Monokulturen in Mexiko Wie der Tequila-Boom der Umwelt schadet
In Mexiko boomt der Tequila-Export. Um die Nachfrage zu bedienen, pflanzen Bauern vor Ort Agaven in riesigen Monokulturen an, die der Umwelt schaden. Aber es gibt eine Gegenbewegung.
Rubén Ravelero präsentiert unter Sonnensegeln seinen ganzen Stolz: Mini-Agaven, gerade mal ein paar Monate alt, aus Samen gezogen. Ravelero berät Agavenbauern wie Benjamin Rosales, Juniorchef der kleinen Tequila-Destillerie Cascahuín. Er will die Agaven aus dem Gewächshaus bald aufs Feld pflanzen. "Das hier ist unsere Zukunft", sagt Rosales.
Was normal wirkt, ist eine kleine Revolution im Tequila-Geschäft. Statt immer schneller und mehr zu produzieren, plädiert Agrarökonom Ravelero für mehr Langsamkeit und Nachhaltigkeit im Tequila-Geschäft. Keine einfache Mission, denn der Markt boomt.
Mexiko hat im vergangenen Jahr deutlich mehr Schnaps nach Europa exportiert als im Jahr davor. Laut mexikanischer Tequila-Regulierungsbehörde stieg das Exportvolumen nach Spanien um 90 Prozent, nach Frankreich um 73 Prozent und nach Deutschland um 60 Prozent.
In Jalisco, Mexikos Schnapsregion nordwestlich von Mexiko-Stadt, erstrecken sich Agaven-Monokulturen bis zum Horizont. Und im Städtchen Tequila, das dem Agavendestillat seinen Namen gibt, hat Weltmarktführer Jose Cuervo ein Imperium geschaffen. Nur Agavenschnaps, der aus der blauen Agave und in bestimmten Gemeinden destilliert wird, darf zu Tequila werden. In Cuervos Fabriken entstehen bis zu 400.000 Liter pro Tag. Eine Erfolgsgeschichte, aber auch eine Geschichte von rauschhaftem Kommerz.
Tequilla gibt es in verschiedensten Qualiäten - von der billigen Massenware bis zum lange gereiften Edelschnaps.
Fünf Jahre Reifeprozess
Die Großindustrie legt ein Tempo vor, das eigentlich nicht zur Agave passt. Denn die riesige Pflanze mit den spitzen zulaufenden Blättern braucht vor allem zwei Dinge: Zeit und Geduld. Fünf Jahre muss sie mindestens reifen, bis die "Jimadores", die Erntehelfer, sie mit einer Art scharfem Spaten aus dem Boden schlagen.
Bis die Pflanzen blühen, von Fledermäusen und Insekten bestäubt werden und Samen bilden, würde es noch mal gut drei Jahre mehr dauern. Und da beginnt das Problem. Um Zeit zu sparen, und weil der Saft nach der Blüte für die Tequila-Produktion quasi unbrauchbar ist, blühen fast nie Agaven.
Die Bauern kürzen den Fortpflanzungsprozess stattdessen ab. Sie klonen Agaven, schneiden dafür Ableger aus der Wurzel, die mit der Mutterpflanze identisch sind. Das ist zwar gut fürs Geschäft, aber schlecht fürs Ökosystem, kritisiert Agrarökonom Ravelero. Runde um Runde sinke nämlich die genetische Vielfalt der Agave. Die Monokulturen werden anfälliger für Pilze und Schädlinge.
"Die Agaven haben Qualität und genetische Kraft verloren, weil immer die gleiche Pflanze vermehrt wird." Ravelero unterstützt deshalb eine Gegenbewegung, die den Bauern dringend rät, zu warten. Zumindest ein Teil der Agaven solle blühen, Samen bilden, aus denen dann starke und resistente Agaven wachsen. Das bedeutet zwar kurzfristig, nicht alle Agaven zu Geld machen zu können. Mittelfristig könnten die Bauern aber mit den Samen gesündere und resistentere Pflanzen züchten. "Es geht um die Zukunft der Agaven und des Tequila", betont Benjamin Rosales von Cascahuín.
Kommerzialisierung eines Naturprodukts
Unterstützung für die Idee kommt aus einer Garage in Guadalajara, Jaliscos Hauptstadt. Pedro Jiménez Gurría hat hier einen Verkostungsraum eingerichtet, für Liebhaber von Agavenschnäpsen. Tequila schenkt er kaum noch aus. "Der Kommerz hat das Naturprodukt kaputt gemacht", sagt er.
Unter dem Label Mezonte vermarktet Gurria dagegen die Schnäpse kleiner, alternativer Hersteller. Der Massenkonsum in den USA und Europa führe zur Ausbeutung von Ressourcen und Böden in Mexiko, kritisiert er. "Das Problem ist die Gier", sagt Gurrio. "Jedes Jahr wollen die Produzenten mehr Gewinn machen, anstatt in gesündere Landschaften zu investieren."
Der einzige Weg ist aus seiner Sicht, auf die Bremse zu treten und weniger zu exportieren. Und Verbraucher sollten auf ein Label achten, dass es inzwischen für die nachhaltigere Herstellung gibt. "Bat Friendly" heißt es und wird an Destillerien vergeben, die pro Erntezyklus fünf Prozent ihrer Agavenfelder blühen lassen, und damit insekten- und fledermausfreundlich wirtschaften.
Benjamin Rosales hätte das Label gerne für seinen Tequila, aber noch schafft er das nicht. Wenn er Agaven von anderen Bauern zukauft, muss er Überzeugungsarbeit leisten. Die meisten wollen so viel wie möglich ernten und denken oft nicht an die Pflanze von morgen. "Aber wir wollen das langsam ändern, aus Liebe zum Produkt", sagt Rosales. Sie hoffen, dass Ruder herumzureißen. Für gesündere Agaven, für den Tequila und ihre eigene Zukunft.