sie friert etwas, ihr langes schwarzes Haar glänzt in der kalten Wintersonne, als Schauspielerin Setareh Maleki in den Straßen Berlins unterwegs ist. Sie hat es geschafft: ein Leben in Freiheit, auf den roten Teppichen dieser Welt, und nun ein Oscar für ihren Film "Die Saat des heiligen Feigenbaums" in greifbarer Nähe.
Doch der Preis dafür war hoch. Nach dem Dreh im Geheimen muss sie ihre Heimat Iran aus Angst vor Repressionen des Regimes überstürzt verlassen: "Ich hatte keine Gelegenheit, mich zu verabschieden, nur von meiner Mutter und meinem Bruder," erzählt sie. Einen Monat lang habe niemand gewusst, wo sie war. "Innerhalb von zwei Stunden musste ich die schwierigste Entscheidung meines Lebens treffen. Doch ich wollte dem Leben eine Chance geben, weil ich glaube, dass ich so mehr bewirken kann."
Ein neues Leben
Der Weg in dieses neue Leben ist beschwerlich. Weil ihr Reisepass bereits konfisziert ist, muss die zierliche 33-Jährige es zu Fuß durch die Berge aus dem Land schaffen. Mit nur zwei T-Shirts und einer Jeans im Gepäck kommt sie wenige Wochen später in Frankreich an, wo ihr Film in Cannes eine erste internationale Auszeichnung erhält - eine emotionale Achterbahnfahrt für die junge Frau: "Aus den Bergen zu den schönen Palmen von Cannes - ich hatte es geschafft. Doch ich konnte nicht glücklich sein."
Zum Weinen bleibt ihr in Paris und Cannes keine Zeit, doch danach fällt Setareh Maleki in ein tiefes Loch, aus dem sie sich aus eigener Kraft wieder herauskämpfen muss, wie sie erzählt. Geholfen hat ihr dabei ein Tapetenwechsel: "Berlin hat alles verändert. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals wieder einen Ort als mein Zuhause bezeichnen würde. Aber Berlin ist dazu geworden."

Setareh Maleki (rechts) spielt im Film "Die Saat des heiligen Feigenbaums" die Rolle von Sana.
Eine Prise Teheran
Das liegt auch an Menschen wie Maryam, die ebenfalls aus dem Iran flüchten musste: "Als sie nach Berlin gekommen ist, war ich gerade nicht in Teheran. Wir hatten einen Dreh in einer anderen Stadt. Ich dachte, ich sehe sie nie wieder - oder im besten Fall vielleicht in zehn Jahren", sagt Setareh Maleki. Dass sie und Maryam jetzt beide hier sind, sei ein wahrhaftiges Wunder.
Alte und neue Freundschaften bilden für die Schauspielerin das Fundament ihrer neuen Heimat. Mit Maryam und Jenny, die sie in Berlin kennengelernt hat, zieht sie durch die Straßen am Kottbusser Tor. "Das hier ist einer der Orte, die mich an Teheran erinnern," erklärt die junge Iranerin. "Die Gegend war eine der ersten, die ich in Berlin gesehen habe. Ich dachte: Irgendwie kommt mir das bekannt vor! Eine Atmosphäre wie in Teheran, aber ohne Islamische Republik. Oder siehst du hier irgendwo die Sittenpolizei?" Berlin könnte das Teheran ihrer Träume sein.
Auch ein Kleid kann politisch sein
Nach einer kurzen Zigarette geht es weiter in ein kurdisches Restaurant. Bei Tee und einer Suppe wärmen sich die Freundinnen auf. Hier war die junge Schauspielerin auch an ihrem ersten Tag in Berlin. Heute ist es ihr letzter, bevor es auf eine große Reise geht - zur Oscarverleihung: "Soll ich Euch meine Geheimnisse verraten? Ja, ich kann dabei sein und ich habe mich dafür echt ins Zeug gelegt. Ich habe endlich alle Dokumente beisammen. Die Golden Globes habe ich noch verpasst, weil ich die Unterlagen so spät bekommen habe."
Schon als Sechsjährige habe sie davon geträumt, sagt sie: "Ich habe ich mich immer bei den Oscars gesehen, aber nicht, wie ich durch die Berge flüchte und das Land verlasse. Das möchte ich hinter mir lassen. Jetzt kommt endlich der gute Part!"
Dazu gehört auch die Wahl des passenden Outfits. Auf dem roten Teppich von Cannes hat sich die Schauspielerin bewusst gegen Schwarz und für Pink entschieden. Ein politisches Statement? "Im Mittleren Osten aufzuwachsen, ist an sich schon politisch," hält sie fest und ergänzt: "Alles ist politisch - wie du atmest, wie du dich kleidest... Es spielt keine Rolle, ob du willst oder nicht."
Aber sie wolle nicht mehr politisch sein müssen. In Berlin versucht Setareh Maleki, ein Leben jenseits aller Politik zu führen - unbeschwert und frei - und darüber hinwegzusehen, dass auch das schon wieder politisch ist.