Unterstützung in Milliardenhöhe Deutschland im Subventionsrausch
Die deutsche Wirtschaft steht vor zahlreichen Hürden. Mit einem Dickicht von Subventionen wollen Deutschland und die EU die heimische Industrie stärken und Arbeitsplätze sichern. Doch Experten sind skeptisch.
Wenn man mit Sandra Yvonne Stieger über den riesigen Acker bei Magdeburg läuft, dann strahlt die städtische Beigeordnete für Wirtschaft: "Wir haben Intel hergeholt nach Magdeburg - das ist im Grunde unglaublich." So groß wie 500 Fußballfelder ist das Gelände.
Hier will der US-Chiphersteller Intel bis zu acht neue Produktionsstätten errichten. Das Projekt ist gigantisch - auch hinsichtlich der Beteiligung der Steuerzahler: 6,8 Milliarden Euro hat die Bundesregierung an Förderung zugesagt, inzwischen ist von bis zu zehn Milliarden die Rede.
3,3 Millionen Euro pro Arbeitsplatz
Das Geld ist zunächst für 3000 Arbeitsplätze in zwei Fabriken angedacht. Macht rein rechnerisch 3,3 Millionen Euro pro Arbeitsplatz. Doch diese Rechnung greift laut Stieger zu kurz: "Mit jedem Arbeitsplatz von Intel werden ja auch Ehepartner mitkommen und Kinder. Zulieferer werden sich ansiedeln - und auch da entstehen wieder Arbeitsplätze". Die Stadt erhofft sich, dadurch wieder ein bedeutender deutscher Industriestandort zu werden.
Finanziert wird das durch Subventionen. Einen ähnlichen Plan verfolgt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auch beim Strompreis. Er arbeitet gerade an einem Konzept, wonach die Bundesregierung den Unternehmen mit einem sogenannten Brückenstrompreis von sechs Cent pro Kilowattstunde hilft.
Kostet der Brückenstrompreis doch mehr?
Das Wirtschaftsministerium kalkuliert bis 2030 mit Kosten für die Steuerzahler zwischen 25 und 30 Milliarden Euro. Oliver Falck, Experte für Industrieökonomik vom Münchener ifo-Institut, hat nachgerechnet - und bezweifelt, dass das reichen wird.
Ohne weitere Investitionen in die Energieeffizienz kommt er beim Brückenstrompreis auf Kosten von 42 Milliarden Euro - also zwölf Milliarden mehr als von der Bundesregierung veranschlagt. "Die Förderung der Entwicklung von energieeffizienten Produktionsverfahren macht Sinn", sagt er. Aber eine Subventionierung über einen niedrigeren Industriestrompreis den werde sich das Land langfristig nicht leisten können.
Biden befeuerte Subventionswettlauf
Deutschland befindet sich in einem Subventionswettlauf, den US-Präsident Joe Biden vergangenes Jahr zusätzlich befeuert hat. Mit viel Geld und preiswerter Energie lockt er ausländische Unternehmen in die Vereinigten Staaten - und hat hierzulande die Angst vor einer Deindustrialisierung Deutschlands befeuert.
Deutschland und die EU versuchen deshalb, dagegenzuhalten - etwa mit der milliardenschweren Unterstützung für Unternehmen oder mit der Ansiedlung moderner Produktionsstandorte wie in Magdeburg.
Kritik an Subventionen
Reint E. Gropp, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle, gehört zu den schärfsten Kritikern der milliardenteuren Subventionen für Intel in Magdeburg. Gropp warnt davor, Global Playern Milliardensummen aus Steuergeldern zu geben. Intel habe schließlich - trotz Gewinneinbruch - im vergangenen Jahr noch acht Milliarden Dollar Gewinn gemacht.
Doch auch aus strategischer Sicht sei diese massive Subventionierung fragwürdig: "Aus strategischer Sicht, wäre es wahrscheinlich besser, zu sagen: 'Wenn die Amerikaner ihre Chip-Produktion so sehr subventionieren, dann können wir billige Chips aus Amerika kaufen'." Auf diese Weise würde man Sicherheit in den Lieferketten herstellen.
Im Übrigen wisse man auch nicht, wie gut das Geld angelegt sei, sagt Gropp, weil "solche Unternehmen dann eben oft auch weiterziehen, sobald die Subventionen gezahlt sind".
Subventionen kassiert - und dann?
Es ist auch das Desaster um den früheren finnischen Mobilfunkriesen Nokia, das ihn und andere Wissenschaftler umtreibt. Mit viel Steuergeld hatte man das Unternehmen vor rund 30 Jahren unterstützt, damit es Arbeitsplätze im Ruhrgebiet schafft. 2008 war dann Schluss.
Tausende Mitarbeitende verloren in Bochum ihren Job. Nokia zog weiter nach Rumänien und kassierte dort weitere Subventionen. "Nokia ist ein Beispiel", sagt ifo-Experte Falck. "Die Solarpanel-Produktion, die wir in Deutschland aufgebaut haben, die nach China weitergezogen ist, ist ein anderes."
Intel plant langfristig
Intel weist das auf Anfrage von plusminus zurück. Man plane langfristig in Magdeburg. Und auch das Wirtschaftsministerium hält die Abwanderung für unwahrscheinlich. Subventionen seien schließlich an Bedingungen geknüpft, und die Unternehmen müssten einen hohen Eigenanteil leisten. Es sei daher "im ureigenen Interesse eines investierenden Unternehmens, dass die Investition möglichst langfristig Bestand hat".
Generell plädieren die Wissenschaftler für stärkere Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Unterstützung innovativer Start-ups. Als Forschungsstandort habe man einen klaren komparativen Vorteil, so Falck: "Hier glaube ich, macht es wirklich Sinn, mit öffentlicher Förderung reinzugehen."