Zwei Personen mit Laptop und Kalkulator in einem Büro.

Standortnachteile Warum Gründer Deutschland den Rücken kehren

Stand: 21.02.2025 07:10 Uhr

Zu viel Bürokratie, zu geringe finanzielle Förderung, mangelnde Digitalisierung: Die Hürden für Start-ups sind in Deutschland hoch. Verpasst Deutschland den Anschluss?

Von Martina Schuster, Johannes Thürmer, Alexandra Reese und Julia Lamour, BR

Kevin Berghoff braucht viel Kapital. Das von ihm gegründete Unternehmen QuantumDiamonds hat ein Verfahren entwickelt, das Halbleiter quasi durchleuchten und damit testen kann - mit Lasern, Quantentechnologie und KI. Die innovative Technik ist bei Chip-Herstellern weltweit gefragt. Die Anlagen sind inzwischen serienreif. Um die Produktionslinien einzurichten, braucht das Unternehmen jetzt mindestens zehn Millionen Euro und später noch viel mehr.

"Für Gründungsphasen ist sehr gut Geld in Europa", erklärt Berghoff. Wenn es aber irgendwann um Hunderte Millionen Euro gehe, sei "der europäische Kapitalmarkt relativ schwach." Gründer wie Berghoff suchen daher gezielt Investoren im Ausland. Diesen gehört dann auch ein Großteil der Firma. Das heißt: Know-how und teure Forschung kommen aus Deutschland, doch andere profitieren davon.

Wettbewerbsnachteil: Bürokratie in Deutschland

Kapital ist nicht das einzige Problem. Alleingelassen fühlt sich Berghoff mit der enormen Bürokratie in Deutschland. "Bei deutschen Behörden läuft die Kommunikation oft noch per Brief", während in den USA viel per Telefon oder etwa WhatsApp kommuniziert werde. In Deutschland dauert die Gründung einer GmbH vier bis acht Wochen. In Großbritannien sind es nur ein bis zwei Wochen, in Estland funktioniert es online in nur 18 Minuten.

Ein Ranking des internationalen Forschungsinstituts IMD vergleicht jährlich die Wettbewerbsfähigkeit bei digitalen Technologien. Dabei steht Singapur an der Spitze, gefolgt von der Schweiz und Dänemark. Deutschland findet sich auf Platz 23, Tendenz fallend.

Junge Hightech-Unternehmen müssen Spezialisten oft aus dem nicht-europäischen Ausland anwerben. Das kann in Deutschland dauern, wie Niclas Vogt vom Start-up-Verband in Berlin betont: "Wir kennen Fälle, da warten hochqualifizierte Programmierer acht, neun Monate auf ihr Visum."

Staat vergibt selten Aufträge an Gründer

Von der UnternehmerTUM aus, dem größten Zentrum für Gründung und Innovation in Europa, starten mehr als 50 Tech-Unternehmen pro Jahr ihr Business. Es sind Ausgründungen der TU München, die sich mit künstlicher Intelligenz, Mobilität oder Robotik beschäftigen. Sie könnten mit ihren Ideen die öffentliche Hand in vielen Bereichen unterstützen.

Doch bei Ausschreibungen können sie sich oft gar nicht beteiligen, wie Professor Helmut Schönenberger von der UnternehmerTUM beklagt: In Deutschland müsse man erst beweisen, dass die Firma schon drei Jahre erfolgreich existiere. "Da beißt sich aber die Katze in den Schwanz, weil das Start-up definitionsgemäß neu ist und eben noch nicht alles getestet ist. In den USA werden teilweise an Start-ups Aufträge von 50 oder 100 Millionen Euro oder gar im Milliardenbereich vergeben."

Ein Vergleich: SpaceX versus Isar Aerospace

Das junge Raumfahrtunternehmen SpaceX des US-Milliardärs Elon Musk etwa hat schon früh staatliche Aufträge bekommen: Der erste bedeutende Auftrag der NASA im Jahr 2008 hatte ein Volumen von 1,6 Milliarden Dollar.

Zum Vergleich: In Deutschland entwickelt die junge Firma Isar Aerospace ebenfalls ein Raketensystem. Die Ausgründung der TU München wurde im November von der ESA mit immerhin 15 Millionen Euro unterstützt. Doch das ist zu wenig, um international an die Spitze zu kommen.

"Wichtig ist, dass die neue Regierung das Thema Start-ups zur Prio macht", fordert Schönenberger. Deutschland habe die Köpfe, die Ressourcen und die Technologien. "Lasst uns einfach mal wieder arbeiten und das hinbekommen. Und wenn das geschieht, dann sind wir in zwei Jahren das gründungsstärkste Land dieser Welt", zeigt sich Schönenberger überzeugt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 17. September 2024 um 09:24 Uhr.