Pipeline-Projekte Wie Europa mit Gas versorgt werden soll
Von St. Petersburg nach Greifswald fließt bereits russisches Gas über die Nord-Stream-Pipeline nach Europa. Mit weiteren milliardenschweren Pipeline-Projekten soll die Energieversorgung des Kontinents sichergestellt werden. tagesschau.de stellt die einzelnen Vorhaben vor.
Der Wettlauf um die Gasversorgung hat längst begonnen. Während Russland mit den Projekten Nord Stream und South Stream am steigenden Energieverbrauch in Europa verdienen will, will die Europäische Union mit der Nabucco-Pipeline ihre Abhängigkeit vom russischen Gas verringern. Beide konkurrieren damit um Abkommen mit Erzeuger- und Transitländern. Nach Mineralöl ist Erdgas der wichtigste Energieträger in Europa.
Russland hat mehr als ein Viertel der gesicherten globalen Reserven an Erdgas und versorgt rohstoffärmere Länder wie Deutschland. Etwa 75 Prozent der russischen Gasexporte gehen in die EU-Mitgliedsstaaten. Der Hauptteil des Gases fließt bis jetzt durch die Ukraine, ein kleinerer Teil durch das Transitland Weißrussland.
Die Versorgungsleitungen werden benötigt, denn anders als Öl, kann Gas nur schwer in Tankern befördert werden. Die Umwandlung in leichter transportierbares Flüssiggas ist noch sehr teuer und mit Energieverlusten verbunden.
Die Ostsee-Pipeline Nord Stream
Mit der Nord Stream Pipeline kommt russisches Gas von der Jamal-Halbinsel und vom Gasfeld Schtokman in der Barentssee durch die Ostsee nach Europa. Die Leitung verläuft nicht durch Transitländer und ist damit eine direkte Verbindung zwischen Russland und Westeuropa. Die Anrainerstaaten hatten zunächst Bedenken gegen den Bau und ließen Sicherheits- und Umweltfragen prüfen.
Die erste Leitungsstrang mit einer Länge von etwa 1220 Kilometern ging Ende 2011 in Betrieb. Für den zweiten Pipelinestrang wurden bereits alle Rohre verlegt. Er soll ab Ende 2012 Gas nach Europa transportieren.
Hinter dem Ostsee-Pipeline-Projekt steht ein Konsortium. 51 Prozent der Anteile hält der russische Gasmonopolist Gazprom, jeweils 15,5 Prozent werden von E.ON-Ruhrgas und der BASF-Tochter Wintershall gehalten. Mit neun Prozent beteiligt sind die niederländische Gasunie und das französische Unternehmen GDF SUEZ. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder ist der Aufsichtsratschef des Nord Stream-Konsortiums.
Jede der zwei Leitungen soll jährlich 27,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas befördern. Die Pipeline hat damit eine Gesamtkapazität von 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Damit könnten nach Angaben des Betreibers 26 Millionen Haushalte in der EU versorgt werden. Abnehmer sollen neben Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Belgien, Großbritannien und Frankreich sein. Die Baukosten werden auf 7,4 Milliarden Euro geschätzt.
Einwände gegen die Ostsee-Pipeline kamen von den baltischen Ländern und Polen. Sie verdächtigen Russland eine Möglichkeit schaffen zu wollen, mit der sie unliebsamen Nachbarn das Gas abdrehen, andere Abnehmer in Westeuropa aber weiter beliefern könnten. Russland hatte zuletzt 2009 nach Auseinandersetzungen mit der Ukraine die Lieferungen gestoppt. Bulgarien, Ungarn, die Slowakei und Polen mussten damals wegen Versorgungsengpässen den Notstand ausrufen.
Das Projekt South Stream
Das South Stream Projekt soll Europa mit russischem Gas aus der östlichen Schwarzmeer-Region versorgen. Dahinter stehen Gazprom (mit einem Anteil von 50 Prozent der größte Anteilseigner), der italienische Energie-Konzern ENI (20 Prozent) sowie EDF aus Frankreich und die deutsche BASF-Tochterfirma Wintershall (je 15 Prozent). Die Leitung soll auf dem Grund des Schwarzen Meeres verlaufen und dadurch die Ukraine umgehen. Sie soll das russische Beregowaja mit Warna in Bulgarien verbinden. Von dort aus soll das Gas in zwei Leitungen nach Ungarn und Österreich sowie nach Griechenland und Italien strömen.
Den Planungen zufolge wird die Kapazität im Endausbau 63 Milliarden Kubikmeter pro Jahr betragen. Ab Ende 2015/Anfang 2016 soll das Gas fließen. Die Kosten werden auf acht bis 25 Milliarden Euro geschätzt. Von Beregowaja verläuft bereits die Blue-Stream-Trasse in die Türkei.
Die Nabucco-Pipeline
Hauptkonkurrent der South Stream Pipeline hätte die Nabucco-Leitung werden können, die von der Europäischen Union mitgeplant wird. Die Leitung (Nabucco West) soll unter Umgehung von Russland von der bulgarisch-türkischen Grenze Gas nach Österreich liefern. Sie führt durch Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Das Gas soll aus Aserbaidschan, Kasachstan oder Turkmenistan stammen. Aber auch Zulieferungen aus dem Nahen Osten sind angedacht. Die Trasse soll 31 Milliarden Kubikmeter pro Jahr liefern. Russland steht dem Projekt kritisch gegenüber und verhandelt selbst mit den Ländern, um das Gas über die South-Stream-Trasse liefern zu lassen.
Das Nabucco-Konsortium wollte die Pipeline ursprünglich von Aserbaidschan bis nach Österreich bauen. Die Kurzversion Nabucco West soll deutlich billiger und mit 1300 Kilometer Länge auch weitaus kürzer werden als die ursprünglich geplante lange Variante von 3300 Kilometern. Nabucco-West soll über die türkisch-aserbaidschanische Transanatolische Pipeline TANAP an die Gasfelder in Aserbaidschan angeschlossen werden.
Das Projekt hat aber immer wieder Rückschläge erlitten. Der Zeitplan für den milliardenschweren Bau der Röhre hatte sich verzögert. Eine Investitionsentscheidung haben die Partner bis heute nicht getroffen. Auch ein Liefervertrag kam nicht zustande.
Anteilseigner von Nabucco waren bislang die Unternehmen Botas (Türkei), BEH Bulgarian (Bulgarien), FGSZ/MOL (Ungarn), OMV (Österreich), Transgaz (Rumänien) und die deutsche RWE mit dem gleichen Anteil von 16,67 Prozent. RWE steigt nun aus dem Projekt aus.
Das Projekt White Stream
Die Pipeline White Stream wird vor allem von der Ukraine, die bis jetzt eine wichtige Rolle als Transitland hat, unterstützt und soll gemeinsam mit der EU verwirklicht werden. Die Ukraine hofft, dadurch seine Versorgung zu sichern. Durch die Leitung soll Gas aus Georgien durch das Schwarze Meer auf die Krim oder direkt nach Rumänien strömen. Die ersten Planungen gehen von acht Milliarden Kubikmetern jährlich aus. Später sollen es bis zu 32 Milliarden Kubikmeter werden.
Die damalige ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko stellte das Projekt 2005 erstmals vor. Unter dem Namen GUEU (Georgien-Ukraine-EU-Pipeline) gründete sich ein Konsortium unter anderem mit britischer und amerikanischer Beteiligung, um das Projekt zu prüfen. Schätzungen von GUEU zufolge könnte 2015 mit dem Bau begonnen werden.