Skyline des Frankfurter Bankenviertels

Verbriefungen Wie deutsche Banken ihre Kreditkunden verkaufen

Stand: 12.03.2025 07:40 Uhr

Obskure Finanzkonstrukte haben die Weltfinanzkrise von 2008/2009 ausgelöst. Jetzt wollen deutsche Banken ähnliche Wertpapiere wieder salonfähig machen. Die Hintergründe sind intransparent.

Deutsche Peugeot- und Citroenhändler lockten mit billigen Finanzierungsangeboten - egal, ob es ein Neuer oder ein Gebrauchter sein sollte. Jede Menge deutscher Kundinnen und Kunden griffen zu, Finanzierung über die Peugeot-Bank inklusive. Tausende stottern ihr Auto immer noch ab, zahlen Monat für Monat Raten an die Bank, die mittlerweile unter "Stellantis Financial Services" firmiert. Peugeot und der neue Mutterkonzern Stellantis sind nur noch Verwalter. Hinter den Kulissen hat die Bank Kredite in Milliardenhöhe weitergereicht.

Ähnlich erging es auch Zehntausenden Kreditnehmern der VW-Bank und Kunden mit Hypothekendarlehen der Deutschen Bank. Sie alle glauben, mit einem bekannten und seriösen Unternehmen im Geschäft zu sein. Doch ihre Kredite werden dort nur noch verwaltet und abgewickelt. Die Kredite selbst sind als sogenannte "Verbriefungen" längst bei unbekannten Investoren oder liegen als Sicherheiten bei der Europäischen Zentralbank (EZB).

Die Weltfinanzkrise

Im Jahr 2008 war das Weltfinanzsystem nachhaltig erschüttert worden. Kleinanleger verloren Milliarden, große Banken gingen pleite. Industrieunternehmen fehlten Geld und Absatz, die Wirtschaft schrumpfte allein in Deutschland um 5,5 Prozent. Nur durch hohe Subventionen wurde die Arbeitslosigkeit im Zaum gehalten. Ursache waren sogenannte "Verbriefungen" in den USA, im Banker-Jargon "Asset Backed Securities" (ABS). Die Europäische Kommission reagierte mit strengen Regeln, die sehr ins Detail gehen. Sicherheit sollte künftig Trumpf sein.

Ökologische Transformation durch Verbriefungen?

Der Bundesverband deutscher Banken hat vor einem halben Jahr eine Denkschrift vorgelegt, die für laxere Regeln plädiert. Es ist von "Entbürokratisierung" die Rede und von "Europas Wettbewerbsfähigkeit stärken". Wer Fachtagungen und Kongresse der Bankenwelt besucht, hört seit Monaten Appelle, Verbriefungsgeschäfte weniger zu regulieren. Versprochen wird, dass nur transparente Geschäfte mit großen Sicherheiten angeboten werden sollen. Einige Banker sagen, nur über Verbriefungen könne das Kapital aufgebracht werden, das zum ökologischen Umbau der Wirtschaft nötig sei.

Was steckt hinter den Geschäften?

Für Banken lohnen sich Verbriefungen. Sie schaffen Platz für neue Geschäfte. Wie das? Im Prinzip nimmt eine Bank auf der einen Seite Geld von Anlegerinnen und Sparern gegen einen Zins ein. Auf der anderen Seite verleiht sie dieses Geld für höheren Zins an Menschen, Unternehmen und Staaten. Wenn alles angelegte Geld verliehen ist, ist Schluss.

Jetzt kommen Verbriefungen ins Spiel: Die Bank bündelt Kredite in Pakete und verkauft Wertpapiere, die als Sicherheit diese Kredite haben ("Asset Backed Securities"). Die Kredite werden "verbrieft". Dadurch verschwinden die Kredite aus der Bankbilanz, und es kommt frisches Geld für neue Geschäfte rein. Weil nur die Bank das Geschäft und die Kunden aus dem Eff- Eff kennt, wickelt sie die Kredite weiter als eine Art Verwalter für die Käufer der Wertpapiere ab.

Verbriefungen sind für Kundinnen und Kunden grundsätzlich nichts Schlechtes. Wirtschaftlich und rechtlich ändert sich für sie nichts. Die Konstruktion, die die Verbriefungen möglich macht, ist allerdings eher trickreich als transparent.

Die Geschäfte der Firma TSI

Hinter deutschen Verbriefungen stecken schwer durchschaubare, verschachtelte Rechtskonstruktionen. Der mit Abstand größte Anbieter solcher Konstruktionen ist die Firma "TSI International GmbH", die am Rande des Frankfurter Bankenviertels ein Büro betreibt.

TSI hat bisher 151 Verbriefungsgesellschaften gegründet. Sie werden Banken zur Verfügung gestellt, um neue Verbriefungen zu übernehmen. Die Verbriefungsgesellschaften verkaufen die Briefe dann an Investoren oder hinterlegen sie als Sicherheiten für Kredite der EZB.

Eine "STS Verification GmbH" bescheinigt, dass die Wertpapiere den gesetzlichen Regeln entsprechen und "simpel", "transparent" und "standardisiert" sind. Die STS ist eine Tochterfirma von TSI und hat ihr Büro unter derselben Adresse wie TSI.

Eigene Stiftungen helfen

Weil Verbriefungsgesellschaften rechtlich unabhängig sein müssen, helfen drei kleine Stiftungen. Sie bekommen die Verbriefungsgesellschaften geschenkt ("Zustiftung"). Die ehrenamtlichen Stiftungsvorstände haben mit den Geschäften ihrer Verbriefungsgesellschaften nichts zu tun. Es wird von der TSI koordiniert. Anfragen, die tagesschau.de an die Vorsitzenden der Stiftungen gerichtet hat, wurden von der TSI beantwortet.

Dass steuerbegünstigte Stiftungen verwendet werden, um Banken das Leben zu erleichtern, ist ungewöhnlich. Eigentlich müssen Stiftungen dem Gemeinwohl dienen. Die drei Kleinstiftungen finanzieren Gutachten übers Verbriefungsgeschäft, veranstalten Tagungen an der Privatuni eines der Vorstandsvorsitzenden und zahlen ein paar Tausend Euro für Abschlussarbeiten von Studenten der Finanzwirtschaft. Bisher wurden 2,5 Millionen Euro für solche gemeinnützigen Zwecke ausgegeben. Das sind knapp 0,001 Prozent der 275 Milliarden, die die Stiftungen an Verbriefungen ermöglicht haben.

Kioske mit Milliardenvermögen

Auch die Verbriefungsgesellschaften sind ungewöhnlich. Sie haben die neue Form von sogenannten "Unternehmergesellschaften" (UG). Diese "kleinen GmbHs" ist noch leichter als reguläre GmbHs zu gründen und brauchen noch weniger Kapital. Gedacht sind sie eigentlich für kapitalschwache Kleingewerbe wie Kioske.

Die Deutsche Bank hat Ihre Verbriefungsgesellschaften erst mit 5.100 Euro, neuerdings nur noch mit 4.500 Euro ausgestattet. Das Stammkapital ermöglicht, es in drei Teilen den drei Stiftungen zu schenken - erst 1.700 Euro pro Stiftung, jetzt noch 1.500 Euro. In den Investment-Kiosken werden Hypothekendarlehen von privaten Deutsche-Bank-Kunden im Wert von bis zu 20 Milliarden Euro gehalten.

Ein Konsortium des großen Geldes

Im Hintergrund steht ein Konsortium aus einem Dutzend deutscher Privatbanken, den Spitzeninstituten der Volksbanken und Sparkassen und der Staatsbank KfW. Sie sind Eigentümer der TSI. Das Konsortium hat auch die drei Klein-Stiftungen gegründet. 

Tagesschau.de hat mit elf Professorinnen und Professoren für Banken-, Unternehmensführungs-, Stiftungs- und Kartellrecht gesprochen. Die Beurteilungen reichen von "kreativ" und "ungewöhnlich" über "sehr merkwürdig", bis zu "kurios" und "grenzwertig". Illegal sei die Konstruktion erkennbar nicht.