Energiekosten der Wirtschaft Hilft ein Preisdeckel gegen teuren Industriestrom?
Soll der Staat den Strompreis der Industrie subventionieren? Auch darüber streitet die Ampelkoalition. Fakt ist: In kaum einem Land zahlen Betriebe mehr für Strom als in Deutschland.
Ein staatlich gedeckelter Strompreis für die Industrie: An der Idee scheiden sich die Geister, auch in der Wirtschaft. Für unverzichtbar halten ihn Vertreter energieintensiver Industrien wie etwa der zweitgrößte deutsche Stahlkonzern Salzgitter oder der Verband der Chemischen Industrie.
Der Verband will einen Preis zwischen vier und sechs Cent pro Kilowattstunde - ein Bruchteil dessen, was Industriestrom derzeit kostet: Unternehmen, die viel Energie brauchen - etwa die Chemie -, mussten nach einer Auswertung des Bundesverbands der Energie und Wasserwirtschaft vergangenes Jahr mehr als 18 Cent pro Kilowattstunde berappen. Mittelgroße Industrieunternehmen etwa aus dem Maschinenbau zahlen noch deutlich mehr.
Sorge um den Standort
Damit ist der Strom in Deutschland Auswertungen zufolge weltweit mit am teuersten. Die deutsche Industrie lag 2021 bei den Strompreisen an der Spitze im europäischen Vergleich. In Schweden kostete die
Megawattstunde noch nicht mal halb so viel.
Clemens Fuest, Präsident des Münchner ifo-Instituts, sagt deshalb: "Grundsätzlich finde ich es gut, dass Politik sich Gedanken macht über die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und die Stromkosten. Allerdings müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu viele Regulierungen aufeinander häufen, die sich widersprechen, und das Ganze nicht allzu planwirtschaftlich organisieren."
Und wieder streitet die Ampel
Wie ein staatlich subventionierter Industriestrompreisdeckel genau aussehen könnte, will der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck diese Woche vorstellen. Es brodelt in der Regierung. Denn Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist dagegen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bremst ebenfalls. Der Co-Vorsitzende der SPD, Lars Klingbeil, dringt dagegen auf eine rasche Einführung: "Der Industriestrompreis muss innerhalb der nächsten zwölf Monate kommen", sagte Klingbeil im br.
Habeck hält den Schritt für nötig, weil Industrieunternehmen sonst Deutschland den Rücken kehren könnten. Im Ausland, etwa in den USA, winken nicht nur viel günstigere Energiepreise, sondern zusätzliche Subventionen für grüne Industrien.
Der chemischen Industrie würde der Deckel helfen
Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie, meint denn auch: "Ein gedeckelter Strompreis hilft uns, die Abwanderung der energieintensiven Branchen zu stoppen und die Transformation hin zur Klimaneutralität weiter anzuschieben."
Dass der Staat der Industrie beim Strompreis Geld zuschießt, hält Robert Halver von der Bader Bank dagegen für falsch. Nicht nur, weil das letztlich auf Kosten der Steuerzahler geschehe: "Wenn alle nur subventionieren und wir das auch machen, dann wird Amerika sagen, OK, das machen wir auch stärker. Dann sind wir in einem Subventionswettbewerb, den können wir gar nicht gewinnen."
Die Politik möchte eine Lösung liefern, ist aber nach Ansicht vieler Teil des Problems. Denn unter anderem durch die Abkehr von der Atomenergie wurde das Angebot an Strom in Deutschland verknappt. "Ich hätte es gerne gesehen, dass wir noch paar Jahre auf Kernkraft gesetzt hätten. So lange, bis wir alternativfähig gewesen wären", sagt Halver.
Genug Anreize zum Energiesparen?
Auch ifo-Chef Fuest glaubt, dass man den Atomausstieg vielleicht nochmal hätte überdenken müssen. Wolle man den Industriestandort Deutschland attraktiv halten, müsse man jedenfalls etwas ändern: "Es ist aus meiner Sicht wichtiger, dass Politik an der Versorgung arbeitet, das Energieangebot erhöht, statt das Energieangebot zu verknappen und dann mit staatlichen Subventionen die Folgen der Verknappung zu vertuschen."
Das sei widersprüchlich und kontraproduktiv. Aus seiner Sicht kommt durch eine mögliche Preisedeckelung noch ein anderer Aspekt dazu: Der Anreiz zum Energiesparen könnte damit wegfallen.