Um ein Drittel gestiegen Firmenpleiten nehmen rasant zu
Die Befürchtungen um eine Pleitewelle in Deutschland haben sich erfüllt: Rund ein Drittel mehr Firmen als im Vorjahresmonat haben im September Insolvenz angemeldet. Grund sind auch die hohen Energiekosten.
Nach Berechnungen des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) haben die Firmenpleiten in Deutschland im September deutlich zugenommen. Die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften kletterte um 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat auf 762, wie aus dem heute veröffentlichten IWH-Insolvenztrend hervorgeht.
"Die Zahl der Insolvenzen wird in den nächsten Monaten weiter spürbar ansteigen", sagte IWH-Experte Steffen Müller. Verantwortlich dafür sind danach neben der sich eintrübenden konjunkturellen Lage in erster Linie stark steigende Preise bei wichtigen Produktionsfaktoren. Neben den Kosten für Energie gehen derzeit auch Löhne und Kreditzinsen nach oben.
Insolvenzen im ersten Halbjahr noch zurückgegangen
Während der Ukraine-Krieg zu höheren Energiekosten führt, sorgen Unterbrechungen der internationalen Lieferketten für die Verteuerung vieler importierter Vorleistungsgüter. Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgerufene Zinswende erhöht darüber hinaus die Refinanzierungskosten der Unternehmen. Dazu kam ab Oktober für viele Firmen ein weiterer Kostenfaktor: die Anhebung des Mindestlohns.
"Nach lange Zeit sehr niedrigen Insolvenzzahlen werden diese im November 2022 voraussichtlich wieder den Stand von vor der Corona-Pandemie erreichen", betonte Müller daher. Auch für Oktober erwartet das IWH etwa ein Drittel mehr Firmenpleiten als im Oktober 2021. Im November könnten die Vorjahreswerte sogar um 40 Prozent übertroffen werden, prognostizierte das Institut, das für seinen Insolvenztrend die Bekanntmachungen der Insolvenzeröffnungsentscheidungen der Gerichte sammelt.
Für das Gesamtjahr sei trotz der schnell steigenden Zahlen lediglich ein Zuwachs zwischen zwölf bis 14 Prozent abzusehen, da die Insolvenzzahlen in der ersten Jahreshälfte noch leicht unter dem Vorjahresniveau lagen. Im ersten Halbjahr hatten die deutschen Amtsgerichte nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) 7113 beantragte Unternehmenspleiten gemeldet. Das waren 4,0 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2021.
Industrie warnt vor Pleitewelle
Wegen der explodierender Energiekosten hatten die Warnungen aus Politik und Wirtschaft vor einer Pleitewelle jedoch zuletzt zugenommen. Bereits im August waren es 25 Prozent mehr Fälle als im Vorjahresmonat. Dem Industrieverband BDI zufolge sind die hohen Preise für 58 Prozent der Betriebe eine starke Herausforderung, für 34 Prozent geht es um die Existenz. Auch im Handwerk spitzt sich die wirtschaftliche Lage laut dem Branchenverband ZDH dramatisch zu. "Im Handwerk rollt auf uns wegen der Energiekrise eine Insolvenzwelle zu", sagte ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer.
Laut IWH wird das Bruttoinlandsprodukt im kommenden Jahr um 1,4 Prozent sinken, nachdem es in diesem Jahr noch um 1,1 Prozent wachsen soll. "Die deutsche Wirtschaft steht vor einer Rezession", fasste das IWH seine kürzlich veröffentlichte Herbstprognose zusammen. "Grund ist der enorme Anstieg der Preise für fossile Energieträger."
Auch andere Institute hatten jüngst einen wirtschaftlichen Abschwung angekündigt. So kappte etwa das Münchner ifo-Institut seine Konjunkturprognose für dieses und das kommende Jahr drastisch. Im kommenden Jahr erwartet das Institut ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 0,3 Prozent, für dieses Jahr nur noch 1,6 Prozent Wachstum. "Wir gehen in eine Winterrezession", erklärte der Leiter der ifo-Konjunkturprognosen, Timo Wollmershäuser.