Umgang mit Umsatzeinbruch Die Krisenstrategien der Zulieferer
Die Zulieferer spüren die Absatzkrise der Autohersteller mit voller Wucht. Auf Umsatzeinbrüche reagieren sie mit Sparplänen, Stellenabbau und der Ausrichtung auf Zukunftsthemen.
Bei der außerordentlichen Hauptversammlung des Automobilzulieferers Schaeffler gab es diesmal nur einen Punkt auf der Tagesordnung: Es ging darum, einen Rahmen dafür zu schaffen, um durch die Ausgabe von 200 Millionen Euro Vorzugsaktien bei Bedarf frisches Kapital ins Unternehmen zu holen. Schaeffler-Vorstandschef Klaus Rosenfeld sprach von einem "reinen Vorratsbeschluss" - auch, um mögliche Chancen in der Krise kurzfristig nutzen zu können. Aufsichtsratschef Georg Schaeffler erklärte: "Es gibt keinen Brand, den wir löschen müssten, es gibt keine Löcher, die wir stopfen müssten."
Der Automobilexperte Stefan Bratzel vom Auto Institut in Bergisch Gladbach sagt dagegen: "Die brauchen Geld, ganz klar." Und das solle möglichst schnell zur Verfügung stehen. Tatsächlich lag der Umsatz der Schaeffler Gruppe, die unter anderem Kupplungssysteme und Getriebeteile herstellt, im ersten Halbjahr 2020 bei 5,574 Milliarden Euro - im Vorjahreszeitraum waren es noch zu 7,226 Milliarden Euro. Einbußen, die zum angekündigten Abbau von 4440 Stellen führen. In der Zuliefererbranche sind solche Folgen der Pandemie jedoch keine Seltenheit. Denn Klagen hört man aus ganz Deutschland.
Arbeitsplätze in Gefahr
Im schwäbischen Bietigheim-Bissingen waren diese Klagen gestern auch auf der Straße zu hören. Etwa 400 Angestellte von Bosch Automotive Steering demonstrierten vor den Toren gegen die Schließung ihres Werkes Ende 2021 - und somit gegen den Wegfall von 300 Arbeitsplätzen. Denn der war im Juni dieses Jahres beschlossen worden. Ein Stellenabbau, der in die Zeit der Corona-Krise fällt, sich jedoch bereits lange vor dieser abzeichnete.
Denn die Automobilindustrie ist im Wandel. E-Mobilität, Vernetzung, autonomes Fahren. Herausforderungen, der sich Hersteller sowie Zulieferer zu stellen haben - und das nicht erst seit gestern und nicht erst seit Corona. "Die Corona-Krise hat bestimmte Trends beschleunigt, die aber vorher schon da waren", sagt Bratzel. "Schon 2019 wussten wir, dass die Branche Überkapazitäten hat und dass die fetten Jahre vorbei sind." Die Handelskonflikte mit den USA und China, der Brexit, all dies waren dunkle Wolken am Autohorizont.
"Die Corona-Krise hat bestimmte Trends beschleunigt" - Automobilexperte Stefan Bratzel.
So sieht es auch Auto-Analyst Gerhard Wolf von der LBBW. "Wir haben in den letzten drei Jahren schon eine rückläufige Produktion, global gesehen." Zu den Handelskonflikten seien dann noch die Diskussionen über die Antriebsart gekommen. "Viele Menschen fragen sich: 'Soll ich noch einen Diesel kaufen, soll ich einen Verbrenner kaufen?' Und das führte einfach zu einer rückläufigen Entwicklung."
Problem Überkapazität
Von Januar bis August dieses Jahres ging die Automobilproduktion um 36 Prozent zurück, wie es eine Studie des Auto Instituts beschreibt. Bei den Herstellern und auch bei den Zulieferern entstanden Überkapazitäten. Sie sind nicht ausgelastet.
Das bereitet auch dem weltweit größten Automobilzulieferer Bosch Sorge. 60 Prozent des Konzernumsatzes machte die Robert Bosch GmbH 2019 mit ihrer Automobilsparte. Nun heißt es auf Nachfrage von tagesschau.de: "Die Umsatz- und Ergebnisentwicklung des Unternehmens ist nach wie vor stark belastet. 2017 wurden 98 Millionen Fahrzeuge weltweit verkauft. In diesem Jahr werden es unseren Prognosen zufolge maximal 70 Millionen sein. Das führt in der gesamten Branche zu einem hohen Anpassungsbedarf, dem auch wir uns nicht entziehen können."
Diesen Anpassungsbedarf bekommt wohl fast jeder in der Zuliefererbranche zu spüren. Bei der Continental AG, einst ein reiner Reifenhersteller, heute der weltweit zweitgrößte Automobilzulieferer nach Bosch, rechnet man im laufenden dritten Quartal weiterhin mit einem "herausfordernden Marktumfeld" - und das nach Umsatzrückgängen von 25,9 Prozent im ersten Halbjahr 2020. Herbe Verluste für Continental, auf die Unternehmen auch mit Investitionen in neue Geschäftsfelder reagiert.
Continental verschärfte infolge der Umsatzrückgänge sein laufendes Sparprogramm.
Denn zur Zukunftsstrategie des Konzerns gehöre eine verstärkte Konzentration auf Innovationsfelder wie Software und Digitalisierung. "Mehr als 20.000 der gut 51.000 Continental-Ingenieure sind heute bereits Software- und IT-Ingenieure", teilt das Unternehmen mit. Auf die Krise der Branche reagierte der Konzern aber auch mit einer Verschärfung seines 2019 eingeleiteten Sparprogramms und kündigte den Abbau weiterer Stellen an.
Besonders betroffen: die Kleinen
Tatsächlich ist es genau dies, was die großen Zulieferer retten dürfte: Sie setzen nicht nur auf ein Standbein und sind für die deutsche Wirtschaft so relevant, dass die Politik sie nicht im Regen stehen lassen wird. "Aber von den kleinen und mittelständischen Zulieferern sind viele ernsthaft in ihrer Existenz bedroht", erklärt Automobilexperte Bratzel. "Wenn so ein Großer wie Schaeffler jetzt Geld braucht, wird er es auch bekommen. Da gibt's dann Rettungspakete. Aber die kleinen Zulieferer sind da nur eine Randnotiz wert."
Vor allem Zulieferern, die sich auf Verbrennungsmotoren spezialisiert haben, dürften harte Zeiten bevorstehen. Nicht wegen der Pandemie, sondern weil durch die Transformation hin zur E-Mobilität immer weniger Verbrennungsmotoren gebraucht werden. Auto-Analyst Wolf hält deshalb staatliche Hilfen für essenziell. "Wir werden bis Jahresende vielleicht Richtung Auslastung von 90 Prozent kommen und daher ist es schon wichtig, dass wir für den Nachfrageeinbruch Hilfen schaffen", sagt Wolf. "Ich sehe einen Dreiklang: Auf der einen Seite einen kurzfristigen Impuls, das könnte in der Form sein, dass man die Mehrwertsteuerabsenkung nochmal verlängert. Dann brauchen wir Liquiditätshilfen für die kleinen und mittleren Zulieferer und dann brauchen wir Unterstützung für die Transformation."
Nur langsame Erholung
Und dann? Geht es wieder bergauf mit der deutschen Autoindustrie und auch mit ihren Zulieferern? Beim Stuttgarter Zulieferer Mahle, der viele Komponenten für Verbrennungsmotoren herstellt, ist man skeptisch. "Auch wenn die Abrufzahlen unserer Kunden mittlerweile wieder steigen, ist die Auslastung noch immer auf einem niedrigen Niveau. Wir gehen davon aus, dass es Jahre dauern wird, bis die Märkte wieder das Vorkrisenniveau erreichen", teilt der Konzern mit.
Bei Continental nennt man eine konkrete Jahreszahl: Bis 2025 könne die Rückkehr auf Vorkrisenniveau dauern. Aber selbst das, so Experten, sei erstens ein sehr großes Ziel - und zweitens nicht garantiert.