Lebensmittelbranche Einzelhändler klagen über Lieferprobleme
Lebensmittelhändler beklagen zunehmend Nachschubprobleme: 80 Prozent berichteten im Juni von Lieferengpässen. Immerhin sieht der Rewe-Chef leichte Entspannung im Preisstreit mit den Herstellern.
Die Lieferengpässe im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel haben sich im Juni verschärft. 79,7 Prozent der Händler berichteten von Nachschubproblemen, nach knapp 66 Prozent im Mai, wie aus einer Umfrage des ifo-Instituts hervorgeht.
"Die Handelsunternehmen stehen für bestimmte Waren weiterhin in schwierigen Verhandlungen mit den Herstellern über Preise und Bedingungen", sagte ifo-Experte Patrick Höppner. "Lieferstopps durch die Hersteller und die Auslistung bestimmter Produkte durch den Handel sind dabei eingesetzte Druckmittel."
Hersteller fordern Rewe-Chef zufolge seltener Preiserhöhungen
Dabei hatte der Chef des Handelsriesen Rewe, Lionel Souque, jüngst noch von einer leichten Entspannung im zuletzt oft erbittert geführten Preisstreit des Handels mit der Lebensmittelindustrie berichtet. "Die Lage beruhigt sich seit einigen Wochen", sagte der Manager gestern gegenüber der "Wirtschaftswoche". Weil die Inflation nachlasse, forderten die Hersteller mittlerweile seltener Preiserhöhungen.
Allerdings: Zufrieden ist Souque mit dem Verhalten der Hersteller trotzdem nicht. Aktuell sei kaum ein Hersteller bereit, sinkende Rohstoffkosten in Form von Preissenkungen weiterzugeben. "Das geht so nicht, da braucht es noch 'Erziehung'", sagte der Rewe-Chef.
Souque bekräftigte seine Kritik an Teilen der Konsumgüterindustrie. "Offenbar haben einige internationale Konsumgüterkonzerne das Gefühl, in Deutschland nicht genug Rendite zu machen." Auf einmal wollten manche Lieferanten 30 Prozent mehr für ihre Produkte. "Hätten wir und andere Lebensmittelhändler nicht so hart verhandelt, wären die Lebensmittelpreise in den vergangenen Monaten doppelt so stark gestiegen", sagte der Rewe-Chef.
Lieferprobleme in Gesamtbranche lassen nach
Im gesamten Einzelhandel ließen die Lieferengpässe derweil nach. 40,4 Prozent der Unternehmen meldeten Probleme, nach 41,3 Prozent im Mai. Eine deutliche Entspannung spürten vor allem die Bekleidungshändler: 18,9 Prozent der befragten Unternehmen waren im Juni betroffen, nach 27,2 Prozent im Mai. Auch bei Baumärkten und Möbelhäusern hat sich die Situation merklich verbessert.
Dennoch bleibe die Lage in etlichen Sparten schwierig. "Viele Einzelhändler spüren die Kaufzurückhaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher, in vielen Bereichen sind die preisbereinigten Umsätze zuletzt zurückgegangen", erklärte Höppner. Die Beurteilung der Geschäftslage habe sich zuletzt verschlechtert, auch die Erwartungen blieben überwiegend pessimistisch.
Handel leidet unter sinkender Nachfrage
Die hohe Inflation macht dem Einzelhandel in Deutschland schon länger außerordentlich zu schaffen. So erwarten die Unternehmen stärkere Bremsspuren für ihr Geschäft als bislang angenommen: Ihr Umsatz dürfte in diesem Jahr zwar um drei Prozent wachsen, wie der Handelsverband Deutschland (HDE) in dieser Woche prognostizierte. Inflationsbereinigt (real) dürfte er allerdings um vier Prozent sinken. Bislang war der HDE von einem realen Minus von nur drei Prozent ausgegangen.
"Die Rahmenbedingungen bleiben insgesamt schwierig", betonte HDE-Präsident Alexander von Preen. "Insbesondere die nach wie vor hohe Inflation sorgt dafür, dass die Branche nicht richtig ins Laufen kommt." Die schwierige Lage wird durch eine Umfrage unter rund 900 Handelsunternehmen belegt. Demnach rechnen 35 Prozent von ihnen für das zweite Halbjahr mit Umsatzrückgängen.