Pläne für E-Währung Was der digitale Euro können soll
Während Kryptowährungen wie Bitcoins boomen, arbeitet die Europäische Zentralbank am digitalen Euro. Wie könnte der in der Praxis funktionieren - und was wären die Vorteile beim Bezahlen?
Von Klaus-Rainer Jackisch, hr
Wer in Stockholms Gamla Stan, der malerischen Altstadt mit gepflasterten Straßen und bunten Häusern aus dem 17. und 18. Jahrhundert, beim Sightseeing ein Blaubeer-Eis oder die beliebten Zimtschnecken kaufen will, hat es beim Bezahlen schon immer leicht gehabt. Die bargeldlose Transaktion ist hier schon seit vielen Jahren gang und gäbe. Auch Kleinstbeträge zahlt man gerne per Kreditkarte, Apple Pay oder Maestro-Card. Bargeld spielt in Stockholm wie in ganz Schweden schon lange kaum noch eine Rolle. Selbst beim Bäcker schüttelt man mitunter den Kopf, wenn Kunden mühselig Papiergeld aus dem Portemonnaie kramen. Jetzt will Schwedens Regierung den bargeldlosen Zahlungsverkehr noch weiter vorantreiben. Das Ziel: Münzen und Papiergeld sollen langfristig ganz verschwinden.
Die Herangehensweise der Regierungen der Eurozone und insbesondere der Europäischen Zentralbank ist das noch nicht. Doch auch das Euro-Zahlungssystem steht vor großen Veränderungen. Die EZB ist jedenfalls fest entschlossen, einen digitalen Euro einzuführen, den sogenannten E-Euro. Der soll parallel zum Bargeld ausgegeben werden, das ausdrücklich nicht abgeschafft werden soll. Erst diese Woche bestätigte Präsidentin Christine Lagarde, dass die Vorbereitungen auf Hochtouren liefen: "Wir werden einen digitalen Euro haben", sagte sie auf einer virtuellen Diskussions-Veranstaltung. "Das ist nicht für morgen, das wird einige Zeit benötigen, um sicherzustellen, dass es etwas gibt, das sicher ist."
Konkurrenz durch den Bitcoin
Dennoch geht Lagarde davon aus, dass der E-Euro schon in fünf Jahren in den virtuellen Geldbörsen der Verbraucherinnen und Verbraucher der Eurozone liegen wird und dann auch heftig zum Einsatz kommt. Damit reagiert die Notenbank auf zahlreiche neue Formen des Bezahlens, von denen "Krypto-Assets" wie etwa der Bitcoin oder die von Facebook entwickelte Bezahlmethode namens Libra die spektakulärsten sind. Aber auch andere Notenbanken setzen die Europäer unter Zugzwang. China ist bei der Entwicklung eines digitalen Yuan meilenweit voraus, auch die Zentralbank in Schweden bastelt an der digitalen Krone.
Wie der E-Euro am Ende ganz genau aussieht, wissen auch die Währungshüter noch nicht abschließend. Aber so viel ist bereits klar: der digitale Euro wird wie das Bargeld von der EZB ausgegeben und kontrolliert. Er entsteht durch die Geldschöpfung der EZB und der Geschäftsbanken, also ganz normal wie Münzen, Scheine und Buchgeld, das etwa auf dem Girokonto oder Sparbuch liegt. Im Unterschied zum Bitcoin und anderen "Krypto-Assets" behält also die Notenbank die Kontrolle über die Währung und will damit Stabilität und Sicherheit garantieren.
In der virtuellen Geldbörse
Der digitale Euro soll in einer Art virtueller Geldbörse aufbewahrt werden. Das Geld wird etwa beim Kauf eines Brötchens beim Bäcker mittels eines einfachen Verfahrens, zum Beispiel durch eine App oder einen QR-Code, in die Schatulle des Verkäufers wandern. Dies soll sowohl online als auch offline möglich sein, ohne Internet etwa durch Bluetooth oder andere technische Lösungen. Das Verfahren ist also sehr einfach und auch viel schneller als etwa eine SEPA-Überweisung, die den europäischen Zahlungsverkehr ja auch schon rasant beschleunigt hat.
E-Euros werden auf einem separaten Konto verbucht, also getrennt von den Einlagen auf einem normalen Girokonto. Faktisch liegt dieses Konto bei der EZB, doch verwaltet werden soll es durch die Geschäftsbanken. Der normale Verbraucher wird also wie beim Bar- und Buchgeld keinen direkten Zugang zur EZB erhalten.
Aus Sicht der Währungshüter verknüpfen sich mit dem E-Euro zahlreiche Vorteile gegenüber anderen elektronischen Zahlungsmitteln. Zentral ist dabei vor allem die Sicherheit. Denn dem E-Euro kann nichts passieren, selbst dann nicht, wenn die Geschäftsbank durch eine Krise in Schieflage gerät, weil am Ende eben die EZB dahinter steht. Davon erhofft man sich auch deutlich mehr Vertrauen als in Zahlungsmethoden wie ApplePay oder GooglePay, hinter denen nicht Zentralbanken, sondern große Konzerne stecken, deren Solidität in Krisenzeiten nicht immer gesichert ist.
Persönliche Daten werden nicht übermittelt
Ein weiterer Vorteil ist der Schutz der Privatsphäre. Denn im Unterschied zu Apple & Co., aber auch zu den großen amerikanischen Kreditkartenunternehmen, werden bei der Transaktion keine persönlichen Daten übermittelt. Anonymität und Schutz der Privatsphäre hätten gerade für Europäer einen großen Stellenwert, so die EZB. Dies bestätigen auch die ersten Ergebnisse einer Umfrage der Notenbank: Für über 40 Prozent der Teilnehmer stand der Schutz der Privatsphäre ganz oben auf der Agenda. Danach folgten mit weitem Abstand die Sorge um die Sicherheit (17 Prozent) und das Interesse an einer europaweiten Lösung (10 Prozent).
Bei den Geschäftsbanken treffen die Pläne bisher eher auf Zurückhaltung und Kritik. Einige fürchten, dass ihnen die Felle davon schwimmen, sollte der digitale Euro bei der Bevölkerung wegen der vielen Vorteile und Sicherheiten zum Renner werden und sie ihr Erspartes in die virtuelle Gemeinschaftswährung umschichten. "Für die Banken fällt eine wichtige Finanzierungsquelle weg, wenn die Bürger ihre Bankguthaben in digitale Euro umtauschen", meint etwa Jörg Krämer, der Chefvolkswirt der Commerzbank. Er rechnet vor: Privatleute und Unternehmen hielten im Euro-Raum auf den Girokonten ihrer Geschäftsbanken knapp 7300 Milliarden Euro. "Wenn sie dieses Geld vollständig auf EZB-Konten überwiesen, verlören die Banken fast ein Viertel ihres Fremdkapitals."
Obergrenze für Guthaben?
Doch dazu wird es nicht kommen. Denn auch die EZB hat kein Interesse, die ohnehin angeschlagene Kreditwirtschaft weiter zu schwächen - zumal sie auch für die Bankenaufsicht und damit für Stabilität verantwortlich ist. So sollen denn auch die Guthaben auf dem E-Euro-Konto beschränkt werden - vermutlich auf maximal 3000 Euro. Denn das E-Euro-Konto soll nicht zum Sparen oder Investieren, sondern zum Shoppen genutzt werden, sagt die EZB. Weil die E-Euros auf einem separaten Konto liegen, ist dies leicht zu kontrollieren und auch zu steuern. Dies wiederum bietet den Währungshütern ganz neue Möglichkeiten, ihre Geldpolitik anzupassen. Sie können für die E-Euros andere Leitzins-Sätze festlegen als für Bar- und Buchgeld. Dann könnten etwa höhere Strafzinsen für E-Euros zu mehr Konsum antreiben und die Wirtschaft ankurbeln.
Noch ist das ganze Projekt aber nicht von höchster Stelle abgesegnet. Der EZB-Rat beschäftigt sich zwar immer wieder auf seinen Sitzungen mit dem Thema - eine Entscheidung, ob das Projekt umgesetzt wird, soll aber erst Mitte des Jahres fallen. Eine Rolle dabei dürfte auch spielen, ob sich das Ganze überhaupt rechnet. In der Schweiz etwa, wo man neuen Zahlungsmethoden offen gegenüber steht und sogar mit Bitcoins an Automaten der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) zahlen kann, kam man zu dem Schluss, dass die Kosten einer Digital-Währung die Vorteile überwiegen würden. Ebenso in Dänemark.
Den Schweizer E-Franken und die dänische E-Krone wird es vorerst also nicht geben. Die schwedische E-Krone aber auf jeden Fall. Wer dann in Stockholms Gamla Stan Blaubeer-Eis oder Zimtschnecken mit Bargeld bezahlen will, wird wohl leer ausgehen.