EZB zur Eurokrise Bedingt kaufbereit bei Staatsanleihen
Die Europäische Zentralbank bleibt dabei: Sie erwägt grundsätzlich, weitere Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten zu kaufen. EZB-Chef Draghi bremste aber - Details sollten erst noch erarbeitet werden. Unter anderem die Bundesregierung ist dagegen. Den Leitzins ließ die EZB bei 0,75 Prozent.
Selten war eine Sitzung des EZB-Rats mit so viel Spannung erwartet worden wie die jüngste. Am Ende blieben vage Ankündigungen und enttäuschte Märkte.
Die EZB behielt sich den Ankauf von Staatsanleihen zur Stützung angeschlagener Euro-Staaten vor. Die Währungshüter würden möglicherweise in angemessenem Umfang in den Markt eingreifen, sagte EZB-Präsident Mario Draghi nach der Sitzung des Notenbankrats. Ein genauer Plan solle in den kommenden Wochen ausgearbeitet werden.
"Angemessenes Volumen"
Zunächst sei allerdings die Politik am Zuge und müsse die Rettungsschirme am Bondmarkt aktivieren. Die EZB werde nicht automatisch handeln, sondern autonom darüber entscheiden. Wieviel Geld die EZB für die Käufe einsetzen könnte, ließ Draghi offen. Das Volumen werde "eine angemessene Größe" haben, um den Zielen gerecht zu werden.
"Der Euro ist unumkehrbar", betonte Draghi weiter. Die "außergewöhnlich hohen Risikoprämien" für Staatsanleihen mehrerer Euro-Länder behinderten die Durchsetzung der EZB-Geldpolitik. Deshalb würden weitere unkonventionelle Maßnahmen erwogen.
Nur eine Nein-Stimme
Die EZB-Entscheidung fiel laut Draghi nicht einstimmig: Ein Mitglied des 23-köpfigen EZB-Rats habe nicht dafür gestimmt. Auf die Frage, ob dies Bundesbankpräsident Jens Weidmann gewesen sei, sagte Draghi: "Es ist klar und bekannt, dass Herr Weidmann und die Bundesbank ihre Vorbehalte gegen ein Programm zum Kauf von Staatsanleihen haben."
Draghi hatte vor einer Woche erklärt, die EZB werde "im Rahmen ihres Mandats alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten". Mit seinen Worten sorgte er zunächst für Erleichterung an den Märkten und für große Hoffnungen in einigen Ländern, dass die EZB massiv Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten wie Spanien und Italien kauft. Dies würde angeschlagene Länder zwar entlasten, allerdings die Inflationsgefahr erhöhen.
Draghi: Keine einfache Verlängerung des bisherigen Kaufprogramms
Die EZB investierte bereits 211 Milliarden Euro in Anleihen schwächelnder Euro-Länder. Das Kaufprogramm Securities Markets Programme (SMP) ist umstritten, seit dem Frühjahr ruht es.
Draghi betonte, die Pläne der EZB für neuerliche Marktinterventionen seien keine Verlängerung des SMP, weil die Käufe an klare Bedingungen geknüpft seien. Falls die Rettungsschirme am Bondmarkt aktiviert werden, müssen die hilfesuchenden Länder zuvor in einer Absichtserklärung Auflagen akzeptieren, um Schwachpunkte in ihren Wirtschafts- oder Finanzsystemen zu beseitigen. Damit sei auch gewährleistet, dass der Reformwille der Staaten nicht erlahmt, wenn sie von außen unterstützt werden. Genau dieser Mechanismus fehlte bei dem seit März ruhenden SMP-Programm.
Bislang war vorgesehen, dass der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM Staatsanleihen von Euro-Ländern selbst kaufen kann, damit diese Staaten niedrigere Zinsen zahlen müssen, wenn sie sich bei Investoren Geld leihen. Der ESM kann diese Papiere aber nicht unbegrenzt kaufen. Denn das Geld für diese Geschäfte muss sich der Rettungsschirm auf dem Kapitalmarkt selbst leihen. Zur Absicherung dient dabei das Stammkapital von 700 Milliarden Euro, das die Euro-Staaten bereitstellen.
Bekäme der ESM nun eine Banklizenz, könnte er sich wie andere Geldhäuser nach Bedarf frisches Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen. Dafür müsste er Sicherheiten wie die erworbenen Staatsanleihen hinterlegen. So käme ein Kreislauf in Gang, der sich praktisch unbegrenzt fortsetzen ließe. Denn mit dem EZB-Geld könnte der ESM weitere Staatsanleihen kaufen. Damit stiegen aber auch die Risiken für die anderen Euro-Staaten.
Nein zu Banklizenz für ESM
Eine Banklizenz für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM lehnte Draghi hingegen ab. Diese sei rechtlich unmöglich.
Italien und Frankreich sind dafür, den ESM durch eine Banklizenz zu stärken, mit der sich der Fonds Geld bei der EZB leihen könnte. Die Finanzmärkte reagierten enttäuscht auf Draghis Aussagen.
Leitzins bleibt unverändert
Eine Leitzinssenkung gab es unterdessen wie erwartet nicht. Der EZB-Rat entschied, ihn bei 0,75 Prozent zu lassen. Experten gehen davon aus, dass eine weitere Senkung frühestens im September kommt.
Der EZB-Rat hatte den Leitzins bei seiner letzten Sitzung Anfang Juli auf 0,75 Prozent verringert. Damit liegt der Zins erstmals seit Einführung des Euro 1999 unter einem Prozent
Lob von Rösler
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler lobte Draghi. Er sei ebenfalls der Meinung, "dass zur Beruhigung der Anleihemärkte eine entschlossene Konsolidierungs- und Reformpolitik auf nationaler Ebene absolute Priorität genießt und unverzichtbar ist". Die Geldpolitik könne nationale Eigenanstrengungen nicht ersetzen und deshalb auch keine dauerhafte Krisenlösung bieten. Auch deshalb sei es wichtig gewesen, dass Draghi die Position der Bundesregierung betätigt habe, dass eine ESM-Refinanzierung über die EZB nicht möglich sei.
Aus Draghis Äußerungen sei deutlich geworden, dass der ESM in Kraft treten müsse, damit die Politik wieder voll handlungsfähig werde, erklärte der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle. Die von Draghi angesprochenen Strukturreformen in den betroffenen Ländern seien zudem Kern der Lösung des Euro-Problems. Unionsfraktionsvize Michael Fuchs stufte die Ankaufbereitschaft hingegen als bedenklich ein: "Ich bin überhaupt nicht begeistert, wenn es dazu kommen sollte, dass die EZB Bonds aufkauft."
Opposition: Regierung treibt EZB "in Schuldentilgungsprogramm"
Die Opposition wertete die Ankündigung zu Anleihenkäufen hingegen als Beleg für ein Scheitern der Bundesregierung im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise. "Statt für Europa zu kämpfen, geht sie den vermeintlich einfachen Weg und treibt die EZB in ein weiteres Schuldenaufkaufprogramm", warf SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier Kanzlerin Angela Merkel vor. Auch aus Sicht von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin ist die Regierung mitverantwortlich für mögliche neue EZB-Bond-Käufe: Sie blockiere jeden Schritt in Richtung eines Altschuldentilgungsfonds.
Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon warnte, die EZB sei dabei, sich immer weiter "von der Stabilitätskultur der Deutschen Bundesbank" zu entfernen. Dagegen befürwortet der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Michael Kemmer, Anleihekäufe: "Wenn es in der Krise brennt, dann muss man löschen."
Spanien muss mehr für neue Anleihen zahlen
Unmittelbar vor der erwarteten EZB-Entscheidung musste Spanien mehr Zinsen für neue Anleihen zahlen. Der Staat sammelte bei drei Auktionen zusammen 3,1 Milliarden Euro ein. Der Zins für die richtungweisende zehnjährige Anleihe kletterte auf 6,647 Prozent, nachdem er bei der vorangegangenen Versteigerung Anfang Juli noch bei 6,43 Prozent gelegen hatte. Auch die Nachfrage war nicht mehr so stark: Die Auktion war 2,4-fach überzeichnet - nach 3,2-fach vor einem Monat.
Bei der zweijährigen Anleihe legte der Zins von 3,592 auf 4,774 Prozent zu, bei den bis 2016 laufenden Papieren von 5,536 auf 5,971 Prozent. Die Nachfrage blieb robust.