Ölpreisdeckel Tankerstau in türkischen Gewässern
Der EU-Ölpreisdeckel gegen Russland hat zu einem Tankerstau in türkischen Gewässern geführt. Ein Energieexperte warnt zudem vor einem Katastrophenrisiko durch eine "Schattenflotte" Russlands - mit schlecht oder gar nicht versicherten Schiffen.
Wie die am Montag in Kraft getretenen Ölsanktionen der EU und G7 gegen Russland tatsächlich wirken werden, muss sich noch zeigen - der Preisdeckel zeigt aber bereits erste Nebenwirkungen.
So hat sich seit Montag an den türkischen Meerengen zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer ein Tankerstau gebildet. Nach Angaben eines Insiders der Schifffahrtsbranche gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters warten derzeit mindestens 20 Öltanker in türkischen Gewässern auf ihre Durchfahrt.
Der Grund dafür ist die Anforderung der Sanktionen, dass westliche Versicherer Schiffe mit russischem Erdöl nur noch versichern dürfen, wenn dieses für nicht mehr als 60 Dollar pro Barrel (159 Liter) verkauft wird. Nach Angaben mehrerer Vertreter der Ölindustrie verlangen die türkischen Behörden vor diesem Hintergrund neue Belege für einen gültigen Versicherungsschutz etwa für Öllecks oder Kollisionen, schreibt die "Financial Times". Nach Angaben der Versicherungsindustrie gingen die verlangten Dokumentationen weit über die gängigen Informationspflichten hinaus.
Beeinträchtigung des globalen Ölhandels
Ein Großteil des betroffenen Öls stamme aus Kasachstan, das über Pipelines zu den russischen Häfen gelangt und von den Sanktionen nicht betroffen ist, so die britische Finanzzeitung. Der Tankerstau deutet also darauf hin, dass der Ölpreisdeckel die globale Versorgung auch mit nicht-russischem Öl beeinträchtigt. Täglich werden Millionen von Barrel Öl von russischen Häfen durch die schmale türkische Meerenge am Bosporus in das Marmarameer und dann weiter durch die Dardanellen ins Mittelmeer transportiert. Ein US-Regierungsvertreter erklärte gegenüber der "Financial Times", man habe der türkischen Seite gemeinsam mit Großbritannien seine Besorgnis über die Verzögerungen zum Ausdruck gebracht.
In den kommenden Tagen müsse mit weiteren Verzögerungen gerechnet werden, da die Betreiber darum ringen, eine Versicherung im Rahmen der neuen Preisobergrenze der G7-Staaten abzuschließen, so der Brancheninsider gegenüber Reuters.
Erhöhte Gefahr einer Ölkatastrophe?
Da die wichtigsten Schifffahrts- und Versicherungsunternehmen der Welt in den G7-Ländern ansässig sind, könnte die Preisobergrenze es Russland erschweren, sein Öl zu einem höheren Preis zu verkaufen. Um die Sanktionen zu umgehen, soll Russland bereits eine "Schattenflotte" von mehr als 100 Öltankern aufgebaut haben, die mit Versicherungen nicht-westlicher Gesellschaften oder ganz ohne Versicherungsschutz operieren.
Nach Einschätzung des Russland- und Energieexperten Adnan Vatansever erhöht der Einsatz dieser Schiffe die Gefahr einer Umweltkatastrophe auf dem Meer. "Das Risiko eines Tanker-Unglücks ist so groß wie lange nicht mehr", sagte der Leiter des Russland-Instituts am Londoner King's College dem "Spiegel". Die meisten Schiffe der Schattenflotte seien "ziemlich alt". "Und während die westlichen Versicherungsunternehmen die Tanker genau auf ihren Zustand überprüfen lassen, bezweifle ich, dass das den russischen Versicherern auch so wichtig ist", so der Experte.