Lieferboykott der Milchbauern Fragen und Antworten zum Milchstreik
Die Milchbauern sind unzufrieden, sie fordern einen höheren Preis von den Molkereien. Um ihre Forderungen durchzusetzen, haben viele Bauern ihre Michlieferungen an die Molkereien eingestellt. Doch was bringt der Boykott? Und wie wird sich der Milchmarkt langfristig entwickeln? tagesschau.de hat einige Fragen und Antworten zusammengestellt.
Welche Auswirkungen hat der Streik der Milchbauern? Kommt es zu einem Engpass?
Ja, sagt der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), nein sagt Klaus Salhofer, Professor für Volkswirtschaftslehre – Umweltökonomie und Agrarpolitik an der Technischen Universität München. "Auch wenn ein Großteil der deutschen Bauern streikt, gibt es immer noch genügend Milch aus anderen EU-Ländern, die in Deutschland konsumiert und verarbeitet werden kann." Auch Thomas Fellmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Agrarpolitik an der Universität Hohenheim, sieht keinen drohenden Engpass. Es gebe genügend Landwirte, die Milch liefern. Kleinere Molkereien könnten von dem Boykott betroffen sein, aber das sei eher die Ausnahme.
Der Milchindustrieverband hatte die Warnungen der Bauern vor Engpässen zunächst zurückgewiesen. Inzwischen geht aber auch der Industrieverband davon aus, dass die Regale in einigen Läden leer bleiben könnten.
Warum ist der Süden von dem Boykott stärker betroffen als der Rest der Republik?
In Süddeutschland, besonders in Bayern, ist die Milchviehhaltung die Haupteinnahmequelle der Bauern. Außerdem, so Fellmann, scheint der BDM eine höhere Mitgliederkonzentration im Süden Deutschlands als in anderen Regionen zu haben. Zudem gibt es in Bayern noch einige kleinere Molkereien, sie spüren den Boykott schon, da sie auf wenige Milchlieferanten angewiesen sind.
Auch die ausländischen Milchbauern solidarisieren sich mit den deutschen Forderungen. Hat das Folgen?
Nein, sagt Thomas Fellmann, auch das wird keine Auswirkungen haben. "Da müssten viele Landwirte mitmachen, einzelne Aktionen werden nichts bewirken". Einzelne Aktionen gibt es: In den Niederlanden, Belgien oder Frankreich blockierten Bauern mit Traktoren die Zufahrten zu Molkereien. Protestaktionen gibt es auch in Österreich, dort ist die Situation vergleichbar mit den Landwirten in Bayern – sie sind stark vom Einkommen aus der Milchviehhaltung abhängig.
Betrifft der Boykott auch den Bio-Sektor?
Nein, dort erhalten die Landwirte höhere Literpreise für ihre Milch. Allerdings haben sie auch höhere Erzeugerkosten. "Wir zahlen mittlerweile 50 Cent pro Liter", erklärt Stefanie Neumann, Pressesprecherin der Biokette Alnatura. "Vom Milchboykott sind wir in keinster Weise betroffen, aber unsere Molkerei hat sich solidarisch mit den streikenden Bauern erklärt", so Neumann.
Bis 2015 wird die EU-Milchquote abgeschafft. Welche Auswirkungen wird das auf den Milchmarkt haben?
Es kommt, darin sind sich die Experten einig, zu einer weiteren Konzentration im Molkereiwesen. Damit werden die einzelnen Landwirte stärker unter Druck gegenüber den Molkereien und dem Handel stehen. Eine Chance sieht Fellmann bei den entwicklungsfähigen Milchbetrieben. Sie werden ihre Produktion ausdehnen, auf der Strecke bleiben die Kleinbauern. Auch Salmann prognostiziert eine ähnliche Entwicklung. Wichtig war die Entscheidung der EU vor drei Jahren, die Tierprämie abzuschaffen und stattdessen eine Subvention für jeden Betrieb zu zahlen. "Für manche Landwirte ist die Haltung von Milchkühen damit unrentabel geworden, langfristig wird die Zahl der Milchkühe in Europa abnehmen", so Salmann.
Wie reagiert die Öffentlichkeit auf die Tatsache, dass die Milch verfüttert und unter Gülle vermischt wird?
Die Öffentlichkeit hat Verständnis dafür, meint Fellmann. Er macht aber auch darauf aufmerksam, dass es niemandem mehr weh tut die Milch wegzuschütten als den Bauern. "Sie haben den größten Bezug dazu, sie müssen jeden Tag dafür arbeiten - im Gegensatz zum Verbraucher."
Zusammengestellt von Matthias Stelte, tagesschau.de