Neue FTC-Chefin angegriffen Warum Amazon diese Frau fürchtet
Der Internet-Gigant Amazon hat die neue Chefin der Handelskommission FTC frontal angegriffen. Das dürfte erst der Anfang einer großen Fehde zwischen den Tech-Giganten und den Behörden der Biden-Regierung sein.
Erst Anfang Juni überraschend zur Chefin der US-Handelskommission FTC ernannt, hat Lina Khan schon die erste Bewährungsprobe zu überstehen. Der E-Commerce-Gigant Amazon wirft der 32-Jährigen in einem 25-seitigen Antrag vor, fehl am Platze zu sein, da sie voreingenommen sei. Khan solle sich aus der Untersuchung der Wettbewerbsposition von Amazon heraushalten und von ihrem Posten wegen Befangenheit zurücktreten. Aufgabe der FTC (Federal Trade Commission) ist der Verbraucherschutz und das Durchführen von Wettbewerbsuntersuchungen.
Amazon fordert "unparteiische Untersuchung"
Zur Begründung seiner Forderung verweist Amazon auf öffentliche Bemerkungen Khans, wonach Amazon "gegen das Kartellrecht verstoßen" habe und "zerschlagen werden sollte". Amazon sieht darin einen Beweis dafür, dass Khan nicht so unbefangen sei, wie es ihre Position erfordere.
In einem Statement gegenüber dem US-Fernsehsender CNBC betonte Amazon-Sprecher Jack Evans: "Amazon sollte genau wie alle anderen großen Organisationen überprüft werden. Doch selbst große Unternehmen haben das Recht auf eine unparteiische Untersuchung." Sowohl Khans wissenschaftliche Arbeiten als auch ihre öffentlichen Statements zeigten, dass sie Amazon bereits vorverurteilt habe.
Beraterin des Repräsentantenhauses
Stein des Anstoßes ist dabei auch ein wissenschaftlicher Artikel, den Khan noch als Studentin der Columbia Law School 2017 im "Yale Law Journal" veröffentlichte. Der Titel: "Amazon's Antitrust Paradox". Darin argumentiert Khan, dass die gängigen Kartell-Modelle bei der Einschätzung von Tech-Giganten wie Amazon versagten.
Es dürfte wohl auch dieser Artikel gewesen sein, mit dem sich Khan für ihren Posten als Beraterin des Justiz-Unterausschusses des Repräsentantenhauses zu Kartell-, Handels- und Verwaltungsrecht empfahl, der sich mit der Wettbewerbslage in Bezug auf die großen Internet-Unternehmen Amazon, Alphabet, Facebook und Apple befasste.
Ist das erst der Anfang?
Der kalkulierte Angriff Amazons auf Khan dürfte dabei nur ein Vorgeschmack sein auf den Sturm, der schon bald über die Behörden und Politiker in Washington hereinbrechen wird. Denn mit Joe Biden ist nun ein Präsident in den USA an der Macht, dem die in den vergangenen Jahren immer weiter gewachsene Marktmacht der großen Tech-Konzerne sauer aufstößt und der nicht gewillt zu scheint, diese länger hinzunehmen.
Seine Nominierung von Khan als Chefin der FTC, aber auch von Timothy Wu als Berater des "National Economic Council" des Weißen Hauses, werteten Beobachter als klares Signal in diese Richtung.
Biden scheut Konfrontationen nicht
Timothy Wu, Dozent an der Columbia Law School, hatte sich als ausgesprochener Befürworter einer aggressiven kartellrechtlichen Vorgehensweise gegen die amerikanischen Tech-Giganten unter anderem mit seinem Buch "The Curse of Bigness" (zu Deutsch etwa: Der Fluch der Größe) einen Namen gemacht. Die "New York Times" sieht daher in der Personalie Wu einen Beleg für die "konfrontative Herangehensweise" der Biden-Regierung.
Dass Biden Konflikten mit den großen Tech-Konzernen nicht aus dem Wege geht, zeigten derweil schon seine scharfen Anwürfe gegen Amazon im April: Die Steuerzahlungsmoral des Unternehmens lasse zu wünschen übrig, Amazon nutze "verschiedene Steuerschlupflöcher", kritisierte der US-Präsident.
Besänftigungsversuche von Microsoft
Die US-Politik dürfte bei Amazon, Facebook & Co. künftig mehr dagegenhalten, sind Experten überzeugt; eine Begrenzung der Marktmacht, gar Zerschlagungen stehen im Raum.
Kein Wunder, dass jüngst Microsoft - ein Unternehmen, das mit Kartellverfahren in den USA schon fleißig Erfahrungen sammeln durfte und Anfang der 2000er-Jahre nur knapp an der Zerschlagung vorbeischrammte - sein neues Betriebssystem Windows 11 für Apps der Konkurrenz öffnete und verkündete: "Die Welt braucht heute eine offenere Plattform." Es bleibt abzuwarten, ob das reicht, um die Behörden in Washington zu besänftigen.
Neue Chancen durch "schöpferische Zerstörung"?
Es ist dieses "regulatorische Risiko", das künftig nicht nur die Gewinne der großen Tech-Unternehmen begrenzen dürfte. Die aller Voraussicht nach rabiatere Vorgehensweise der US-Behörden gegen die Tech-Konzerne stellt auch ein erhebliches Risiko für die großen amerikanischen Aktienmarktindizes wie Dow Jones Industrial und S&P 500 dar, in denen diese Konzerne ein großes Gewicht haben.
Auf der anderen Seite bietet eine verschärfte Regulierung kleineren Unternehmen die Chance, schnell und ideenreich auf die Umbrüche in der Tech-Branche zu reagieren. Das kann neue Geschäftsmodelle und damit auch neue Anlagemöglichkeiten hervorbringen - ganz im Sinne Schumpeters "schöpferischer Zerstörung".